Mit Weihnachtskarten gegen die Einsamkeit

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Die Corona-Pandemie isoliert vor allem alte und obdachlose Menschen und lässt sie vereinsamen. Eine Aktion aus Hamburg will das verhindern und löst eine Welle der Anteilnahme aus, die selbst die Organisatoren überrascht.

“Lieber Mensch, liebes Du, ich möchte dir mit dieser Karte gerne sagen, dass du nicht alleine bist.” – so oder so ähnlich beginnen über 36.000 Weihnachtskarten, die am Donnerstag, an Heiligabend, überall in Deutschland geöffnet werden. Das Außergewöhnliche dabei: Absender und Empfänger kennen sich nicht. Die Hamburger Aktion “Post mit Herz” bringt Menschen zusammen – jene, die aktuell besonders einsam sind, mit solchen, die von Herzen einen Weihnachtsgruß und liebe Worte senden wollen.

Angefangen hat alles mit der kleinen Idee, Weihnachtskarten an einige Pflege- und Obdachloseneinrichtungen in Hamburg zu schreiben. “Doch wir haben schnell gemerkt, dass es überall viele einsame Menschen gibt”, erklärt Gina Staschke, einer der Mit-Initiatorinnen von “Post mit Herz”. Damit war die Idee für “Post mit Herz” geboren. Dass die Aktion solch einen Zuspruch erhalten würde, damit hat keiner in dem achtköpfigen Team gerechnet. “Wir wollen Menschen, die alleine sind, vermitteln, dass jemand an sie denkt”, erzählt Staschke. Die Begeisterung ist ihr durchs Telefon anzumerken.

Die Aktion trifft einen gesellschaftlichen Nerv

Innerhalb von nur knapp fünf Wochen entwickelt das Team die Idee weiter, entwirft ein eigenes Design, sucht händisch über 1000 Einrichtungen im Internet raus. Allein 150 Stunden Programmierarbeit stecken in dem ehrenamtlichen Projekt, bevor es überhaupt losgeht. An einem Freitag Mitte Dezember ist es so weit –  die Website geht online. Am Dienstag darauf knacken die Kartenschreiber bereits die 10.000er Marke. 

Das Prinzip ist simpel: Wer eine Karte schreiben will, meldet sich auf der Website von “Post mit Herz” an und bekommt die Adresse einer Einrichtung zugeteilt, an die die Karte geht. Dort angekommen, werden die Weihnachtsgrüße gesammelt und zur Verteilung an Heiligabend bereit gelegt. “Wesentlich an dieser Aktion ist, dass sich jemand bewusst Zeit nimmt und die Worte von Herzen kommen. Gerade in der aktuellen Zeit besinnen sich viele Menschen wieder aufs Wesentliche und ihnen wird bewusst, wie wertvoll wundervolle Worte sein können – egal ob man sich kennt, oder nicht”, erklärt Staschke.

Manche Karten sind selbst gebastelt und bemalt, alle aber sind handgeschrieben, mal in kindlicher Krakelschrift, andere ordentlich und mehrere Seiten lang. “Manchmal sitzen wir da”, erzählt Staschke, “und schauen uns Fotos von den Karten an, die auf unseren Instagram- und Facebookseiten gepostet werden und dann laufen uns echt die Tränen runter. Damit hat keiner gerechnet, dass das von so vielen mitgetragen wird.”

Die einzige persönliche Post im gesamten Jahr

Das Team von “Post mit Herz” bekommt auch Rückmeldungen aus den Einrichtungen selbst. Eine Einrichtung für Menschen mit Behinderung schreibt dem Team, wie viel ihnen das vorweihnachtliche Engagement bedeutet: Ihre Bewohner kriegen einmal im Jahr Post – von dem Träger des Heims. Der Weihnachtsgruß von “Post mit Herz” wird der einzige persönliche Brief sein, den sie dieses Jahr bekommen werden.


  • Weihnachten feiern trotz Corona

    Dresdner Frauenkirche

    Die Frauenkirche in Dresden gilt weltweit als Symbol der Versöhnung. Sie wurde nach ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg mit Spendengeldern aus aller Welt wieder aufgebaut. Seit 1993, als man in den Trümmern den Altar freigelegt hatte, findet am 23. Dezember eine Open-Air Vesper statt – zuletzt mit 18.000 Menschen. Dieses Jahr gibt es nur einen Live-Stream aus dem Gotteshaus ohne Publikum.


  • Weihnachten feiern trotz Corona

    Thomaskirche Leipzig

    Die Nikolaikirche in Leipzig steht für die Friedliche Revolution, die Thomaskirche für Johann Sebastian Bach, der dort 27 Jahre Kantor war. An Heiligabend zieht es die Leipziger in Bachs Kirche, um dem Thomanerchor zu lauschen. Der tritt auch dieses Jahr auf, die Besucherzahl ist reduziert, Anmeldung ist erforderlich.


