Ampel-Koalitionsvertrag: Neue Linie bei den digitalen Bürgerrechten

0
147

Die Koalitionsvertrag der neuen Ampel-Regierung aus SPD, FDP und Grünen steht. Der digitale Wandel ist nun eines der Kernthemen. So ist von einem „umfassenden digitalen Aufbruch“ die Rede, den Deutschland benötige.

„Wir werden diesen Staat digitalisieren“, sagte etwa FDP-Chef Christian Lindner bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags (PDF). Wie sich schon im Verlauf der Koalitionsverhandlungen abzeichnete, wird es kein separates Digitalministerium geben. Allerdings sollen Kompetenzen neu geordnet und gebündelt werden. Geplant ist zudem ein zusätzliches Digitalbudget sowie ein „Digitalisierungscheck“ für neue Gesetze.

Bekenntnisse für Glasfaser und Open Source

Ein Thema bleibt der Ausbau der digitalen Infrastruktur. Das Ziel ist der flächendeckende Ausbau von Glasfaser (FTTH) und dem neuesten Mobilfunkstandard – man geht also weg von vageren Angaben wie einem Gigabit-Ausbau. Beschleunigt werden sollen die Antrags- und Genehmigungsverfahren, offen zeigt sich die neue Regierung bei alternativen Verlegeverfahren, zu denen etwa Trenching zählt.

Bei der IT-Sicherheit und im Verbraucherschutz enthält der Koalitionsvertrag einige Aspekte, die weitreichend sind. So heißt es etwa: „Hersteller haften für Schäden, die fahrlässig durch IT-Sicherheitslücken in ihren Produkten verursacht werden.“ Auch für den Start verschärfen sich die Vorgaben: Demnach sollen alle staatlichen Stellen künftig verpflichtet sein, IT-Sicherheitslücken beim BSI zu melden. Die IT-Sicherheitsbehörde – die die Ampel stärken will – soll sich dann bemühen, die Sicherheitslücken im Rahmen eines Schwachstellenmanagments zu schließen. All das erfolgt in einem anvisierten Umbau der IT-Sicherheitsarchitektur.

Vorantreiben will die Regierung die Digitalisierung der Verwaltung. Ein Anspruch, der mit einem Bekenntnis zu Open Source erfolgt: Das soll künftig die Regel bei öffentlichen IT-Projekten sein, ebenso wie das Verwenden offener Standards. Zudem planen die Parteien ein offenes Schnittstellen-Management, was mit Blick auf Open-Data-Initiativen relevant ist. Ohnehin soll die Datennutzung generell einfacher werden – das gilt sowohl für die Wirtschaft als auch die Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Die DSGVO bleibt laut dem Koalitionsvertrag aber der Grundsatz.

Umfassend verbessern wollen die Parteien den Zugang zu Forschungsdaten für öffentliche und private Forschung, dazu ist ein Forschungsdatengesetz geplant. Als neuer Standard etabliert werden soll derweil Open Access sowie ein wissenschaftsfreundliches Urheberrecht. Zukunftstechnologien wie KI, Robotik sowie Quanten- und Distributed-Ledger-Technologien will man fördern, strategische Technologiefelder durch Maßnahmen wie den angekündigten EU Chips Act stärken. Ohnehin will man die deutsche Halbleiterindustrie stärken, Deutschland soll zu einem der weltweit führenden Standorte werden. Die Nachhaltigkeit in der Digitalisierung soll ebenfalls ein Schwerpunkt einnehmen.

Neue Linie bei den Bürgerrechten

Interessant wird es im Bereich der Sicherheitspolitik und der Bürgerrechte, hier deutet sich eine neue Linie an. Das Ziel ist demnach eine „evidenzbasierte und grundrechtsorientierte Sicherheits- und Kriminalpolitik“. Eingriffe in die Grundrechte müssten stets gut begründet sein, zudem sollen Sicherheitsgesetze evaluiert werden. Der Plan sieht zudem vor, eine Überwachungsgesamtrechnung zu erstellen. Angedacht ist zudem eine unabhängiges Expertengremium, das künftig bei Sicherheitsgesetzen beraten soll, wie sich das jeweilige Vorhaben auf die Freiheitsrechte auswirkt.

Das ist ein veränderter Schwerpunkt in der Sicherheitspolitik, der sich auf bestehende Instrumente auswirkt. Konkret heißt das: Keine Vorratsdatenspeicherung in der bekannten Form, stattdessen sollen Daten anlassbezogen nach richterlichem Beschluss gespeichert werden. Das Recht auf Anonymität will man gewährleisten, zur Identifikation sind Instrumente wie Login-Fallen angedacht. Flächendeckende Videoüberwachung mit biometrischer Datenerfassung lehnen die Ampel-Parteien ebenfalls ab.

Eingeschränkt werden sollen auch die Vorgaben für den Staatstrojaner. So besteht der Plan, die Eingriffsschwelle für (kommerzielle) Überwachungssoftware hochzusetzen. Auch der neu geregelte Umgang mit Sicherheitslücken kann – je nach Konsequenz der Umsetzung – erhebliche Auswirkungen auf den Einsatz des Staatstrojaners haben.

Parteien müssen Koalitionsvertrag noch bestätigen

Dieser Koalitionsvertrag ist zunächst die Grundlage für die Beschlüsse in den jeweiligen Parteien. Bei SPD und FDP sind es Parteitage, die am 4. und 5. Dezember über den Koalitionsvertrag entscheiden sollen. Die Grünen wollen eine digitale Urabstimmung unter den Mitgliedern durchführen.