EU sucht Wege aus Krisen im Iran und in Libyen

0
185

Die EU-Außenminister fordern Aufklärung über den Absturz der ukrainischen Passagiermaschine am Mittwoch und vermuten einen Raketenbeschuss. Außerdem müsse Teheran zum Atomabkommen zurückkehren.

In einem Punkt scheinen sich die EU-Außenminister einig: Sie gehen davon aus, dass der Absturz der ukrainischen Zivilmaschine vor zwei Tagen am Flughafen von Teheran durch den versehentlichen Abschuss einer Boden-Luftrakete des iranischen Militärs verursacht wurde. Jean Asselborn aus Luxemburg sprach von kriegerischer Nervosität in der Region als Grund für das beklagenswerte Unglück. Es seien “mutwillig 176 Leben vernichtet worden”.

Sein niederländischer Kollege Stef Blok nannte die Erklärung plausibel, und Bundesaußenminister Heiko Maas sprach von einem “tragischen, schrecklichen Unglück”. Jetzt müsse der Iran volle Aufklärung leisten, es dürfe nichts unter den Tisch gekehrt werden, sonst “entsteht das Nährbecken für neues Misstrauen”.

“Keinen Grund zu zweifeln”: NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg schloss sich dieser Auslegung der Ereignisse an. Er habe “keinen Grund, an den Berichten von verschiedenen Mitgliedsländern zu zweifeln”. Und gerade deshalb brauche man eine gründliche Untersuchung und müsse die Tatsachen genau feststellen, “und dafür ist es so wichtig die volle Kooperation des Iran zu erhalten”.

Begrenzt kooperationsbereit?

Sprecher der iranischen Regierung allerdings streiten bislang rundweg ab, der Absturz sei durch Raketenbeschuss zustande gekommen. Aus Teheran kommen widersprüchliche Signale, was den Zugang zur Unglücksstelle und die Auswertung der Blackbox betrifft. Gestern noch hatten Regierungsstellen erklärt, die Untersuchung könne sich bis ins nächste Jahr hinziehen. Dagegen erklärte ein ukrainischer Regierungsvertreter, er sei mit dem Zugang durch die Iraner zufrieden. Er gehe davon aus, dass zwar nicht US-Hersteller Boeing, aber alle Länder Zugang zu den Daten der Blackbox bekommen würden, die von dem Unglück betroffen seien, sagte Oleksyi Danilov im schwedischen Sender TV4. 

Kein Zugang für Hersteller Boeing? Bergungsarbeiten am Absturzort

Auf jeden Fall wird die Offenlegung der Unglücksursachen und die Seriosität der Untersuchung für die EU zur Nagelprobe, wie weit sie mit Teheran wieder ins Gespräch kommen kann. Verweigert der Iran hier die Transparenz, wie Russland nach dem Abschuss des Fluges MH17 im Juli 2014, dürfte er noch vorhandene Fürsprecher und Unterstützer unter den Europäern verlieren.

Rückkehr zum Atomabkommen – aber wie?

Ziel vor allem Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands ist es weiter, Teheran zur Rückkehr zu  den Regeln aus dem Atomabkommen von 2015 zu bewegen. Die Europäer finden sich allerdings in der unbequemen Lage, zwischen einer US-Regierung, die sie nicht ernst nimmt, und einem iranischen Regime, das sich an die Wand gedrängt fühlt, moderieren zu müssen. 

Wie gefährlich aber ist die Abkehr Irans von dem Abkommen tatsächlich, das die nukleare Anreicherung im Land und damit die Fähigkeit zur Herstellung von Atomwaffen beschränken soll? Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian warnte, dass das Land innerhalb von ein bis zwei Jahren über atomare Waffen verfügen könne, wenn es den am Montag angekündigten Bruch mit den Pflichten aus dem Atomabkommen tatsächlich vollzieht. Bisher aber seien die Schritte noch umkehrbar, und die Inspektoren der Wiener Kontrollbehörde könnten weiter ins Land.

Bauarbeiten am iranischen Atomkraftwerk in Buschehr

Der lettische Außenminister Edgars Rinkevic meint, man solle die Absichtserklärung der Iraner genau lesen. “Ich glaube, sie lässt noch eine Menge Raum für diplomatische Bemühungen”, sagte er im Interview mit der DW. Man könne zwei Dinge tun: zum einen diplomatische Kontakte zwischen beiden Seiten ermöglichen, und zweitens die gegenwärtige Krise weiter zu deeskalieren und zu einem breiter angesetzten politischen Ansatz zu kommen versuchen. Er räumt aber auch ein, “ohne die USA ist es beinahe unmöglich, den Atom-Deal wieder zu beleben”. Und wie Donald Trump vom Nutzen geduldiger Diplomatie gegenüber bedenkenlosem Aktionismus überzeugt werden kann, weiß auch der US-freundliche Lette nicht.

Jedenfalls hieße ein wieder aufgelegter politischer Prozess mit Iran, dass neben der Rückkehr zum Atomabkommen auch das ballistische Raketensystem und die militärische Rolle des Landes im benachbarten Irak, in Syrien oder bei der Hisbollah zur Diskussion stehen würde. Man habe doch mitten im kalten Krieg 1975 das Helsinki-Abkommen abgeschlossen, sagt der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn, da müsse es jetzt doch möglich sein, die Akteure im Nahen Osten an den Tisch zu bekommen.

Krisenherd Libyen

Gleichzeitig laufen Bemühungen, unter anderem in Berlin und Rom, die immer weiter eskalierende Krise in Libyen zu entschärfen. Das Land drohe, “das zweite Syrien” zu werden, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas. Es gehe darum, mit den Drittstaaten zu reden, die in Libyen Einfluss nehmen und zu einem glaubwürdigen Waffenembargo und Waffenstillstand in Libyen zu kommen.

Wird Libyen “das zweite Syrien”? Bundesaußenminister Heiko Maas

Zuletzt hatte sich die Türkei militärisch und politisch auf die Seite des international anerkannten Regierungschefs Fajis al-Sarradsch geschlagen, während Russland und andere den Milizenführer General Haftar unterstützen, der zunehmend  Bodengewinne gegen die Regierungstruppen verzeichnen kann. Zuletzt hatten die Regierungen in Moskau und Ankara einen Waffenstillstand zum 12. Januar angekündigt, dessen Einhaltung aber zweifelhaft erscheint.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel will bei ihrem Besuch bei Präsident Putin am Wochenende über die Lage in Libyen sprechen und ihn zur Deeskalation auffordern. Berlin will in nächster Zeit mit einer Libyenkonferenz einen politischen Prozess anstoßen, der mittelfristig zu einer politischen Lösung unter UN-Aufsicht führen sollte. Bundesaußenminister Maas hat jetzt von EU-Chefdiplomat Josef Borell den Auftrag erhalten, stellvertretend für die Ministerrunde die politischen Versuche zur Lösung der Libyenkrise voran zu treiben.