Fotograf Akinbode Akinbiyi: Der Blick eines Wanderers

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Akinbode Akinbiyis Schwarz-Weiß-Fotos über das Leben in Afrika und über die Kontroverse um Berlins Afrikanisches Viertel zeigt eine Ausstellung in Berlin.

Ein modisch gekleideter junger Mann läuft vor einer Plakatwand an einer Berliner Baustelle entlang. Er fügt sich so nahtlos ein in das Setting der im Hintergrund auf der Wand erstrahlenden Bauten, als habe er ein Filmset betreten. Dabei war er nur ein Passant, der zufällig perfekt in die Aufnahme passte (s. Foto). “Das”, sagt der Fotograf Akinbode Akinbiyi, “ist ein Glücksfall”.

Serendipität oder: die Kunst, zu finden, wonach man nicht gesucht hat, ist, was er mit seinen Fotos thematisiert. Eine Auswahl zeigt die Schau “Six Songs, Swirling Gracefully in the Taut Air” im Berliner Gropius Bau. Die charakteristischen Schwarzweißfotografien im Mittelformat halten Szenen aus dem täglichen Leben fest – in Johannesburg, Lagos, Athen, Dakar und in Berlin, wo Akinbiyi lebt. “Selten hat ein Fotograf eine so ausgedehnte Reise unternommen, um eine enzyklopädische Bilderserie zu schaffen, die konsequent Realitäten in der afrikanischen Welt und darüber hinaus nachzeichnet”, schreibt die Kuratorin Natasha Ginwala, die den Fotografen ausgewählt hat.

Der wache Wanderer

Akinbode Akinbiyi wurde 1946 im englischen Oxford als Sohn nigerianischer Eltern geboren. Nach einem Studium in Nigeria zog er in den 1970er Jahren nach Deutschland, um in Heidelberg in Literatur zu promovieren. Und blieb. Seit rund 30 Jahren lebt er nun in Berlin. Seine vielen Reisen führen ihn indes oft zurück nach Afrika. Um Workshops zu geben oder sich auf eine seiner, wie er es nennt, “bewussten Wanderungen” zu begeben, um zur richtigen Zeit am richtigen Ort Bilder zu schießen.

“Ich mache das jetzt seit etwa 40 Jahren, und je mehr man das macht, desto mehr sieht man, wie die Dinge zusammenspielen; Zufall, glückliche Umstände, der zufällig richtige Augenblick”, sagt er gegenüber der DW. “Wissen Sie, da kommen einfach verschiedene Dinge zusammen.”

Seit 40 Jahren fotografiert Akinbode Akinbiyi bereits

Das dunkle koloniale Erbe des “Afrikanischen Viertels”

Ein Interesse des Fotografen gilt dem sogenannten “Afrikanischen Viertel” im Berliner Stadtteil Wedding. Obwohl das Gebiet tatsächlich von vielen afrikanischen Migranten bewohnt wird, hat sein Spitzname einen düsteren Ursprung. Nach dem Ersten Weltkrieg plante der Wildtierhändler Carl Hagenbeck, in dem Gebiet einen großen Zoo zu eröffnen, in dem Menschen aus den deutschen Kolonien Afrikas ausgestellt werden sollten.

Obwohl der Plan nie verwirklicht wurde, wurden 25 Straßen in dem Gebiet nach afrikanischen Ländern benannt, sowie einige wenige nach Deutschen, die in den 1880er und 1890er Jahren maßgeblich an der kolonialen Expansion des Deutschen Kaiserreichs in Ostafrika beteiligt waren. Zwei Straßen und ein Platz, die Petersallee, die Lüderitzstraße und der Nachtigalplatz, sollen nun nach einer fünfjährigen Kampagne von Nichtregierungsorganisationen umbenannt werden.

Keine neue Debatte: Das Straßenschild, das Akinbode Akinbiyi hier aufgenommen hat, wurde schon 2005 von Aktivisten mit “Witbooi-Allee” überklebt

Adolf Lüderitz war ein deutscher Geschäftsmann, der den Küstenstreifen Afrikas von Angola bis Südafrika beanspruchte. Die nach ihm benannte Stadt Lüderitz in Namibia befand sich in der Nähe der Haifischinsel, einer im Südatlantik gelegenen Halbinsel. Dort errichteten die deutschen Kolonisten zwischen 1904 und 1908 nach einem Aufstandsversuch Konzentrationslager für das einheimische Volk der Herero und Nama. Tausende von ihnen starben, viele in den Lagern. Historiker betrachten dies als ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts.

Akinbiyis Fotos erzählen vom Alltag im “Afrikanischen Viertel”

Für seine Fotoserie “Afrikanisches Viertel” besuchte Akinbiyi diese Straßen. Er fotografierte alltägliche Szenen von spielenden Kindern und hielt Begegnungen mit der afrikanischen Gemeinschaft fest. “Als ich Anfang des Jahrtausends hierher kam und viel fotografierte, war es sehr ruhig und heimelig. Es ist ein bisschen lebendiger geworden”, sagt Akinbiyi. Er interessiert sich besonders für die architektonische Melange des Viertels mit seinen Bauhaus-Gebäuden und kunstvollen Bauwerken aus der Gründerzeit.

Die koloniale Kontroverse im Viertel lässt er dabei nicht außer Acht. Eines seiner Fotos zeigt ein Straßenschild mit dem Namen eines deutschen Kolonialherren, das von einem lokalen Aktivisten mit dem Namen des namibischen Widerstandskämpfers Hendrik Witbooi überklebt wurde. Eine Ecke ist abgerissen – vermutlich als Erinnerung, dass nicht alle mit der vorgeschlagenen Namensänderung glücklich sind.

Im Dezember 2019 protestierte die AfD gegen Forderungen, Straßennamen zu ändern, die an das koloniale Erbe erinnern. “Ich denke, diese Dinge sollten geändert und überdacht werden – es muss sich etwas tun”, meint der Fotograf. Doch Statuen zu stürzen, wie jüngst durch Aktivisten in Belgien und Großbritannien, greift Akinbiyis Ansicht nach zu kurz.

Auf der Suche nach der respektvollen Gesellschaft

Für Akinbiyi sind die gegenwärtigen politischen Verwerfungen und Proteste in den USA nach dem Tod von George Floyd Zeichen für ein breiteres Unbehagen: “Die Spaltung der Gesellschaft – okay, es ist ein Schwarz-Weiß-Problem, aber es ist auch ein menschliches Problem. Wir gehen so unmenschlich miteinander um. Ich fotografiere all diese Dinge so fotografisch wie möglich. Auf meinen Wanderungen versuche ich unentwegt, ein Bild einzufangen, das dies zum Ausdruck bringt.”

Einige seiner Werke befassen sich mit Werbung und anderen Darstellungen, die Schwarze in respektloser Art und Weise präsentieren. “Ich möchte das Ungleichgewicht zeigen und versuchen, einen Weg zurück zu einer ausgewogenen Gesellschaft zu finden, in der wir einander respektvoll behandeln. Das kann mitunter sehr schwierig sein. Wir alle haben unsere Vorurteile, Toleranzen und Intoleranzen. Aber wir Wanderer müssen wirklich daran arbeiten”.

Die Ausstellung “Six Songs, Swirling Gracefully in the Taut Air” zeigt Fotografien Akinbode Akinbiyis im Berliner Ausstellungshaus Gropius Bau. Sie läuft noch bis zum 19. Juli 2020.