Boeing 737MAX: Der Neustart bleibt im Ungewissen

0
259

Nach zwei Abstürzen in Folge steht Boeings 737MAX seit einem Jahr am Boden. Die Folgen für das Unternehmen und die Airlines sind dramatisch. Und jetzt kommt das Coronavirus noch dazu.

Normalerweise legt sich die öffentliche Aufregung einige Zeit nach einem Flugzeugabsturz und die Juristen übernehmen. Nicht so im Fall der Boeing 737MAX, sie beherrscht nach zwei Unfällen gerade wieder die Schlagzeilen in den USA mit immer neuen Hiobsbotschaften für Boeing.

Die Entwicklung der Boeing 737MAX war “geprägt von technischen Designfehlern, einem Mangel an Transparenz und dem Bemühen, Informationen über die Funktionen des Flugzeugs zurückzuhalten.” Zu diesem vernichtenden Ergebnis kommt ein vorläufiger Bericht des Verkehrsausschusses des US-Repräsentantenhauses, der Ende vergangener Woche veröffentlicht wurde. “Boeing und die US-Luftfahrtbehörde FAA haben mit der Sicherheit der Öffentlichkeit gespielt”, heißt es in dem Bericht.

Gedenken an die Opfer am Jahrestag des Absturzes in Äthiopien

Neuer Chef wird zum Problem

Gleichzeitig gab der neue Boeing-Vorstandschef David Calhoun der New York Times ein seltenes Interview. “Die Probleme sind ehrlich gesagt größer, als ich dachte”, räumte er darin ein, “und das spricht für die Schwäche unserer Führung”, so Calhoun. Damit brachte er die Mitarbeiter erst recht in Rage. Denn Calhoun selbst war es gewesen, der noch bis zuletzt seinem zum Jahresende entlassenen Vorgänger Dennis Muilenburg öffentlich attestiert hatte, er mache “alles richtig”. Calhoun selbst trägt außerdem an den Verhältnissen eine Mitschuld, da er seit 2009 im Boeing-Aufsichtsrat saß und zuletzt sogar dessen Chef war.

Viele Beobachter zweifeln daher daran, ob er der richtige Mann für den nötigen Neuanfang ist. Und diese Zweifel dürften sich in den letzten Tagen massiv verstärkt haben, weil Calhoun nach dem Interview zurückruderte und sein Bedauern über die gemachten Aussagen einräumte. Damit nicht genug: Boeing sieht sich massiven Strafzahlungen gegenüber, mindestens 25 Millionen Dollar für den Einbau nicht zugelassener Teile in die 737MAX, was allerdings nur ein Buchteil der erwarteten wirtschaftlichen Verluste nach dem Desaster ausmacht.

Unterdessen meldet das Wall Street Journal, die Behörden stünden kurz davor, technische Änderungen bei der Verlegung elektrischer Kabel in allen fast 800 bisher produzierten 737MAX zu verlangen – was weitere Verzögerungen mit sich bringen könnte. Bisher war die Hoffnung, die seit einem Jahr auf den Boden verbannte Flotte ab dem Sommer wieder in die Luft zu bringen. In jedem Fall ist die weitergehende 737MAX-Saga mit ihren weitreichenden Folgen einmalig in der Luftfahrtgeschichte.

Boeings neuer Chef David Calhoun (links) und sein glückloser Vorgänger Dennis Muilenburg

Immer neue Fehler

Vor einem Jahr erlitt die MAX in Äthiopien ihren zweiten Unfall, zuvor hatte es im Oktober 2018 bereits einen Crash desselben Typs in Indonesien gegeben. Insgesamt starben 346 Menschen. Kurz darauf wurden weltweit alle 387 damals bereits ausgelieferten 737MAX auf den Boden verbannt, anschließend die gesamte noch bis Dezember weiterlaufende Produktion. Heute stehen mehr als doppelt so viele Flugzeuge des bisherigen Bestsellers am Boden, ein nie dagewesener Vorgang.

