Stuhltransplantation – Wichtig ist, was hinten rauskommt

0
374

Über unseren Darm sprechen wir nicht so gerne. Aber er ist eines unserer wichtigsten Organe. Funktioniert er nicht, kommt es zu ernsthaften Problemen. Manchmal kann eine Stuhltransplantation helfen.

Wie ist eigentlich die korrekte, die medizinische Ausdrucksweise, wenn man über Ausscheidungen beim Menschen spricht? Exkrement? Kot? oder Fäzes? Die gängige Bezeichnung sei Stuhl, klärt Maria Vehreschild auf. Sie ist Leiterin der Infektiologie am Universitätsklinikum Frankfurt.

Sie weiß, dass kaum jemand gerne über Stuhl im Allgemeinen und seinen eigenen im Speziellen spricht. Und gar darüber nachzudenken, wie es wäre, wenn der Stuhl eines anderen Menschen in den eigenen Körper transplantiert würde, ist für die meisten wohl eine ziemlich abstoßende, eklige Vorstellung.

Patienten, denen eine Stuhltransplantation bevorstehe, störe das kaum, sagt Vehreschild. Für sie könne es schließlich bedeuten, dass sich ihr Gesundheitszustand verbessere. “Die psychologischen Probleme bei den Empfängern entstehen vor allem dadurch, dass Darmerkrankungen meist rezidivierend sind. Das heißt, sie kommen immer wieder. Das belastet die Patienten viel mehr als alles andere”, erläutert Vehreschild. Außer ihrer Arbeit an der Uni Frankfurt leitet sie auch die AG Medizinische Mikrobiomforschung an der Uniklinik Köln. Sie gilt als Expertin auf dem Gebiet der Stuhltransplantation, die auch als Fäkale Mikrobiota-Transplantation (FMT) bezeichnet wird.

In unserem Darm gibt es Billionen von Bakterien

Stiefmütterliche Behandlung

Unser Mikrobiom ist eine Art Fingerabdruck, denn es ist für jeden Menschen einzigartig. In unserem Darm leben Billionen Bakterien und andere Mikroorganismen. “Das Mikrobiom beschreibt die Gene aller Mikro-Organismen, die uns besiedeln”, erklärt Vehreschild.

“Die Organismen selbst würde man als Mikrobiota beschreiben. Sie spielen eine sehr wichtige Rolle in der Regulation unserer Körperfunktionen. Es gibt kaum ein Organ, das über die Zusammensetzung des Mikrobioms nicht in seinen Funktionen beeinflusst wird.” Deshalb habe die Wissenschaft in den letzten Jahren auch sehr viele Begriffe etabliert, die sogenannte Mikrobiom-Organ-Achsen beschreiben. “Es gibt zum Beispiel die Darm-Hirn-Achse oder die Darm-Leber-Achse oder die Darm-Nieren-Achse. Sie zeigen, dass es zwischen der Mikrobiota und verschiedenen Organen Interaktionen gibt”, so die Wissenschaftlerin.

Wie gelangt der Stuhl des Spenders in den Empfänger?

Vor der Übertragung vom Stuhl des Spenders auf den Empfänger müssen beide etliche Tests und Befragungen durchlaufen. „Die sind noch ausführlicher als bei einer Blutspende. Wir müssen schließlich im Blut nach Hinweisen auf mögliche Infektionen suchen und auch im Stuhl”, erklärt Vehreschild.

Es gibt unterschiedliche Methoden, um anschließend den Stuhl und damit die Bakterien zu übertragen. Zunächst muss die Stuhlspende aufbereitet werden. “Der Spender kommt zu uns ins Labor und spendet seinen Stuhl. Die Spende wird gefiltert und zentrifugiert, um die darin enthaltenen Bakterien zu gewinnen. Diese pipettieren wir dann in Kapseln, die der Patient schluckt”, beschreibt Vehreschild den Ablauf.

Etwa 50 Prozent des menschlichen Stuhls bestehen aus Bakterien

Kapseln sind aber nicht die einzige Möglichkeit. Im Rahmen einer Koloskopie, also einer Darmspiegelung, kann eine Übertragung durchgeführt werden. Und auch über Einläufe direkt in den Darm können die hilfreichen Bakterien den Träger wechseln. Dort müssen sie sich dann ansiedeln, um dem fremden Darm dabei zu helfen, sich zu regenerieren und seine Funktionen zu erfüllen. 

Wichtige Voraussetzungen für eine Transplantation

Nicht jeder, der Probleme mit Magen und Darm hat, kann eine Stuhltransplantation erhalten. Bislang kommen als Empfänger nur Menschen mit einer sogenannten Clostridium difficile Infektion infrage. Dieses Bakterium kann schwere Darmentzündungen mit blutigen Durchfällen verursachen. Auslöser dafür ist oft die wiederholte Gabe von Antibiotika, denn solche Therapien bergen immer die Gefahr, dass sie die Darmflora schädigen und dass sich krankhafte Keime breit machen können. Die guten Darmbakterien sterben ab, und das Bakterium Clostridium difficile kann sich im Darm ausbreiten.

