Die Zahl der Autoimmunerkrankungen steigt

0
274

Rheuma, Diabetes Typ 1, Multiple Sklerose sind nur einige von vielen Autoimmunerkrankungen. Heilbar ist bislang keine davon, und die Forschung muss noch immer etliche Rätsel lösen.

Bei Tanja Renner hat es acht Jahre gedauert, bis sie die Diagnose bekam: Psoriasis-Arthritis. Das ist eine von mehr als 80 bekannten Autoimmunerkrankungen und betrifft die Gelenke, die sich entzünden. Die chronische Erkrankung verläuft in Schüben. Perioden, die durch starke Gelenkentzündungen geprägt sind, wechseln mit weniger entzündlichen Perioden ab.

Bei über 30 Prozent aller Betroffenen tritt sie zusammen mit Psoriasis, also Schuppenflechte auf, unter der in Deutschland etwa zwei Millionen Menschen leiden.

“Seit 1999 litt ich immer häufiger unter geschwollenen Gelenken und zahlreichen Kniepunktionen und konnte kaum noch am normalen Leben teilnehmen. Es war ein beschwerlicher und einsamer Weg für mich”, beschreibt Tanja Renner ihre Erkrankung auf der Website von NiK e.V., dem Netzwerk Autoimmunerkrankter.

Den Verein, der sich ausschließlich über Spenden finanziert, hat sie 2016 zusammen mit sechs weiteren Personen gegründet. Ihr Anliegen ist es, anderen Betroffenen zu helfen, ihnen einen jahrelangen Spießrutenlauf zu ersparen und sie bei der Suche nach einem Experten zu unterstützen.

NIK sieht sich nicht als Selbsthilfe, sondern eher als eine Art Lotse, der mögliche Wege aufzeigt. Auch bei Mitgründerin Tanja Renner dauerte es lange, bis sie den richtigen Arzt gefunden hatte, die richtige Diagnose bekam und endlich auch die entsprechende Behandlung. So habe sie ein Stück der verlorenen Lebensqualität zurückgewonnen, sagt sie heute. Diese Erfahrungen will sie weitergeben.

Gestörtes Immunsystem

Etwa fünf bis acht Prozent der Bevölkerung in Deutschland leiden unter einer Autoimmunerkrankung. Einige der bekanntesten sind Diabetes mellitus Typ 1 , Multiple Sklerose  oder auch Morbus Crohn , eine chronisch entzündliche Darmerkrankung.

Eigentlich soll das Immunsystem uns gegen Viren, Bakterien, Parasiten und andere Eindringlinge schützen. Bei Autoimmunerkrankungen aber ist das Immunsystem gestört. Es kann nicht mehr zwischen Gut und Böse unterscheiden, erkennt Fremdes und Eindringlinge in den Körper nicht mehr als solche und greift stattdessen körpereigenes, gesundes Gewebe und Organe an. Als Folge davon können sie durch schwere Entzündungsreaktionen zerstört werden.

Die Schuppenflechte (Psoriasis) ist eine chronisch-entzündliche, erblich veranlagte Hauterkrankung

Es gibt zwei verschiedene Arten: Entweder richtet sich das Immunsystem gegen ein bestimmtes Organ. Das kann zum Beispiel den Darm (Morbus Crohn), die Haut (Psoriasis) oder die Nerven betreffen. Das sind sogenannte organspezifische Autoimmunerkrankungen. In anderen Fällen jedoch richtet sich das Immunsystem gegen das gesamte System und führt damit zur sogenannten systemischen Autoimmunerkrankung.

Dramatische Entwicklung

Zu den organspezifischen Autoimmunerkrankungen gehört etwa Multiple Sklerose. Dabei werden die Myelinscheiden der Nervenfasern angegriffen. Beim Diabetes mellitus sind es die Inselzellen der Bauchspeicheldrüse, und bei Zöliakie, Morbus Crohn und Colitis ulcerosa  ulcerosa richtet sich das Immunsystem gegen die Darmschleimhaut.

Die Liste der verschiedenen Autoimmunerkrankungen ist lang und macht Angst, zumal sie immer länger zu werden scheint. Heute sind wesentlich mehr Menschen betroffen als noch vor 40 Jahren. Die Fälle von Multiple Sklerose beispielsweise haben sich in diesem Zeitraum verdoppelt .

