Daniel Theis und die NBA in Coronazeiten

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Die vergangene Saison hat die NBA abgeschottet in einer “Blase” beendet. Daniel Theis hat sich dort sicher gefühlt. Und nun? Im DW-Interview spricht Theis über Corona, die Konkurrenz und einen Freund im falschen Trikot.

In Aktion: NBA-Profi Daniel Theis

DW: Daniel Theis, Sie haben die beste Saison ihrer Karriere hinter sich. Sie waren Stammspieler auf der Center-Position, haben Bestwerte in den Kategorien Punkte, Rebounds, Assists, Steals, Blocks, Trefferquote und gespielte Minuten erzielt. Und nun müssen Sie als Dank in der neuen Spielzeit wohl trotzdem wieder auf die Bank. Gibt es in der NBA keine Gerechtigkeit? 

Daniel Theis: Na ja, ich mache mir darüber jetzt erstmal keine Gedanken. Ich kann nur das machen, was ich vergangene Saison gemacht habe – dem Team helfen, zu gewinnen. Wir haben als Team eine gute Saison gespielt, ich habe persönlich sehr gut gespielt. Und wenn ich die Minuten spiele wie vergangene Saison, kann man fast sagen, dass es relativ ist, ob ich Starter bin oder nicht. Aber natürlich habe ich den Anspruch, nachdem ich das gesamte letzte Jahr gestartet bin, dass ich das beibehalten möchte. 

Tristan Thompson – “definitiv ein Ansporn”

Sehen Sie die Verpflichtung von Tristan Thompson auf ihrer Position als Ansporn oder als Zeichen der leisen Kritik seitens des Vereins? 

Es ist definitiv ein Ansporn. Er hat 2016 mit Cleveland die Meisterschaft gewonnen, ist einer der besten Rebounder der NBA. Für mich bedeutet seine Verpflichtung, dass ich mich nicht darauf ausruhen darf, dass ich vergangene Saison gestartet bin. Aber vor einem Jahr hieß es auch, dass unsere Center-Position die Schwachstelle ist und Neuzugang Enes Kanter starten würde. Aber letztlich habe ich mir dann die Rolle erkämpft. Insgesamt wird Tristan Thompson eine große Hilfe für unser Team sein. Er ist ein sehr physischer Spieler, sehr athletisch, der uns vor allem beim Rebound und in der Defensive helfen wird. 

Wie haben Sie die knapp zweimonatige Saisonpause verbracht? 

Die war schnell vorbei. Ich bin mit meiner Familie für zehn Tage nach Kalifornien geflogen, ein bisschen entspannen und Sonne tanken. Als ich zurückkam, hatte ich eine Knie-Operation und dann begann auch schon die Saisonvorbereitung. 

Regeln “schon sehr strikt”

Die vergangene NBA-Saison wurde in einer abgeschotteten “Blase” in Florida zu Ende gespielt – unter strikten Hygieneauflagen. Der Aufwand hatte sich gelohnt, es gab nicht einen positiven Corona-Test. In der neuen Saison gibt es keine “Bubble”, die 30 Mannschaften reisen kreuz und quer durch die USA, die ja ein globaler Corona-Hotspot sind. Wie fühlen Sie sich bei diesem Gedanken? 

Es wird definitiv anders. In der “Bubble” wusste man, dass alles sicher war. Dort war natürlich auch jeder Spieler und jedes Teammitglied leichter zu kontrollieren. Jetzt ist das Risiko größer dadurch, dass alle nach dem Training und nach den Spielen nach Hause gehen und keiner weiß, was die Leute da so machen. Aber insgesamt sind die Regeln, die wir in der Trainingshalle, bei Spielen oder bei Reisen einhalten sollen, schon sehr strikt. Im Flieger müssen wir, genauso wie die Flugbegleitung, die ganze Zeit Masken tragen. Alle die, die fliegen, sind vorher getestet worden. Bei unserem Vorbereitungsspiel in Philadelphia mussten wir im Hotel den Lastenaufzug nehmen, damit wir in den öffentlichen Fahrstühlen gar nicht erst mit anderen in Kontakt kommen. Die gesamte Hotel-Etage haben wir nur für uns. Da kommt niemand aus der Öffentlichkeit mit uns in Berührung. Also: Es ist auf jeden Fall ein Risiko. Aber es sind Regeln aufgestellt und Schritte bedacht worden, so dass wir dort sicher sind, solange wir uns an die Vorgaben halten und dort bleiben, wo wir sein sollen. 

Was sagt Ihre Ehefrau dazu, dass Sie jetzt, quasi wie vor Corona, durch die USA fliegen werden? 

Dadurch, dass ich jeden Tag getestet werde, braucht sie sich keine Sorgen zu machen, dass ich etwas mit nach Hause bringen sollte. Deshalb ist es, glaube ich, von der Seite her ganz sicher. Und Familien können oder sollten sich bei uns im Verein ohnehin zweimal die Woche testen lassen, damit jeder auf der sicheren Seite ist. 

Gab es von der Liga oder vom Verein besondere Informationen, was zu vermeiden ist, um sich möglichst vor Covid-19 zu schützen? 

Wir hatten mit der NBA und mit unseren Vereinsärzten verbindliche Meetings, in denen das 134 Seiten umfassende Sicherheits-Protokoll kürzer gefasst wurde. Der wichtigste Punkt war, dass wir unser Haus nur verlassen sollen, wenn es wirklich notwendig ist. Also wenn man Kinder in die Schule bringt, zum Arzt geht oder zum Training. Öffentliche Plätze wie Restaurants oder Shopping Malls sollen vermieden werden. Zum Glück kann man hier alles Online bestellen. Diesbezüglich muss da niemand unnötig das Haus verlassen. 