Ihre Zukunft ist heute ungewisser denn je. Immer neue Fehler werden gefunden, immer uneiniger sind sich die Zulassungsbehörden in aller Welt – immer mehr Airlines verlieren das Interesse an der 737MAX. Denn die Flugbranche schlittert durch das Coronavirus und die dadurch fehlende Passagiernachfrage gerade in eine ihrer schlimmsten Krisen überhaupt – da ist jedes nicht ausgelieferte Flugzeug für die schwer getroffenen Airlines ein Problem weniger. Tatsache ist: Die Krise um die Boeing 737MAX ist nicht nur für den Hersteller die größte Bewährungsprobe in der über hundertjährigen Geschichte, sondern sie stellt das über Jahrzehnte praktizierte und vermeintlich funktionierende weltweite System der behördlichen Überwachung und Zulassung neuer Flugzeuge grundlegend in Frage. Wie die gesamte Branche da wieder herausfinden will, muss sich erst noch zeigen.

Hoffnungsträger 777X – wirklich?

Eine besonders schockierende Erkenntnis aus den 737MAX-Unfällen ist die Aufdeckung einer völlig verkommenen Sicherheitskultur bei Boeing, die lange als vorbildlich gegolten hatte. Von diesem fast legendären Ruf zehrte sie immer noch, als bereits Profite und Shareholder Value beinahe um jeden Preis im Vordergrund standen. Es spricht Bände, dass Boeing bis ziemlich genau vor einem Jahr absolute Rekordumsätze feierte – und jetzt die stärksten Verluste der langen Firmengeschichte einfliegt. Gleichzeitig muss die vorher global allmächtige US-Luftfahrtbehörde einen massiven Reputationsverlust hinnehmen für ihre Kungelei mit Boeing.

Stillstand in der Produktion: Eine 737MAX 8 im Boeing-Werk Renton (USA)

Bisher hatten alle anderen wichtigen Zulassungsbehörden der Welt von der europäischen EASA bis hin zu Chinesen oder Kanadiern Zertifizierungen und Anordnungen der FAA automatisch übernommen. Dies könnte sich jetzt ändern, wie etwa die EASA und der kanadische Verkehrsminister bereits angekündigt haben. Die große Befürchtung etwa der Linienluftfahrtlobby IATA ist, dass dies die Prozesse nochmals verlängert, bis neue Flugzeuge eingesetzt werden können. Ein erster Lackmus-Test wird die Zulassung von Boeings bereits um über ein Jahr verspätetem Langstreckenjet 777X sein. Hier gehört die Lufthansa zu den Erstkunden, die erste Auslieferung wird nun nicht vor Ende 2021 erwartet.

Gewaltig sind die wirtschaftlichen Auswirkungen der 737MAX-Krise auf Boeing und die gesamte US-Wirtschaft. Finanzminister Steve Mnuchin hatte im Januar erklärt, die Boeing-Krise könne das Land ein halbes Prozent seines Wirtschaftswachstums für 2020 kosten – das war vor der Corona-Krise. Zu Jahresbeginn wurden die bis dahin für Boeing bereits aufgelaufenen Kosten auf zehn Milliarden US-Dollar beziffert. Wenn die 737MAX ab Juni oder Juli wieder fliegen könnte, schätzen Analysten derzeit den Schaden für Boeing auf 20 Milliarden US-Dollar, darin sind Zahlungen an die Familien der Opfer noch nicht enthalten. Jeder Monat, in dem die 737MAX-Produktion weiter stillsteht – und davon muss man im Moment ausgehen – kostet Boeing demnach eine weitere Milliarde US-Dollar.


  • 50 Jahre Jumbo-Jet: Eine Ikone feiert Geburtstag

    Der Spitzname leuchtet ein

    Ein Jumbo Jet der British Airways im Anflug auf den Flughafen Heathrow. Das Bild veranschaulicht, warum das Boeing-Flugzeug mit der Typ-Bezeichnung 747 bereits kurz nach der Markteinführung vor 50 Jahren schnell seinen Spitznamen “Jumbo” verpasst bekam: Der viermotorige Düsenjet ist einfach gigantisch.


  • 50 Jahre Jumbo-Jet: Eine Ikone feiert Geburtstag

    Alte Freunde

    Boeing-Präsident Bill Allen und der Chef der US-Fluggesellschaft Pan Am Juan Trippe (rechts) am 9. Februar 1969 nach dem Jungfernflug der ersten 747. Die beiden verband eine langjährige Freundschaft. Trippe soll Allen beim Angeln auf die Pläne zu dem neuen Großraumflugzeug angesprochen haben: “Wenn Du es baust, kaufe ich es”. Die Antwort: “Wenn Du es kaufst, baue ich es”.