“Wir verzeichnen eine enorme Zunahme an Autoimmunerkrankungen und seit etwa 50 Jahren einen deutlichen Rückgang von Infektionskrankheiten”, sagt Professor Michael Radke vom  Universitätsklinikum Rostock. “Das Immunsystem ist ‘fehlgeleitet‘ und richtet sich schließlich gegen den eigenen Körper.”

Die genetische Veranlagung beeinflusst Autoimmunerkrankung wie MS, Morbus Crohn oder wie hier Rheuma.

Ist alles viel zu steril?

Bei einer natürlichen Geburt kommt das Kind im Geburtskanal mit vielen Bakterien in Kontakt. Das Immunsystem lernt sich dagegen zu wehren und Erreger unschädlich zu machen.Das Immunsystem eines Neugeborenen, Säuglings und Kleinkindes ist darauf angewiesen, sich mit Bakterien und Viren aus der Umwelt auseinanderzusetzen. Wenn das über lange Zeit fehlt, weil die Kinder mit sterilen Lebensmitteln ernährt werden, ist es kein Wunder, wenn das Immunsystem irgendwann auf Abwege gerät und dann gegen den eigenen Körper Entzündungsprozesse in Gang setzt, erklärt Kinderarzt Radke.

Viele Lebensmittel seien heute oft sehr lange haltbar, alle Bakterien abgetötet. Auch darin sieht Radke einen Grund dafür, warum das Immunsystem bei vielen Kindern nicht so gut funktioniert und nicht das tut, was es tun soll: den Körper vor Erregern schützen.

Das Immunsystem attackiert den Körper

Warum das Immunsystem den eigenen Körper angreift, haben Wissenschaftler noch immer nicht ganz klären können, aber in den letzten Jahren konnten sie viele Erfolge verzeichnen. Forscher gehen davon aus, dass die genetische Veranlagung ein wichtiger Grund für eine Autoimmunerkrankung ist.

Die Darmflora beeinflusst die Entstehung verschiedener Autoimmunerkrankungen.

Untersuchungen haben gezeigt, dass dies beispielsweise bei Multipler Sklerose, Morbus Crohn, aber auch bei Rheuma der Fall ist. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Ernährung. Die Darmflora beeinflusst die Entstehung verschiedener Autoimmunerkrankungen.

Die Frage, warum und wie Autoimmunerkrankungen entstehen, ähnelt einem großen Puzzle aus verschiedenen kleinen und kleinsten Elementen. Noch ist es nicht zusammengesetzt. Dabei spielen auch Umweltfaktoren eine wichtige Rolle. Auf der Liste stehen aber auch Rauchen oder verschiedene chemische Stoffe wie auch ein Mangel an Vitamin D durch zu geringe Sonneneinstrahlung. Hormone spielen ebenfalls eine große Rolle. Vor allem Frauen sind von Autoimmunerkrankungen betroffen.

Unter Stress

Der Einfluss von Stress auf Autoimmunerkrankungen sollte nach Meinung von Experten auf keinen Fall unterschätzt werden. Für die meisten gilt: Je mehr Stress, umso häufiger kommt es zu Krankheitsschüben. Die behandelt der Arzt dann gewöhnlich erst einmal mit Cortison, denn das bremst den Entzündungsprozess.

Mittlerweile lassen sich viele Autoimmunerkrankungen relativ gut behandeln. Die Gabe von Interferonen hat sich beispielsweise bei Multipler Sklerose bewährt. Sie sorgen dafür, dass das Immunsystem gedämpft wird und nicht überreagiert. Heilbar sind Autoimmunerkrankungen jedoch bislang alle nicht.

Stammzellentherapie als letzter Ausweg

In den USA wenden die Ärzte auch Stammzellentherapien bei Autoimmunerkrankungen an, ein sogenanntes Immunreset. Diese Methode ist der Versuch, das immunologische Gedächtnis des Körpers zu zerstören. So kann der Ablauf der Autoimmunerkrankung unterbrochen werden. Dazu müssen sich die Patienten einer Chemotherapie unterziehen. Ihr Immunsystem wird zunächst quasi auf Null gesetzt, um dann mithilfe der Stammzellen ein neues Immunsystem aufzubauen.

Warum das Immunsystem den eigenen Körper angreift, haben Wissenschaftler noch immer nicht ganz klären können

In Deutschland ist eine solche Behandlung nur erlaubt, wenn nachweislich keine andere Therapie anschlägt, denn die Methode birgt hohe Risiken bis hin zum Tod. Sie ist nur für Patienten gedacht, für die es gar keinen anderen Ausweg mehr gibt, aber sie kann eben auch gefährlich sein.

