Kongo: Virtueller Gipfel gegen reale Probleme

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Die Staatschefs des Kongo und seiner Nachbarländer treffen sich heute zu einer Videokonferenz. Vor allem die Sicherheitslage steht im Mittelpunkt. Viele Bewohner im krisengeschüttelten Ostkongo sind skeptisch.

Kongos Präsident Félix Tshisekedi bei der Videokonferenz

Wenn Kongos Präsident Félix Tshisekedi sich auf den Weg in den umkämpften Osten seins Landes macht – mehr als 2000 Kilometer von der Hauptstadt Kinshasa entfernt – bleibt der Spott nicht aus. Der kam diesmal etwa von Fred Bauma, einem Aktivisten aus der Zivilgesellschaft. “Kurz gesagt, der Präsident kommt nach Goma, um einen Aufruf per Video zu verbreiten?”, fragte er ironisch auf Twitter.

Hintergrund des Tweets:  Ein mehrfach verschobenes Treffen Tshisekedis mit den Staatschefs der Nachbarländern Uganda, Ruanda und Angola. Es fand am Mittwoch (07.10.) anders als ursprünglich vorgesehen per Videokonferenz statt. Der offizielle Grund:  Sicherheitsbedenken der Teilnehmer und die latente Gefahr durch das Corona-Virus.

Nur ein “Fantasiespiel”?

Zu besprechen hatten die Staatschefs einigies: Es ging um das wirtschaftliche Zusammenwachsen der Region, um den Umgang mit der Pandemie – und nicht zuletzt um die Kämpfe in Kongos Ostprovinzen und die regelmäßigen Massaker an der Zivilbevölkerung in der Region Beni im Nordkivu.

Wegen der Corona-Pandemie waren die Staatschefs nur virtuell dabei

“Wir sind Fantasiespiele gewöhnt und all diese Verhandlungen, die nichts bringen. Wir fordern, das ‘vor dem Gipfel’ nicht gleich ‘nach dem Gipfel’ sein wird”, sagte Vascos Saasita, Einwohner von Goma, schon vor Beginn des Treffens der DW. Am Montag, als sich der Präsident von Tausenden Anhängern bejubeln ließ, töteten Angreifer elf Menschen im Dorf Mamove, rund 40 Kilometer außerhalb von Beni. Die Identität der Täter war zunächst unklar, die Rede war aber von Milizen der ADF – jener Rebellen also, die sich einst aus Uganda in den Kongo verlegten und denen die kongolesische Armee – gemeinsam mit der UN-Friedensmission MONUSCO – eigentlich seit 2013 den Kampf angesagt hat. Doch auch nach Beginn der jüngsten Militäroffensive im Oktober 2019 verzeichnete der Bezirk Beni laut lokalen Schätzungen fast 1000 Tote.

Umso dringender forderten die Menschen in der Region, Kabila solle sich auch auf den Weg nach Beni und in die angrenzenden Gebiete der Provinz Ituri machen. “Wir hoffen, dass es eine Lösung gibt und dass die Beschwerden der Bevölkerung erhört werden”, sagte Philemon Kitenge in Beni. “Er ist der oberste Befehlshaber, und er hat das letzte Wort: Er kann den Soldaten sagen: Macht euch auf den Weg und kämpft gegen den Feind, die ADF und die verschiedenen bewaffneten Gruppen.”

Angespannte Beziehungen zu den Nachbarstaaten

Doch die Gespräche mit Vertretern der Zivilgesellschaft führte Tshisekedi am Dienstag aus sichererer Entfernung in Goma. Unterdessen flammten in Mugunga, einem Außenbezirk der Stadt, neue Proteste auf – nach der Verschleppung einer Frau ist die Bevölkerung in Aufruhr, die Appelle des Bürgermeisters dazu: Man solle “niemand töten oder entführen, solange der Präsident in der Stadt ist.”

Kongos Armee kämpft schon seit Jahren gegen die ADF-Miliz

Am Nachmittag endete der Gipfel der Staatschefs dann mit einer knappen gemeinsamen Erklärung. Darin bekräftigten die vier Staatschefs ihre Absicht, gemeinsam gegen die “negativen Kräfte und die bewaffneten Gruppen” in der Region vorzugehen. Man werde alles dafür tun, die “vorhandenen Mechanismen” zu stärken, um deren Finanzierung zu stoppen und den illegalen Handel lahmzulegen. Ob darauf Taten folgen, bleibt abzuwarten.

Die Beziehungen zwischen den Nachbarstaaten ist angespannt wie eh und je. Burundi hatte sich zuvor aus der Runde abgemeldet und forderte, zunächst bilaterale Gespräche mit Kongo zu führen. Das sei symptomatisch für die schwache Machtbasis des Präsidenten, sagt Gesine Ames vom Ökumenischen Netz Zentralafrika zur DW: “Tshisekedi ist ein Präsident ohne ausreichende Macht. Er besitzt keinen ausreichenden Einfluss auf die Schlüsselorganisationen Parlament, Militär und Justiz. Um von dieser Schwäche abzulenken, sucht er vermehrt Allianzen, vor allem in den Nachbarstaaten des Kongo.” Doch gerade diese politische Schwäche führe dazu, dass die bewaffneten Konflikte neu aufbrächen.

So bleibt Tshisekedi, der 2019 als Hoffnungsträger im Präsidenten-Amt gestartet war, in seinem zweiten Regierungsjahr vor allem eines: Die Rückbesinnung auf andere Länder außerhalb der Region. Dort immerhin gibt es einen Hoffnungsschimmer: Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen kündigte heute an, den Kongo weiter zu unterstützen.