Warum Afrika ein neues Finanzsystem braucht

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Wegen der Corona-Pandemie hoffen einige afrikanische Länder auf einen erneuten Schuldenerlass. Doch vielleicht müssen sie erst ein afrikanische Finanzsystem aufbauen, um ihre Lage grundsätzlich zu verbessern.

Finanzminister in afrikanischen Ländern werden aufmerksam verfolgen, was gerade in Sambia passiert. Ende September gab das südafrikanische Land bekannt, es wolle mit seinen Gläubigern über einen zeitweisen Aufschub bei der Bedienung seiner Schulden sprechen. Die Halter von auf Euro lautenden Anleihen wurden gebeten, bis zum 20. Oktober mitzuteilen, was sie von der Idee halten.

Nur drei Tage nach der Ankündigung erhielt Sambia die Quittung: S&P Global Ratings, die größte der internationalen Ratingagenturen, stufte die Bonität des Landes herunter. “Die Anfrage zeigt unserer Meinung nach, dass Sambia derzeit deutliche Schwierigkeiten hat, seinen Verpflichtungen gegenüber privaten Gläubigern nachzukommen und dabei bald in Verzug geraten könnte”, teilte die Agentur mit. “Wir senken unser langfristiges Rating daher auf CCC- von zuvor CCC. Der Ausblick ist negativ.”

Nationalflagge Sambias: Fast die Hälfte der Einnahmen des Landes geht in den Schuldendienst

Sambias Versuch, sich durch ein Schuldenmoratorium etwas Luft für die schwierige Corona-Zeit zu verschaffen, führte also zum genauen Gegenteil: einem weiteren Schrumpfen des finanziellen Spielraums. Denn je geringer das Rating, desto teurer werden weitere Kredite.

Von Schulden erdrückt

Zwar gebe es keine pauschale Herabstufung, wenn über einen Aufschub gesprochen wird, sagt Roberto Sifon-Arevalo, Direktor für Staatsanleihen und öffentliche Finanzen bei S&P in New York. Die Analysten prüften jeden Einzelfall genau. Doch die Kernfrage sei immer: Wie steht es um die Fähigkeit eines Landes, seine Schulden bei privaten Gläubigern zurückzuzahlen?

Sambias Bonität war schon vor der Herabstufung gering, weil die hohen Zinszahlungen zur Bedienung der Schulden dem Land die Luft abschnüren. “Von jedem Dollar, den das Land einnimmt, muss es 46 Cents nur für Zinszahlungen ausgeben”, sagt Sifon-Arevalo im DW-Gespräch. “Das ist schon in normalen Zeiten enorm schwierig – und in der jetzigen Situation umso mehr.”

Die jetzige Situation – das ist die Rezession durch die Corona-Pandemie. Die trifft afrikanische Länder härter als andere. Ihnen fehlen die Mittel, den Schock durch milliardenschwere Hilfspakete abzufedern. Gleichzeitig bricht die weltweite Nachfrage nach ihren Rohstoffe ein. Und auch die sogenannten Remittances, also das Geld, das im Ausland lebende Afrikaner nach Hause schicken, werden weniger.

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Wohnungsnot in Südafrika

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Wohnungslos in Südafrika wegen Corona

Die reichen Staaten der G20 haben den Ländern südlich der Sahara daher angeboten, die Bedienung ihrer Schulden für eine Weile auszusetzen oder zu reduzieren. Doch Kenia und andere Länder haben Angst, es könne ihnen genauso ergehen wie Sambia und ihr Rating verderben.

Und so scheint es, als stehe der Kontinent trotz einiger Entschuldungsinitiativen – seit den 1990er Jahren durch die Weltbank und seit 2005 durch den Industrieländerclub G8 – wieder dort, wo er schon früher Stand: kurz vor der Pleite.

Eigenverantwortung und die Last der Vergangenheit

“Schuldenerlasse werden immer verpuffen, wenn es nicht auch langfristige Reformen gibt – bei der Regierungsführung, der Korruptionsbekämpfung, der Transparenz und den allgemeinen politischen Rahmenbedingungen”, sagt Matthias Adler, Afrika-Experte bei der deutschen KfW Entwicklungsbank. Auch wenn Unterstützung in Pandemiezeiten sinnvoll sei: “Im Zentrum der Lösung stehen immer die Länder selber.”