  • 50 Jahre Jumbo-Jet: Eine Ikone feiert Geburtstag

    Reisen mit Glanz und Glamour

    Die neue 747 wurde nicht nur wegen ihrer technischen Innovationen gerühmt, sie verbreitete auch Glamour. Mit einer Lounge, in der Cocktails serviert wurden, versprach sie ein elegantes und entspanntes Reiseerlebnis. Mit mehr als 70 Meter Länge und einer Flügelspannweite von fast 60 Metern bot sie – je nach Bestuhlung – zwischen 366 und 550 Passagieren Platz.


  • 50 Jahre Jumbo-Jet: Eine Ikone feiert Geburtstag

    Katastrophen

    Der Jumbo ist auch mit großen Unglücken verbunden. Der Absturz einer Lufthansa-Maschine 1974 kurz nach dem Start in Nairobi kostete 59 Menschen das Leben. 1977 stießen auf dem Flughafen von Teneriffa zwei Jumbos zusammen – 583 Tote. 270 Menschen wurden 1988 beim Absturz eines Jumbos nach Explosion einer Terror-Bombe an Bord über dem schottischen Lockerbie getötet (s. Foto).


  • 50 Jahre Jumbo-Jet: Eine Ikone feiert Geburtstag

    Großes Maul

    Charakteristisch für den Jumbo ist der “Buckel”, das Oberdeck, in dem sich unter anderem auch das Cockpit befindet. Diese Konstruktion ermöglicht für die Frachtversion der Maschine ein Bugtor, das eine großzügige Beladung erlaubt. Boeing verkauft das vierstrahlige und damit spritschluckende Flugzeug inzwischen praktisch nur noch in der Frachtversion.


  • 50 Jahre Jumbo-Jet: Eine Ikone feiert Geburtstag

    Shuttle Carrier

    Die US-Raumfähre Discovery reitet huckepack auf unserem Riesen – ein Foto aus dem Jahr 2012. Die Shuttle Carrier Aircraft (SCA) waren zwei modifizierte Flugzeuge vom Typ 747-100 zum Transport der Raumfähren der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA. Sie wurden zum Rücktransport der Shuttles zum Kennedy Space Center genutzt, sofern die Shuttle-Landung auf einem alternativen Landeplatz erfolgte.


  • 50 Jahre Jumbo-Jet: Eine Ikone feiert Geburtstag

    Siegerflieger

    Die Lufthansa ließ es sich im Juli 2014 nicht nehmen, die deutsche Fußball-Nationalmannschaft mit dem Weltmeister-Pokal im Gepäck vom Endspielort Rio de Janeiro nach Berlin zu fliegen. Die 747-8 war kurzerhand umlackiert worden zum “Siegerflieger der Fanhansa”.


  • 50 Jahre Jumbo-Jet: Eine Ikone feiert Geburtstag

    Iron Maiden’s Ed Force One

    Die britische Heavy Metal Band Iron Maiden landet im Mai 2016 mit ihrer gecharterten Boeing 747 auf dem Flughafen Düsseldorf. Metalheads und Planespotter sichern sich die besten Plätze, um d a s Flugzeug zusehen, die “Ed Force One” – benannt nach dem Maskottchen der Band, dem Monster Eddie. Geflogen wurde die Maschine übrigens vom Leadsänger Bruce Dickinson höchstpersönlich.


  • 50 Jahre Jumbo-Jet: Eine Ikone feiert Geburtstag

    Dinosaurier der Lüfte

    Wie der noch größere Airbus-Jet A380 (im Vordergrund) entspricht die 747 nicht mehr den ökonomischen Anforderungen der Fluggesellschaften, die auf den Langstrecken lieber Zweistrahler wie die A350 oder die Boeing-Modelle 777 und 787 einsetzen. Im vergangenen Jahr gab es für den Jumbo noch ganze 18 Neubestellungen, in den Büchern stehen nur 24 nicht abgearbeitete Aufträge.


  • 50 Jahre Jumbo-Jet: Eine Ikone feiert Geburtstag

    Air Force One

    Zu den 1548 ausgelieferten 747-Maschinen werden wohl nur noch wenige dazukommen, wenngleich US-Präsident Donald Trump auch die nächste Präsidentenmaschine “Air Force One” auf der Basis der 747 bestellt hat. Auch der japanische Kaiser und der Sultan von Brunei wissen die “Königin der Lüfte” als Regierungsmaschinen zu schätzen.

    Autorin/Autor: Klaus Ulrich