“Vielleicht hilft es den Menschen … “

Die Corona-Zahlen sind derzeit in den USA extrem hoch. Vor wenigen Tagen gab es fast 250.000 Neu-Infektionen und mehr als 3000 Tote am Tag. Brauchen die Menschen da überhaupt die neue NBA-Saison?

Vielleicht hilft es den Menschen, etwas mehr zu Hause zu sein, wenn jeden Tag die NBA-Spiele im TV zu sehen sind. Und womöglich hilft es auch, wenn die Leute erfahren, was wir alles machen und worauf wir alles verzichten müssen. Das gilt gerade für diejenigen, die denken, dass wir als NBA-Profis besondere Regeln hätten und machen könnten, was wir wollten, da wir täglich getestet würden. Dabei müssen wir uns an noch striktere Auflagen halten. In der Halle dürfen wir die Maske nur auf dem Spielfeld abnehmen. Wir machen Krafttraining mit Masken. Wenn wir Behandlungen bekommen, tragen wir Masken – bei Meetings ebenso. Und vielleicht hilft all dies, dass die Menschen hier in den USA das Thema ein bisschen erster nehmen. Denn die Zahlen gehen kontinuierlich nach oben, weil Leute einfach rücksichtslos sind, denken, dass ihnen schon nichts passieren werde. 

Hofft auf viel Zeit auf dem Feld: Daniel Theis (Archivbild)

In der “Bubble” in Florida mussten Sie in kleinen Hallen ohne Zuschauer spielen. Nun haben Sie im Testspiel gegen die Brooklyn Nets bereits einen Vorgeschmack darauf bekommen, wie es ist, in einer riesigen, leeren Arena zu spielen. Wie war das? 

Definitv komisch. Die Hallen in Orlando waren klein und so gebaut, dass man das nicht ganz so wahrgenommen hat. Aber unser TD Garden ist, wie alle anderen NBA-Hallen, einfach riesig. Und wenn da einfach Flaggen oder Banner über die Sitze gezogen werden, hilft das auch nicht wirklich viel, weil die Halle einfach so groß ist. Wer schon mal in unserer Arena ein Spiel gesehen hat, weiß, was es bedeutet, wenn dort Fans sind, was für eine Stimmung dann dort ist. Jetzt kommst du da rein und siehst niemanden. Es werden zwar Sound-Effekte über die Lautsprecher eingespielt, aber als Spieler denkst du dir nur, “ja, ist zwar alles schön und gut”. Aber du willst einfach das echte Feeling vom Garden haben. 

Machen leere Hallen Heimspiele schwerer und Auswärtsspiele leichter?

Ich glaube, dass jede Halle fast wie ein neutrales Feld ist. Dass es weniger Heimvorteil gibt. Klar ist es von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlich, wie die Gesetze sind und wer wo Fans reinlässt. Aber bis die Hallen so voll sein können, dass es einen großen Vorteil gibt – also ich weiß nicht, ob das diese Saison noch passiert. Vielleicht in den Playoffs. 

Ziel immer die Meisterschaft

Wie lautet das Saisonziel in Boston? 

Wenn man für die Celtics spielt, ist das Ziel immer die Meisterschaft. Das kannst du im Fußball mit Bayern München vergleichen – oder mit Dortmund. 

Wer ist Favorit? 

Schwer zu sagen. Die Los Angeles Lakers sind amtierender Champion, haben noch einige Spieler dazugeholt (unter anderem Dennis Schröder/Anm. d. Red.), den Kader verstärkt. Bei den Brooklyn Nets sind Kevin Durant und Kyrie Irving nach überstandenen Verletzungen zurück und fit. Milwaukee hat auch einige Neue hinzubekommen. Wird auf jeden Fall interessant. 

Der Kumpel in L.A.

Ihr Kumpel Dennis Schröder, mit dem Sie einst in Braunschweig zusammengespielt haben, ist nun beim Celtics-Erzrivalen, den L.A. Lakers. Dürfen Sie mit ihm noch Kontakt haben? 

(lacht) Ja, natürlich. Klar muss man da mit den Celtics-Fans ein bisschen vorsichtiger sein. Aber ich freue mich für Dennis. Ich glaube, die wollten ihn unbedingt haben und er wird da auch gut reinpassen – vor allem mit Anthony Davis im pick and roll (ein Spielzug, bei dem der größere Spieler, in diesem Fall Davis, sich dem Gegner in den Weg stellt, so dass der eigene Mitspieler – Schröder – zum Korb ziehen kann/Anmerkung. d. Red.). Es wird sehr, sehr schwer sein, das zu verteidigen. Ich kann Dennis nur die Daumen drücken, dass er seine Rolle schnell findet und viel auf dem Feld ist. Aber ich würde jetzt nicht sagen, dass ich ihm die Daumen drücke, so dass er die Meisterschaft gewinnt – aber dass er zumindest in die Finals kommt. Und dann kann er gegen uns verlieren.

Zwei Freunde aus Niedersachsen, die sich einst bei den Junioren in Braunschweig kennengelernt, später dort die ersten Schritte im Männer-Basketball gemacht haben und jetzt bei den beiden NBA-Rekordmeistern spielen – klingt das nach Hollywood oder fast schon zu kitschig? 

Hollywood vielleicht nicht. Aber es ist auf jeden Fall eine Story wert. Wir kommen beide aus einer kleinen Region, haben klein angefangen und spielen jetzt bei den beiden größten Teams um die Meisterschaft. Das ist für jeden Basketballer ein Traum.