In “Drei-Phasen” gegen das Coronavirus

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Ob in Asien, Australien, Amerika oder Europa: Regierungen und Notenbanken stemmen sich gegen die Folgen des Coronavirus für die Wirtschaft. Der Wille ist wohl vorhanden. Die Frage aber ist: Wann, wie viel und für wen?

Die Aktienmärkte sind abgestürzt, Lieferketten unterbrochen, die Sorge vor einem Einbruch der Konjunktur ist groß. Brauchen deshalb auch deutsche Unternehmen Hilfe? Die Rufe nach einem Anti-Krisen-Paket jedenfalls werden lauter.

Es wächst aber auch die Befürchtung, Trittbrettfahrer könnten die Situation ausnutzen und Staatshilfen einheimsen, die eigentlich nicht nötig wären.  Am Sonntag wollen die Spitzen der großen Koalition von Union und SPD mögliche Maßnahmen beraten.

Unsichere Lage

Die Coronavirus-Epidemie trifft Unternehmen gleich von zwei Seiten: Viele Lieferketten funktionieren nicht mehr, weil wichtige Teile – zum Beispiel aus China – wegen Produktionsausfällen nicht mehr zur Verfügung stehen. Und die Konsumenten sind wegen der Ansteckungsgefahr deutlich vorsichtiger, was Fluglinien, Reiseveranstalter und Restaurants bereits spüren.

Noch ist die Konjunktur nicht eingebrochen, die Prognosen sind aber düster. Der Außenhandelsverband BGA berichtet bereits von Liefer- und Produktionsengpässen, die Tourismusbranche von erheblichen Einbußen, die Autoindustrie von Absatz-Rückschlägen in China, Messeveranstalter von Ausfällen – und Kommunen sorgen sich um Einnahmen.

Der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, spricht von einem erhöhten Rezessionsrisiko in Deutschland. Die Industriestaatengruppe OECD hält das Virus sogar für die größte Gefahr für die Weltwirtschaft seit der Finanzkrise von 2008.

Wirtschaftsminister Altmaier: “Wir sind vorbereitet und entschlossen, eine mögliche Krise zu vermeiden”

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ist bemüht, die Unternehmen zu beruhigen. “Wir sind vorbereitet und entschlossen, um eine mögliche Krise zu vermeiden und Beschäftigung und Wertschöpfung zu sichern”, sagt er. Intern wird in der Bundesregierung davor gewarnt, Panik zu verbreiten und damit womöglich die Unsicherheit bei Unternehmen weiter anzufachen. Das Ministerium orientiert sich zurzeit an einem “Drei-Phasen-Modell”.

Hotline ist eingerichtet

Erste Stufe heißt: Firmen sind nur vereinzelt betroffen, es gibt noch keinen Konjunktureinbruch. Hierfür sind die normalen Fördertöpfe, Kredite der staatlichen Förderbank KfW und Exportbürgschaften vorgesehen. “Diese Instrumente werden genutzt und sind aktuell ausreichend”, teilt das Wirtschaftsministerium mit. Das Ministerium hat dafür eine Hotline (030/18615-1515) für betroffene Firmen eingerichtet. Noch sei dafür aber kein gestiegener Bedarf zu erkennen, heißt es. Daneben besteht Anspruch auf konjunkturelles Kurzarbeitergeld – wenn beispielsweise Betriebe wegen staatlicher Schutzmaßnahmen geschlossen werden.

Die Hilfen werden aus Beitragsmitteln der Arbeitslosenversicherung finanziert. Ifo-Präsident Clemens Fuest hält das Kurzarbeitergeld für ein gutes Mittel – einerseits um Beschäftigung und Einkommen zu sichern, andererseits um zu verhindern, dass gesunde Unternehmen in die Insolvenz rutschen.

