Kernfusionsreaktor ITER: Die entscheidende Bauphase beginnt

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Der Innenausbau des ringförmigen Kernfusionsreaktors in Südfrankreich beginnt, es ist ein kleines technisches Wunderwerk. Frühestens ab 2025 könnte darin eine künstliche Sonne gigantische Energiemengen freisetzen.

Dieser Meilenstein beim Bau des Internationalen Thermonuklearen Experimentellen Reaktors (ITER) im südfranzösischen Cadarache ist Präsident Emmanuel Macron immerhin eine virtuelle Feier wert. 

Für Dienstag, den 28. Juli hat er hochrangige Regierungsvertreter der beteiligten Staaten dazu eingeladen, die Ankunft des ersten Teils des Vakuumgefäßes zu begleiten. Unter anderem sind EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, EU-Energiekommissarin Kadri Simson und Südkoreas Präsident Moon Jae dabei. Aufgrund der Corona-Lage findet die Feier per Online-Übertragung statt.

Das Bauteil ist hingegen vor Ort: Zusammen mit zwei großen Feldspulen und einem Hitzeschutzschild wird es in das Reaktorgebäude gebracht und dort mit weiteren, bereits vorhandenen Komponenten zusammengebaut.

Gestartet als Ost-West Forschungsprojekt

Dieser Schritt markiert den Beginn der letzten großen Etappe beim Bau dieses einzigartigen Prestigeprojekts. Seit neun Jahren sind Arbeiter, Ingenieure und Physiker bereits mit dem Bau beschäftigt. Mit den Planungen hatte man schon vor 35 Jahren begonnen. 1988 startete ITER als gemeinsames Leuchtturmprojekt zwischen Ost und West. 1985 hatten es die Präsidenten Frankreichs und der USA – François Mitterrand und Ronald Reagan – sowie der sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow gemeinsam initiiert.

So wird einmal das ringförmige Vakuumgefäß, welches das brennende Plasma beherbergt, im Raum hängen.

Erst seit diesem Jahr steht das Reaktorgebäude. Im März hatten Arbeiter schließlich den Brückenkran installiert, mit dem nun die einzelnen Bauteile des eigentlichen Kernfusionsreaktors an ihre Position im Inneren befördert werden können. Der Zusammenbau des Reaktors wird voraussichtlich viereinhalb Jahre dauern.

Der jetzige Termin gilt vor allem als symbolische Wegmarke, um den Fortschritt des Bauprojekts zu demonstrieren. Denn ITER steht seit Jahren wegen Kostenexplosion und Verzögerungen unter Rechtfertigungsdruck.

Atomenergie ohne radioaktiven Abfall

Ziel des ITER-Projekts ist es zu zeigen, dass ein Kernfusions-Reaktor über längere Zeit genug Energie erzeugen kann, um ein fusionsfähiges Plasma aufrechtzuerhalten.

Das wäre der Beweis, dass eine vom Menschen erzeugte Kernfusion möglich ist und auch über einen gewissen Zeitraum aufrechterhalten werden kann. 

Zudem soll ITER in der Lage sein, die erzeugte Energie, die hunderte Millionen Grad Celsius erreicht, sicher abzuführen. Diese Energie soll aber nicht zur Stromerzeugung genutzt werden. ITER ist erst einmal Gundlagenforschung.

Die Ingenieure wollen vorerst nur nachweisen, dass die Technik grundsätzlich geeignet ist, saubere  Energie aus der Verschmelzung der Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium zu Helium zu gewinnen und für den Menschen nutzbar zu machen. 

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Kernfusion statt Kernspaltung

Genauso erzeugt unsere Sonne ihre gewaltige Energie. Würde es mit ITER gelingen sie nachzuahmen, würde sich die Menschheit den Traum erfüllen, ein kontrolliertes Sonnenfeuer auf der Erde zu erzeugen, dem die Energie nie ausgeht, weil der dafür nötige Rohstoff unbegrenzt verfügbar ist.

Dennoch liegt eine dunkle Wolke über dem Projekt: Kritiker halten das Experiment für ein Milliardengrab. Die ursprünglich anvisierten Kosten von fünf Milliarden Euro sind bereits auf mehr als das Vierfache gestiegen. Zudem kämpfen die Entwickler noch mit physikalischen Problemen, etwa mit der Frage, wie die Hitze aus dem Reaktor sicher abgeführt und frischer Brennstoff nachgeliefert werden könnte.

Sind Großanlagen noch zeitgemäß?

Das Hauptargument der Gegner: Die Entwicklungszeit für die Kernfusionstechnik dauert zu lange, um den Klimawandel abzuwenden. Man solle das Geld besser in Windräder, Solaranlagen oder andere erneuerbare Energiequellen sowie in intelligente Netze investieren.

Befürworter halten dagegen, dass auch in Zukunft nicht der gesamte Energiebedarf der Menschheit durch dezentrale erneuerbare Quellen gedeckt werden kann. Ein Bedarf für Großkraftwerke werde immer bestehen.

Ob ITER sein ambitioniertes Ziel, das erste Plasma bis 2025 zu zünden, einhalten kann, hängt vor allem auch davon ab, ob die 30 Projektpartner ihre Beiträge weiterhin leisten. Wie bei internationalen Forschungsprojekten üblich, leisten die einzelnen Staaten keine Geldüberweisungen, sondern liefern technische Komponenten, Forschungs- und Ingenieurleistungen.

An dem Projekt ITER sind neben der Europäischen Union auch China, Indien, Japan, Südkorea und die USA beteiligt. Die EU zahlt mit 45,6 Prozent den größten Anteil der Kosten. Die anderen Partner beteiligen sich mit jeweils 9,1 Prozent. 

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    Autorin/Autor: Judith Hartl