Nobelpreiswoche – werden 2020 mehr Frauen ausgezeichnet?

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Angesichts der Diskussionen über Geschlechtergerechtigkeit und Diversität sind auch die Erwartungen an die Nobel-Stiftung groß. Bislang wurden meist “alte, weiße Männer” ausgezeichnet. Wird sich das 2020 ändern?

Die Nobelpreise stehen für vieles, sicherlich aber nicht für Diversität und Geschlechtergerechtigkeit. Seit 1901 wurden neben 25 Organisationen insgesamt 923 unterschiedliche Wissenschaftler, Schriftsteller und “Friedensstifter” mit Nobelpreisen geehrt. Nicht nur in den naturwissenschaftlichen Bereichen ist der typische Nobelpreisträger männlich, alt und weiß.

Fast alle Auszeichnungen gingen nach Europa oder in die USA, Japan erhielt lediglich 28, Australien 14, Indien 12, Südafrika 11 und China musste sich mit 8 Auszeichnungen zufriedengeben. Die wissenschaftlichen Bereiche machen da keine Ausnahme. 

Große Unterschiede vor allem bei wissenschaftlichen Preisen

Am auffälligsten ist der Geschlechterunterschied bei den wissenschaftlichen Preisen, was gewöhnlich – von alten, weißen Männern –  damit begründet wird, dass die Wissenschaft nun einmal traditionell männerdominiert war und oftmals wissenschaftliche Entdeckungen ausgezeichnet werden, die bereits vor vielen Jahren gemacht wurden.

Unter all den Ausgezeichneten sind 54 Frauen, das sind nicht mal sechs Prozent. Davon hat Marie Curie den Preis gleich zweimal bekommen, 1903 für Physik und acht Jahre später für Chemie. Insgesamt gingen 12 Medizin-Nobelpreise an Frauen, 5 im Bereich Chemie und 3 im Bereich Physik.

Dagegen gab es “immerhin” 17 Friedens- und 15 Literaturnobelpreisträgerinnen, letztes Jahr erhielt zum Beispiel diepolnische Schriftstellerin Olga Tokarczuk den Literaturnobelpreis.

Außerdem erhielt letztes Jahr die französisch-amerikanische Ökonomin Esther Duflo den Wirtschafts-Nobelpreis – also gab es 2019 zwei Frauen unter den 15 Preisträgern.

Umstrittene Preisträger

Der Nobelpreis gilt bis heute als die höchste Auszeichnung in den berücksichtigten Disziplinen – auch wenn es vor allem in den letzten Jahren viele umstrittene Entscheidungen und Skandale gab. Gestiftet wurde der Preis von Alfred Nobel, der mit Sprengstoffen ein Vermögen verdient hatte.

Besonders umstritten waren die Friedensnobelpreise für Barack Obama nach gerade mal neun Monaten im Amt, für Palästinenserführer Arafat oder für das “Friedensprojekt” Europäische Union. Mahatma Gandhi, die Symbolfigur für den gewaltlosen Kampf gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung, wurde dagegen trotz zahlreicher Nominierungen nie ausgezeichnet.

Umstritten waren auch die Literaturpreise für den Finnen Eemil Sillanpää, den kaum jemand kennt und liest, für Harry Edmund Martinson, der sich als Akademie-Mitglied quasi selber auszeichnete und kurz nach der Preisverleihung Selbstmord beging. Oder der letztjährige Preis für den österreichischen Preisträger Peter Handke, der nach Ansicht von Kritikern die von Serben begangenen Kriegsverbrechen im Jugoslawienkrieg bagatellisiert oder geleugnet hatte.

Peter Handke, der österreichische Literaturnobelpreisträger von 2019, ist besonders umstritten

In den naturwissenschaftlichen Bereichen sind wenige Preisträger umstritten, sicherlich auch weil die Materie oftmals sehr komplex ist. Allerdings erhielt der dänische Pathologe Johannes Grib Fibiger 1926 den Medizin-Nobelpreis für die Entdeckung, dass ein kleiner Fadenwurm Magenkrebs auslöse, was sich später als Irrtum herausstellte.

Der Kanadier John Macleod erhielt 1923 den angesehenen Preis, obwohl er gerade im Urlaub war, als Angestellte seines Instituts Insulin entdeckten. Und 2002 erhielt der Japaner Koichi Tanaka den Chemie-Nobelpreis für die Entwicklung eines Laserverfahrens, das nur er selbst benutzt.

2020 mehr Nobelpreise an Frauen?

Vor allem in den wissenschaftlichen Disziplinen standen oftmals Frauen im Schatten der männlichen Konkurrenten. Auch Forscherinnen, die maßgeblich an den mit Nobelpreisen ausgezeichneten Forschungen mitgearbeitet hatten, blieben ohne Würdigung.

Dazu gehören sicherlich Lise Meitner (Entdeckerin der Energiefreisetzung bei der Kernspaltung), Jocelyn Bell Burnell (Entdeckerin der schnell rotierenden Neutronensterne – Pulsare) oder die US- Astronomin Vera Rubin, die bereits in den 1970er-Jahren den ersten überzeugenden Beleg für die Existenz dunkler Materie fand. Ausgezeichnet wurden für das Thema stattdessen im letzten Jahr drei männlich Astro-Physiker.