“Einige Milliarden” lockermachen

In der zweiten Phase, die schnell eintreten kann, aber momentan noch nicht absehbar ist, würde sich die Lage deutlich verschärfen. Die existierenden Hilfsmaßnahmen würden dann nicht mehr ausreichen und müssten aufgestockt werden. Die entsprechende Entscheidung müsste das Finanzministerium treffen.

“Bestehende Instrumente wie zum Beispiel Betriebsmittelkredite oder KfW-Kredite könnten ausgeweitet, flexibilisiert und aufgestockt werden, wenn der Bedarf steigen sollte”, so das Wirtschaftsministerium. Experten zufolge würde das den Staat wohl einige Milliarden Euro kosten.

Kreditzahlungen könnten dann vorübergehend ausgesetzt werden, auch fällige Steuern könnten später gezahlt werden. “Damit wird sichergestellt, dass bei umfassenderen Liquiditätsproblemen von Unternehmen die notwendige Unterstützung zur Verfügung gestellt wird”, heißt es in der Bundesregierung.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz: “Wir habene die Mittel, ein Konjunkturprogramm aufzulegen”

Konjunkturprogramme erst zum Schluss

In der dritten Phase – einer echten Krise – könnten dann Konjunkturprogramme nötig werden. “Sollte sich die Lage zuspitzen, Unternehmen in größerem Umfang aufgrund unterbrochener Lieferketten ihre Produktion einstellen müssen, Betriebe aufgrund behördlicher Anordnung oder aus Vorsichtsmaßnahme geschlossen werden, kann die Bundesregierung nachsteuern”, so das Wirtschaftsministerium unter Verweis auf die Fluthilfe 2013 und die Finanzkrise von 2008.

Wirtschaftsminister Altmaier erneuert dazu alte Forderungen nach verbesserten Abschreibungsbedingungen, einer steuerlichen Besserstellung von Personengesellschaften und geringeren Unternehmenssteuern.

Teile von Altmaiers Forderungen sind in der schwarz-roten Koalition ohnehin beschlossen, aber noch nicht umgesetzt. Vor allem die CSU hat sich für ein Konjunkturpaket ausgesprochen. Die Schwesterpartei CDU ist aber dagegen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz erwägt solche Hilfen, hält die Zeit dafür aber noch nicht für gekommen: “Wenn die Lage es erfordert, dass ein solcher Impuls nötig wird, haben wir auch die Mittel, ein Konjunkturprogramm aufzulegen”, sagte der SPD-Politiker zuletzt in einem Zeitungsinterview.

Umstrittene Pakete

Experten zufolge müsste ein Konjunkturpaket, das mit der EU-Kommission abstimmt werden müsste, ein beträchtliches Volumen haben, um Wirkung zu entfalten – einige Milliarden reichen dafür nicht aus.

Der Ökonom Friedrich Heinemann vom Mannheimer ZEW-Institut hat sich für ein europäisches Konjunkturpaket ausgesprochen: Weder der Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU noch die Schuldenbremse im Grundgesetz verböten solche Reaktionen, weil es Ausnahmeklauseln gebe.

Ifo-Chef Fuest jedoch warnt, solche langfristig wirkenden Vorschläge seien derzeit nicht sachgerecht: “Ein Konjunkturprogramm kann keine Antwort auf die aktuelle Krise sein.”

Jetzt ist die Politik am Zug

Im Blickpunkt ist deswegen das Treffen der Spitzen der Koalition am Sonntag. Sie könnten bereits konkrete Maßnahmen beschließen, zumal es ohnehin Haushaltsmittel im Volumen von 17 Milliarden Euro gibt, die noch nicht konkret vom Bund verplant sind. Im Raum stehen zusätzliche Investitionen, eine Entlastung bei den Strompreisen, eine frühere Teilabschaffung des Solidaritätszuschlags und Steuersenkungen für Unternehmen.


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    Autorin/Autor: Ashutosh Pandey, Thomas Kohlmann


dk/hb (dpa, rtr)