  • Weihnachten feiern trotz Corona

    Liebfrauendom München

    Der imposante Liebfrauendom ist das Wahrzeichen der bayerischen Landeshauptstadt. Er läutet für die Münchner im wahrsten Sinne des Wortes das Weihnachtsfest ein. An Heiligabend um 15 Uhr schlagen in den beiden Türmen 20 Minuten lang die zehn Glocken. Weil nur 130 angemeldete Besucher an der feierlichen Christmette teilnehmen können, wird sie auch live im Internet übertagen.


  • Weihnachten feiern trotz Corona

    Kölner Dom

    Der Kölner Dom ist das weithin sichtbare Wahrzeichen der Metropole am Rhein. Mit 157 Metern Höhe ist der Kölner Dom die dritthöchste Kirche der Welt. Damit in diesem Jahr trotz der strengen Hygieneauflagen möglichst viele Menschen in der gotischen Kathedrale den Heiligen Abend feiern können, gibt es vier Christmetten, zu denen man sich online anmelden muss.


  • Weihnachten feiern trotz Corona

    Aachener Dom

    Der Aachener Dom ist 1224 Jahr alt, steingewordene Geschichte, berühmter Wallfahrtsort. Gegründet von Karl dem Großen war sie Jahrhunderte lang die Krönungskirche deutscher Könige. Die festlichen Christmetten unter der gewaltigen Domkuppel sind etwas ganz Besonderes. Weil wegen Corona nur 120 Besucher gleichzeitig in diesen Genuss kommen dürfen, sind auch hier doppelt so viele Messen geplant.


  • Weihnachten feiern trotz Corona

    Hamburger “Michel”

    Die Sankt-Michaelis-Kirche, von den Hamburgern “Michel” genannt, gilt als schönste Barockkirche Norddeutschlands. An Heiligabend ist im Michel immer durchgehend Gottesdienst, tausende Kerzen brennen, es wird gemeinsam gesungen (Archivbild). Eine geliebte Tradition, die auch in diesem Jahr fortgesetzt wird – die Gottesdienste finden alternierend unter Corona-Regeln drinnen und draußen statt.


  • Weihnachten feiern trotz Corona

    Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Berlin

    Der alte Kirchturm erinnert an die Zerstörung im Zweiten Weltkrieg, der neue an den Kraftakt des Wiederaufbaus. Die Gedächtniskirche ist Wahrzeichen und Mahnmal – ein Ort, der unerschütterlich Trost und Zuversicht spendet. An Heiligabend finden wenige Messen mit Besuchern statt, die sich vorher angemeldet haben.


  • Weihnachten feiern trotz Corona

    Ulmer Münster

    Mit 161,53 Metern Höhe besitzt das Ulmer Münster den höchsten Kirchturm der Welt. Der Blick von der Aussichtsplattform reicht bei gutem Wetter bis zu den Alpen. Auch in Deutschlands größter evangelischer Kirche finden Weihnachtsgottesdienste statt, sie sind auf eine halbe Stunde begrenzt, für die Besucher besteht Reservierungspflicht und es gelten Hygiene- und Abstandsregeln.


  • Weihnachten feiern trotz Corona

    Hildesheimer Dom

    Gleich 40 Kirchen prägen das Stadtbild von Hildesheim in Niedersachsen. Der Dom St. Mariä Himmelfahrt ist 1200 Jahre alt und ein Schmuckstück romanischer Baukunst. Welch festlicher Rahmen für die Gottesdienste an den Weihnachtsfeiertagen. Jeweils 80 angemeldete Besucher dürfen an einem der elf Gottesdiensten dabei sein, die Christmette an Heiligabend gibt es als Live-Stream im Internet.


  • Weihnachten feiern trotz Corona

    Mariendom Erfurt

    Gotik im Doppel-Pack: Links der Mariendom, rechts die Severikirche. Für viele Erfurter ist der Domhügel der Ort, wo das Geheimnis von Weihnachten spürbar wird. Nämlich dann, wenn an Heiligabend um 23:30 im Mariendom das Weihnachtslob gefeiert wird, mit Weihnachtsliedern und dem Weihnachtsevangelium. Auch dieses Jahr wieder. Selbstverständlich mit Abstand und Hygienemaßnahmen.

    Autorin/Autor: Anne Termèche


Aber auch viele Schreiber melden zurück, wie gut ihnen “Post mit Herz” tut. Sich hinzusetzen, eine persönliche Nachricht zu schreiben in einer Zeit, in der alle weitestgehend zum nichts tun verdammt seien, tue gut.

Keiner verdient bei “Post mit Herz” Geld, die Arbeit daran geschieht nach dem regulären Job. “Die Nächte sind aktuell sehr kurz aber die Rückmeldungen zeigen uns, dass all die Mühe es Wert ist. So vielen Menschen ein bisschen Freude zu geben, motiviert unser Team jeden Tag von Neuem”, lacht Staschke.

Jede einzelne der über 36.000 Karten, die an Heiligabend überreicht werden wird, ist anders, individuell. “Ich werde selbst auch noch Karten schreiben”, sagt Staschke zum Abschied einige Tage vor Heiligabend. “Ich muss nur noch die Zeit finden, aber der Moment wird sehr besonders für mich.”

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Hohoho im Heiligen Land

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Der Weihnachtsmann von Jerusalem – Hohoho im Heiligen Land