Die Ursachen für die Verschuldung sind allerdings älter als angenommen und reichten weiter zurück als die Unabhängigkeit von den Kolonialmächten, sagt Toby Green, Dozent für afrikanische Geschichte am King’s College London.

“Seit fünf Jahrhunderten ist Afrika beim Zugang zu Kapital benachteiligt”, so Green zur DW. “Denn im Gegensatz zu westlichen Ländern kam das Geld für Kredite immer von außen.”

Und den Kreditgebern sei es dabei nie um die wirtschaftliche Entwicklung vor Ort gegangen, sondern immer nur um einen möglichst günstigen Zugang zu afrikanischen Rohstoffen – mit den bekannten Folgen.

“Ghana, eines der wohlhabenderen Ländern in Westafrika, gibt heute fünf Mal mehr Geld für die Bedienung seiner Schulden aus, als für sein Gesundheitssystem”, sagt Green. “Wäre das Land bei pan-afrikanischen Institutionen verschuldet, dann hätte es sicher auch bessere Konditionen, und es könnte seine Kredite bedienen, ohne soziale Ziele zu vernachlässigen.”

Vorschläge für ein besseres Finanzsystem

Neben einem Schuldenerlass schlägt Green daher den Aufbau eines eigenen Finanzsystems vor – mit Hilfe der afrikanischen Diaspora und vor allem pan-afrikanischen Finanzinstituten. Als Beispiel nennt er die Ecobank, die 1985 mit Mitteln der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas in Togo gegründet wurde und heute in 36 Ländern südlich der Sahara aktiv ist.

“Im Jahr 2016, das sind die aktuellsten verfügbaren Zahlen, kamen mehr als die Hälfte aller privaten Investitionen in Afrika von Angehörigen aus dem Ausland, die Geld nach Hause schickten”, so Green. Wenn die afrikanische Diaspora ihr Geld bei afrikanischen Instituten anlegte, würde der gesamte Kontinent an finanzieller Freiheit gewinnen.

“Das Kapital für mögliche Kredite würde sich gewaltig vergrößern. Und das könnte auch Regierungen weniger abhängig machen von fremden Kapitalmärkten und Ratingagenturen”, sagt Green, der seine Vorschläge gemeinsam mit Carlos Cardoso entwickelt hat, dem Direktor des Centro de Estudos Sociais Amílcar Cabral in Guinea-Bissau.

Filiale der Ecobank in Maputo, Mosambik. Die Bank ist in 36 Ländern Afrikas präsent

Auch afrikanische Unternehmen würden von einer besseren Kreditversorgung profitieren, denn bisher finden sie für Investitionen oft keine Geldgeber. Das bestehende Finanzsystem passe schlicht nicht zu den Bedürfnissen, so das Argument von Green und Cardoso. Deshalb gibt es weniger Wachstum, weniger Arbeitsplätze und weniger Steuereinnahmen als eigentlich möglich wären.

“… ziemlich pervers”

Investitionen in die Infrastruktur zu finanzieren ist besonders problematisch. Bilaterale Geldgeber verfolgen meist eigene Interessen, etwa die früheren Kolonialmächte oder heute China.

Privaten Anlegern ist dagegen oft das Risiko zu hoch. “Wenn es schon eine Straße gibt, ist jeder gerne dabei”, sagt Sifon-Arevalo von S&P Global Ratings. “Aber wenn es noch keine gibt, will sich kaum jemand am Bau einer Straße beteiligen. Alle denken sich: Es muss ja einen Grund geben, warum es hier keine Straße gibt.”

Hier seien dann eigentlich die Regierungen gefragt, die südlich der Sahara aber oft nicht genügend Geld haben. “Dann entsteht ein Teufelskreis, der es unmöglich macht, selbst eine Lösung für die Situation zu entwickeln. In mancher Hinsicht ist das ziemlich pervers.”

Ob “afrikanisches” Kapital letztlich risikofreudiger und weniger renditehungrig wäre als das klassischer Investoren, muss sich erst noch erweisen. Wahrscheinlich ist zumindest, dass afrikanischen Anlegern die Entwicklung des Kontinents nicht völlig gleichgültig wäre.

Toby Green und Carlos Cardoso sind überzeugt, dass es einen Versuch wert ist. Schlechter als bisher könne es nämlich kaum laufen.


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