Alle Altersgruppen

Eine Autoimmunerkrankung kann Menschen verschiedener Altersgruppen treffen. Manch einen erwischt es schon in jungen Jahren, andere wiederum in der Mitte des Lebens.

Auf der Webseite von NIK stellen sich verschiedene Menschen vor, die eine Autoimmunerkrankung haben, die meisten von ihnen mit der Diagnose Multiple Sklerose und die meisten von ihnen junge Frauen. Sie alle erzählen ihre ganzpersönliche Geschichte und beschreiben, wie sie mit ihrer Erkrankung umgehen. Dabei zeigen alle vor allem eines: enorme Kraft und Willensstärke. Von ihrer Autoimmunerkrankung wollen sie sich nicht unterkriegen lassen.


  • Das Herz – ein schlagendes Wunderwerk

    Wunderwerk der Natur

    Das Herz ist ein Wunderwerk der Natur: Der faustförmige Hohlmuskel zieht sich etwa siebzigmal in der Minute zusammen und pumpt so am Tag bis zu 10.000 Liter durch den Körper. Und das ein Leben lang. Wenn nötig – beim Joggen etwa – transportiert das Herz sogar fünfmal so viel Blut durch den Körper.


  • Das Herz – ein schlagendes Wunderwerk

    Doppelte Arbeit

    Eigentlich besteht unser Herz aus zwei Pumpen. Denn es gibt nicht nur einen Blutkreislauf, sondern gleich zwei. Die rechte Herzkammer pumpt Blut in die Lunge, wo es sich mit Sauerstoff auftankt. Gleichzeitig befördert die linke Herzkammer die gleiche Menge Blut in den Körperkreislauf. Gar nicht so einfach. Denn im Körperkreislauf herrscht viel höherer Druck als im Lungenkreislauf.


  • Das Herz – ein schlagendes Wunderwerk

    Bumm, Bumm

    Jede Herzhälfte besteht aus einem Vorhof und einer Herzkammer. Das Blut kann nur in eine Richtung fließen, da sich zwischen den Vorhöfen und den Kammern sowie zwischen den Kammern und den sich anschließenden Gefäßen Herzklappen (grün) befinden, die wie Rückschlagventile arbeiten.


  • Das Herz – ein schlagendes Wunderwerk

    Echte Muskelarbeit

    Das Herz ist nur ein Muskel – aber ein ganz besonderer. Er ähnelt denen an Arm und Bein, denn er kann sich genauso schnell und kraftvoll zusammenziehen. Aber er ist besonders ausdauernd und ermüdet nicht. Außerdem sind alle Herzmuskelzellen miteinander gekoppelt, damit immer der gesamte Herzmuskel gleichzeitig kontrahiert.


  • Das Herz – ein schlagendes Wunderwerk

    Natürlicher Schrittmacher

    Versuchen Sie mal, Ihr Herz durch Willenskraft am Schlagen zu hindern! Das klappt nicht, da das Herz nicht von Nerven gesteuert wird, sondern seinen eigenen Taktgeber hat: Spezielle Muskelzellen im Sinusknoten erzeugen regelmäßig einen kleinen Stromstroß, der sich blitzschnell über das ganze Herz ausbreitet und es kontrahieren lässt. Ist der Sinusknoten defekt, übernimmt der AV-Knoten.


  • Das Herz – ein schlagendes Wunderwerk

    Aus dem Takt

    Kommt das Herz aus dem Rhythmus, beispielsweise beim Kammerflimmern, entspannt es nicht mehr, sondern bleibt ständig verkrampft. Dann kann das Organ kein Blut mehr pumpen. Ein Schockgeber, der Defibrillator, unterbricht die lebensbedrohliche ständige Erregung im Herzen, damit der natürliche Taktgeber wieder übernehmen kann. Auch ein Laie kann das Gerät bedienen.


  • Das Herz – ein schlagendes Wunderwerk

    Lebensretter

    Schlägt das Herz eines Patienten zu langsam, hilft ein künstlicher Herzschrittmacher nach. Das Gerät erzeugt elektrische Impulse und leitet sie an den Herzmuskel weiter. Erstmals implantierten Ärzte einen Schrittmacher im Jahr 1958. Ein moderner Herzschrittmacher hat eine Funktionsdauer zwischen fünf und zwölf Jahren, durchschnittlich sind es acht Jahre.


