Afghanistan: Wann handelt der Cricket-Weltverband?

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Der Druck auf den Cricket-Weltverband ICC, Afghanistan zu suspendieren, wächst. Mit dem Sport-Verbot der Taliban für Frauen verstößt der nationale Verband gegen ICC-Statuten – mit möglichen Folgen für das Männer-Team.

Afghanistans Cricket-Team, dem sportlichen Aushängeschild des Landes und der Taliban, droht das WM-Aus

“Es ist besorgniserregend, dass in Afghanistan keine Fortschritte zu erkennen sind”, sagte Geoff Allardice kürzlich in einer internationalen Pressekonferenz. Der Geschäftsführer des Internationalen Cricketverbands (ICC) kündigte an, dass der ICC-Vorstand sich auf seiner nächsten Generalversammlung im März mit dem Thema befassen werde, schränkte aber gleichzeitig ein. “Soweit uns bekannt ist, gibt es derzeit keine Aktivitäten.”

Vor 17 Monaten haben die islamisch-fundamentalistischen Taliban die Macht in Afghanistan wieder an sich gerissen und die Situation besonders für Frauen und Mädchen im Land dramatisch verschlechtert. Das hat auch Auswirkungen auf den Sport und die Cricket-Nationalmannschaft der Frauen in Afghanistan.

Verstoß gegen ICC-Kriterien

Minky Worden von Human Rights Watch

“Taliban-Kräfte haben Trainingszentren geschlossen und Sportlerinnen mit Gewalt bedroht, wie Sportlerinnen berichteten”, sagt Minky Worden, Direktorin für globale Initiativen bei Human Rights Watch der DW. “Infolgedessen sind einige afghanische Sportlerinnen und Sportler untergetaucht und haben sogar versucht, Beweise für ihre Verbindung zum Sport zu vernichten, darunter Medaillen und Sporttrikots. Viele Sportlerinnen und Sportler sind immer noch in Afghanistan, wo sie nicht sicher trainieren und ihren Sport ausüben können.”

Mit dem Cricket-Verbot für Frauen und damit der faktischen Auflösung der Frauen-Nationalmannschaft verstößt Afghanistans Verband gegen die Auflagen des Weltverbands. Laut ICC-Mitgliedschaftskriterien muss es auch ein Frauen-Team geben, wenn man Vollmitglied sein möchte. Wer diese Anforderung nicht erfüllt, kann letztlich auch nicht an internationalen Wettbewerben wie der Weltmeisterschaft teilnehmen – und davon könnten auch Afghanistan Männer betroffen sein, die sich für die WM qualifiziert haben, die im Oktober in Indien stattfinden. Sollte das ICC konsequent sein, wäre ein WM-Ausschluss die logische Folge. Der würde auch die Taliban treffen, die sich gerne im sportlichen Erfolg “ihres” Cricket-Teams sonnen.

Australien setzt ICC unter Druck 

Vorreiter im Kampf für die Gleichberechtigung der Cricket-Frauen Afghanistans ist der australische Verband Cricket Australia (CA). Die Australier waren die Ersten, die ein Zeichen setzten, indem sie ein für November 2021 geplantes Testspiel gegen Afghanistan zunächst verschoben und schließlich ganz absagten. Damit setzten sie das ICC unter Druck, sich an ihre eigenen Kriterien zu halten und Afghanistans Verband zu sanktionieren.

Cricket ist bei afghanischen Männern und Frauen beliebt – spielen dürfen es nur noch die Männer

“Der australische Verband hat sich verpflichtet, die Entwicklung des Sports für Frauen und Männer auf der ganzen Welt zu unterstützen, auch in Afghanistan”, heißt es in einer Erklärung des australischen Cricket-Verbandes von Anfang Januar. “Wir werden weiterhin mit dem afghanischen Cricket Board zusammenarbeiten, in der Erwartung, dass sich die Bedingungen für Frauen und Mädchen in dem Land verbessern.”

Olympia-Ausschluss 2024 in Paris?