Für manche Menschen wird der Gang zur Toilette zur Qual

Hat keine der gängigen Therapien angeschlagen, können Mediziner versuchen, dem Patienten mit einer Stuhltransplantation zu helfen. Die Erfolgsquote liege durchschnittlich bei 75 Prozent nach einer einzigen Therapie, beschreibt Vehreschild ihre Erfahrungen. Dennoch steht diese Methode erst am Anfang, über Risiken ist bislang wenig bekannt.

Das Team um Vehreschild konzentriert sich momentan darauf, den Mikrobiota-Transfer technisch zu optimieren und den Stuhl des Spenders für die Transplantation bestmöglich aufzubereiten.

Stuhltransplantation in der Forschung

Ob sich die Methode auch auf andere Darmerkrankungen anwenden lässt, ist noch nicht ausreichend erforscht. An Patienten mit Colitis ulcerosa beispielsweise haben Mediziner die Methode der Stuhltransplantation zwar bereits erfolgreich durchgeführt, allerdings nur an einer äußerst geringen Zahl von Patienten. Das gilt auch für das Reizdarmsyndrom. Bei all diesen Erkrankungen gibt es ein Ungleichgewicht in der Darmflora. Könnten Wissenschaftler derartige Fälle in Zukunft mit einer Stuhltransplantation behandeln, wäre das für viele Patienten ein Segen, auch für solche, die etwa unter Morbus Crohn leiden.

Noch nicht zugelassen

Unser Verdauungssystem ist ein Wunderwerk

Auch wenn die FMT durchaus erfolgreich zu sein scheint, läuft die Methode noch unter der Bezeichnung ‘individueller Heilungsversuch’. Es ist kein zugelassenes Verfahren, und die Indikation unterliegt strengen Auflagen. Eine der wichtigsten: Der Arzt muss alle möglichen Therapien bei dem Patienten durchgeführt haben. Erst wenn davon keine erfolgreich war und wenn die Indikation Clostridium difficile gegeben ist, kann eine Stuhltransplantation durchgeführt werden. 

Trotz all der strengen Auflagen gebe es Risiken, erklärt Vehreschild. Und das seien dann oft auch die Fragen, die Empfänger beschäftigten. “Zum einen wollen die Patienten natürlich zu Recht wissen, auf was wir den Spender untersuchen und ob wir sicher sind, dass nichts Gefährliches übertragen werden kann”, sagt die Medizinerin. “Aber es bleibt natürlich eine gewisse Restunsicherheit. Beispiel Krebs – gibt es vielleicht irgendeine Mikrobiomkonstellation, die die Entstehung von Krebs begünstigt? Wenn wir darüber heute noch nichts wissen, kann ich den Empfänger natürlich auch nicht darauf hinweisen.”

Das Eigenbrauer-Syndrom

Beim Eigenbrauer-Syndrom entwickelt der Körper eigenständig Alkohol

Was unser Mikrobiom so alles bewirken kann, zeigt die Geschichte eines 47-jährigen Belgiers. Er trank keinen Schluck Alkohol und war trotzdem immer wieder betrunken. Das Ganze dauerte etwa zwei Monate. Mediziner im Universitätsklinikum Gent fanden schließlich die Lösung: Der Mann litt unter dem sogenannten Eigenbrauer-Syndrom. Bei dieser seltenen Erkrankung produziert der Körper nach einem Essen mit Kohlehydraten durch einen Hefepilz zu viel Ethanol, also Alkohol. Und so war er ständig über dem Alkohol-Limit. Ihm konnten die Experten mit einer Stuhltransplantation helfen. Jetzt sieht er alles wieder ganz nüchtern.


  • Coronavirus-AHA-Regeln: Wie viel Abstand darf es bitte sein?

    Aber bitte mit Abstand!

    Das sind die AHA-Regeln wie wir sie kennen: Abstand von 1,5 bis 2 Metern halten (in angelsächsischen Ländern: 6 Fuß), Hygiene beachten und Alltagsmaske tragen. Doch das werde der komplexen Realität, wie sich Aerosole ausbreiten, nicht gerecht, schreiben nun Forscher aus Oxford und London (UK) sowie aus Cambridge (USA) in einer Analyse, veröffentlicht im British Medical Journal.


  • Coronavirus-AHA-Regeln: Wie viel Abstand darf es bitte sein?

    Wie jetzt?