  • Das Herz – ein schlagendes Wunderwerk

    Am offenen Herzen

    Um am Herzen operieren zu können, müssen die Ärzte es kurzzeitig stoppen und den Kreislauf stilllegen – eigentlich ein Todesurteil. Aber in den 50er Jahren lösten Wissenschaftler das Dilemma: Sie entwickelten die Herz-Lungen-Maschine. Das Gerät übernimmt für kurze Zeit die Funktion von Herz und Lunge, reichert das Blut mit Sauerstoff an und pumpt es durch den Körper.


  • Das Herz – ein schlagendes Wunderwerk

    Durch die Leiste ins Herz

    Die moderne Medizin ermöglicht es, das Herz zu untersuchen oder es zu operieren, ohne den Brustkorb des Patienten aufzuschneiden. Dazu führt der Arzt einen Herzkatheter – quasi einen dünnen Kunststoffschlauch – durch Leiste, Ellenbeuge oder Handgelenk ein und schiebt den Schlauch über Venen oder Arterien bis zum Herzen. Der Patient wird vorher nur örtlich betäubt.


  • Das Herz – ein schlagendes Wunderwerk

    Faltbare Herzklappe

    Ist eine der Herzklappen kaputt oder ausgeleiert, muss eine neue her. Ärzte greifen entweder zu biologischem Ersatz vom Schwein oder zu mechanischen Herzklappen aus Metall. Inzwischen gibt es auch künstliche Herzklappen, die zusammenfaltbar sind (siehe Foto) und sich daher minimal-invasiv über einen Katheter einsetzen lassen. Eine Operation am offenen Herzen ist dann nicht mehr nötig.


  • Das Herz – ein schlagendes Wunderwerk

    Verstopfte Gefäße

    Die Herzkranzgefäße versorgen den Herzmuskel mit Blut, sprich Nährstoffen und Sauerstoff. Verstopft eines dieser Gefäße, stirbt das nicht mehr durchblutete Gewebe ab – Herzinfarkt! Mit einem Bypass überbrückt der Herzchirurg die verengte Stelle (im Bild grün). Dafür nimmt er eine Vene des Patienten, die nicht mehr gebraucht wird, oder eine Gefäßprothese aus Kunststoff.


  • Das Herz – ein schlagendes Wunderwerk

    Lebensretter aus Metall

    Ist ein Herzkranzgefäß verengt, kann der Arzt einen Katheter in das Blutgefäß einführen und die Engstelle mit einem Ballon aufdehnen. Damit sich das Gefäß hinterher nicht wieder zusammenzieht, hält man es mit einem Stent offen: Das sind feine Hülsen aus Metall, welche die Blutgefäßwand von innen stützen. Die Röhrchen können zusätzlich auch mit Medikamenten beschichtet sein.


  • Das Herz – ein schlagendes Wunderwerk

    Wenn das eigene Herz nicht mehr will

    Die erste Herztransplantation führten Herzchirurgen im Jahr 1967 durch. Damals eine Sensation. Inzwischen ist die OP keine Seltenheit mehr: Pro Jahr transplantieren Ärzte weltweit einige Tausend Spenderherzen von verstorbenen Menschen. Die Empfänger müssen allerdings ein Leben lang Medikamente nehmen, die verhindern, dass der eigene Körper das fremde Organ abstößt.


  • Das Herz – ein schlagendes Wunderwerk

    Leben auf Pump

    Spenderherzen sind rar. Wenn das eigene Herz nicht mehr richtig funktioniert, etwa bei einer Insuffizienz, lässt es sich mit einem Kunstherz unterstützen. Das eigene, kranke Herz bleibt im Körper, unterstützt wird es von einer implantierten Pumpe. Antrieb und Energieversorgung der Pumpe liegen außerhalb des Körpers.


  • Das Herz – ein schlagendes Wunderwerk

    Ein künstliches Herz

    Traum der Forscher ist ein Kunstherz, welches das kranke Herz des Patienten vollständig ersetzt. Es soll ohne Verbindungsschläuche zur Außenwelt in den Körper eingesetzt werden können und wartungsfrei viele Jahre schlagen. Prototypen gibt es bereits.

    Autorin/Autor: Brigitte Osterath