Die Nobelpreisverleihungen in Stockholm sind fest in männlicher Hand

Spitzenforscherinnen statt Quotenfrauen

In Zeiten, in denen viel über Geschlechtergerechtigkeit und Diversität diskutiert wird, sind die Erwartungen gegenüber der Nobel-Stiftung in diesem Jahr besonders groß.

Strukturell hat sich auch in den Naturwissenschaften in den letzten Jahrzehnten einiges verändert, und es gibt inzwischen zahlreiche Kandidatinnen, die eine solche Auszeichnung mehr als verdient hätten. Schon seit 2012 gilt etwa die Genschere Crispr-CAS9 von deren Erfinderinnen Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna als aussichtsreiche Kandidatinnen.


  • Inspirierende Forscherinnen

    Computer-Visionärin

    Ada Lovelace wurde 1815 als Tochter des Romantikers Lord Byron geboren. Als begabte Mathematikerin schrieb sie schon Mitte des 19. Jahrhunderts eine Art frühes Computerprogramm. Sie gilt als die erste, die erkannt hatte, dass mechanische Vorläufer der Computer nicht nur für Zahlen verwendet werden können. Lovelace arbeitete am Entwurf der Rechenmaschine “Analytical Engine” von Charles Babbage.


  • Inspirierende Forscherinnen

    Wissenschafts-Gigant in zwei Forschungsfeldern

    In Warschau 1867 geboren, emigrierte Marie Curie zum Studium nach Paris und arbeitete dort an der Erforschung der Radioaktivität. Sie war die erste Frau, die einen Nobelpreis gewonnen hat. Und nicht nur das: Sie bekam sogar zwei: 1903 in Physik – gemeinsam mit ihrem Ehemann Pierre und dem Physiker Henri Becquerel – und 1911 in Chemie für die Entdeckung von Radium und Polonium.


  • Inspirierende Forscherinnen

    Die Doppelhelix aufgedröselt

    Rosalind Franklin gehört zu denen, die zwar einen Nobelpreis verdient hätten, ihn aber nie bekamen. Die Biophysikerin erarbeitete die Grundlagen, die es James Watson und Francis Crick ermöglichten, die Struktur der DNA-Doppelhelix zu entdecken. Die Männer bekamen dafür den Medizin-Nobelpreis, Franklin ging leer aus. Sie erlebte die Preisverleihung nicht mehr. Kurz zuvor verstarb sie an Krebs.


  • Inspirierende Forscherinnen

    Vitamine und Insulin entschlüsselt

    Die britische Biochemikerin Dorothy Hodgkin war Zeitgenossin von Rosalind Franklin. Die beiden tauschten ihre Erfahrungen aus. Hodgkin analysierte die Struktur des Vitamins B12 und bekam dafür 1964, als dritte Frau überhaupt, den Chemie-Nobelpreis. Fünf Jahre später entschlüsselte Hodgkin die Struktur des Insulin.


  • Inspirierende Forscherinnen

    Ein zellulärer Jungbrunnen

    Elizabeth Blackburn bekam 2009 den Medizin-Nobelpreis für ihre Arbeit an Telomeren, den schützenden Kappen an den Enden der Chromosomen. Die Molekularbiologin war an der Entdeckung des Enzyms Telomerase beteiligt, das für einen ausreichenden Nachschub an Telomeren sorgt. Blackburns Entdeckungen sind entscheidend für das Verständnis des Alterns und der Entstehung von Krebs.


  • Inspirierende Forscherinnen

    Wie leben die Schimpansen?

    Die britische Verhaltensforscherin Jane Goodall verbrachte Jahrzehnte mit Schimpansen und studierte deren Sozial- und Familienverhalten im Gombe-Stream Nationalpark in Tansania. Einige Forscherkollegen kritisierten, sie vermenschliche die Tiere. Goodall hielt dagegen und setzte sich verstärkt für Primatenrechte ein – ähnlich der Menschenrechte.


  • Inspirierende Forscherinnen

    Die Frau der starken Nervenzellen

    Rita Levi-Montalcini wurde 1909 in Italien geboren. Als Jüdin musste sie unter Mussolini ihre Forschungen einstellen. Sie machte trotzdem weiter und richtete in ihrem Schlafzimmer ein Labor ein, wo sie mit Nervenfasern von Hühnerembryos arbeitete. Nach dem Krieg erforschte sie die Nachrichtenübertragung in Zellen. 1986 erhielt sie den Nobelpreis für Medizin.


  • Inspirierende Forscherinnen

    Neutronensterne und kleine grüne Männchen

    1967 entdeckte die nordirische Physikerin Jocelyn Bell Burnell mit einem Radioteleskop Signale aus den Tiefen des Alls. Zunächst scherzhaft als Ruf “kleiner grüner Männchen” belächelt, wurde recht schnell klar, dass Burnell Pulsare – schnell drehende Neutronenstern – nachgewiesen hatte. 1974 erhielt ihr Doktorvater Antony Hewish mit Martin Ryle den Nobelpreis dafür, sie aber nicht.

    Autorin/Autor: Richard Connor (fs)