    Der britische Premierminister Johnson führt die Abstandsregeln in einem Klassenzimmer vor. Aber was heißt das jetzt genau? Müssen zwischen seinen Fingerspitzen und denen eines potentiellen weiteren Menschen auch nochmal 1,50 Meter liegen? Eigentlich wäre das logisch. Wenn ein Mensch aber schon mit zwei Armlängen 1,50 Meter misst, da kommen schnell mal Strecken von gut 4,50 Meter zusammen.


  • Coronavirus-AHA-Regeln: Wie viel Abstand darf es bitte sein?

    Oder doch besser in Schaflängen rechnen?

    Der isländische Verband der Schafzüchter hat eigene Regeln aufgestellt: Zwei Schafslängen sind sachgerecht zur Vermeidung einer Infektion. Ob die Alltagsmaske da wohl aus echter Schafswolle gestrickt ist? Dieser junge Schäfer im Senegal zieht dem Tier schon mal die Hammelbeine lang. Vielleicht will er herauszufinden, wie lang ein Schaf ist. Die Isländer wissen es schon: genau ein Meter.


  • Coronavirus-AHA-Regeln: Wie viel Abstand darf es bitte sein?

    Natürliche Abstandhalter

    So geht es natürlich auch. Die Standardlänge einer Hundeleine entspricht ziemlich genau den geltenden Corona-Regeln. Kann es da Zufall sein, dass in der englischsprachigen Welt für Orte an denen Leinenpflicht herrscht meist eine “sechs-Fuß-Leine” vorgeschrieben wird?


  • Coronavirus-AHA-Regeln: Wie viel Abstand darf es bitte sein?

    Woher stammt eigentlich die 2-Meter-Regel?

    Das Autorenteam um die Professorin für Strömungsdynamik Lydia Bourouiba schreibt, dass die Regel veraltet sei. Der deutsche Mediziner C. Flügge habe 1897 diesen Abstand empfohlen. Sichtbare Tröpfchen, die er in diesem Bereich aufgefangen hatte, waren noch ansteckend. Eine andere Studie von 1948 zeigte, dass 90 Prozent ausgehusteter Streptokokken in Tröpfchen nicht weiter flogen als 1,70 Meter.


  • Coronavirus-AHA-Regeln: Wie viel Abstand darf es bitte sein?

    Zwei Meter sind nicht genug

    Die Studie von 1948 war im American Medical Journal erschienen. Sie zeigte auch, dass immerhin 10 Prozent der Streptokokken viel weiter flogen: Bis zu 2,90 Meter. Unter solchen Umständen wären vielleicht die Menschen auf dieser Wiese am Düsseldorfer Rheinufer sicher – wenn jeder zweite Kreis frei bleibt. Aber Moment mal! Es geht uns doch dar nicht um Streptokokken (Bakterien) sondern um Viren.


  • Coronavirus-AHA-Regeln: Wie viel Abstand darf es bitte sein?

    Viren verbreiten sich über Aerosole

    Viren sind viel kleiner als Bakterien und können damit stundenlang herumschweben und sich auch besser in der Raumluft verbreiten. Deshalb empfehlen die Forscher, nicht nur den Abstand zwischen zwei Menschen zum Sicherheitskriterium zu machen sondern noch weitere Faktoren: die Belüftung des Raumes, ob die Menschen Masken tragen, ob sie schweigen, leise sprechen oder singen und rufen.


  • Coronavirus-AHA-Regeln: Wie viel Abstand darf es bitte sein?

    Bloß nicht singen oder husten

    Zahlreiche Studien jüngeren Datums zeigen zudem, dass beim Husten regelrechte Virenpakete bis zu acht Meter weit geschleudert werden können. Auch lautes Sprechen oder Singen wirbelt einiges an Aerosolen und Tröpfchen in den Raum. Wird indes nur leise gesprochen, wie in einer Bibliothek und sitzen die Menschen dazu noch an der frischen Luft, können die Abstände wieder geringer sein.


  • Coronavirus-AHA-Regeln: Wie viel Abstand darf es bitte sein?

    Wie lange bleibe ich in dem Raum?

    Entscheidend für die Gefahreneinschätzung ist auch die Dauer des Aufenthalts in dem kontaminierten Raum und wie viele Menschen sich darin aufhalten. Aus all diesen Faktoren haben die Forscher ein Ampelmodell entwickelt. Das klare Ergebnis: In Räumen mit vielen Menschen sollte man sich grundsätzlich nur kurz aufhalten, gut lüften, Alltagsmaske tragen und leise sprechen.


  • Coronavirus-AHA-Regeln: Wie viel Abstand darf es bitte sein?

    Hier geht es auch ohne Maske

    Hier zeigt die Ampel des britisch-amerikanischen Forscherteams indes grün: Ohne Maske ist es nämlich nur draußen auch über längere Zeit sicher, wenn wenige Menschen in der Nähe sind, alles gut belüftet ist und niemand viel spricht. Aber ob dann die 1,50 Meter reichen?

    Autorin/Autor: Fabian Schmidt