Neben Erwartungen an das ICC, gibt es auch Stimmen, die vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) aufgrund der politischen Situation für den gesamten afghanischen Sport fordern. “Das Afghanische Nationale Olympische Komitee wird vollständig von der Taliban-Regierung in Kabul kontrolliert und ist ein Ministerium der Regierung”, sagt Friba Rezayee afghanische Judoka war 2004 in Athen gemeinsam mit der Leichtathletin Robina Muqimyar die erste afghanische Frau, die je an Olympischen Spielen teilnahm. “Das IOC sollte die Taliban und ihre rein männlichen Sportverbände suspendieren, bis Frauen und Mädchen wieder trainieren und an Wettkämpfen teilnehmen können”, fordert sie. “Es ist klar, dass alle IOC-Gelder oder Gelder, die dem afghanischen NOC zur Verfügung gestellt werden, Gelder für die Taliban sind.”

Das IOC hat die Teilnahme des afghanischen Olympia-Teams an den Olympischen Spielen 2024 in Paris im vergangenen Dezember infrage gestellt, solle es keine Fortschritte “in Bezug auf die grundlegende Frage des sicheren Zugangs zum Sport für Frauen und junge Mädchen im Lande” geben.

Allerdings legte der olympische Dachverband keine Frist fest, bis wann dieser Zugang gewährleistet sein muss, und verpasste damit eine Chance, unter Umständen schneller etwas im Kampf um den Schutz und das Recht von afghanischen Frauen und Mädchen auf Sport zu erreichen.

Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.


  • Sportverbot für afghanische Frauen

    Im Abseits

    Seit ihrer erneuten Machtübernahme im August 2021 haben die Taliban eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, die das Leben von Frauen und Mädchen stark einschränken. Das Sportverbot ist ein Teil dieser Kampagne. Doch viele Frauen sind damit nicht einverstanden. Die Nachrichtenagentur AP hat sie anonymisiert mit ihrem Sportgerät fotografiert. Hier eine ehemalige Frauen-Fußballmannschaft in Kabul.


  • Sportverbot für afghanische Frauen

    Offboard

    Diese junge Skateboarderin posiert in Burka mit ihrem Skateboard. Die Taliban haben nicht nur alle Sportarten für Frauen und Mädchen verboten und ihnen den Zugang zu Parks und Sporthallen untersagt, sondern schüchtern Frauen, die ihren Sport weiter betreiben, auch mit Besuchen und Drohanrufen ein.


  • Sportverbot für afghanische Frauen

    Technischer K.O.

    Noura, eine 20-jährige Kampfsportlerin, erinnert sich an den Tag, als die Taliban Kabul einnahmen: Sie habe an dem Tag an einem Turnier in einer Kabuler Sporthalle teilgenommen. Als sich unter den Zuschauern herumsprach, dass die Taliban die Vororte Kabuls erreicht haben, hätten alle Frauen und Mädchen fluchtartig die Halle verlassen. Es war bis heute ihr letztes Turnier.


  • Sportverbot für afghanische Frauen

    In die Flucht geschlagen

    Noura ist eine Kämpferin. Sie wuchs in einem armen Stadtteil von Kabul auf und hat sich immer gegen Widerstände durchgesetzt. Doch als sie und ihre Familie von den Taliban bedroht wurden, verließ sie verängstigt Kabul und versteckte sich für einige Wochen in der Heimatprovinz ihrer Eltern. “Seit die Taliban zurückgekommen sind, fühle ich mich, als wäre ich tot.” sagte sie zu AP.


  • Sportverbot für afghanische Frauen

    Ausgebremst

    So wie dieser Radrennfahrerin geht es derzeit vielen Frauen in Afghanistan – sie werden systematisch von den Taliban ausgebremst: Der Besuch von Schulen und Universitäten wurde ihnen untersagt, sie müssen in der Öffentlichkeit den gesamten Körper bedecken und die Möglichkeiten für Frauen, außerhalb des Hauses zu arbeiten, wurden stark eingeschränkt.


  • Sportverbot für afghanische Frauen

    Das Spiel ist aus

    Auch an Basketball ist für diese junge Frau in Kabul nicht mehr zu denken. Der Sprecher des Nationalen Olympischen Komitees der Taliban hatte zwar verkündet, die Behörden planten neue Sportstätten, um auch Frauen die Teilnahme am Sport wieder zu ermöglichen. Ähnliche Aussagen gab es allerdings auch in Bezug auf den Besuch von Mädchen auf Mittel- und Oberschulen, doch passiert ist bisher nichts.

    Autorin/Autor: Philipp Böll