Tierversuche: Fortschritt bei Alternativmethoden

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Tierschützer würden Versuche mit Tieren lieber heute als morgen abschaffen. Wissenschaftler verteidigen die Testmethode. Dabei gibt es bereits mehrere Alternativmethoden. Also doch abschaffen? So einfach ist es nicht.

Affen, die hilflos zappelnd gequält werden und blutüberströmte Hunde, die in viel zu kleinen Käfigen vor sich vegetieren – die Bilder aus einem Hamburger Labor lösten Bestürzung und Wut aus. Mehrere Tausend Menschen protestierten in Hamburg und forderten: Tierversuche endlich stoppen, und zwar jetzt.

Umstritten sind Tierversuche seit jeher. Für Wissenschaftler oft ein notwendiges Übel, für Tierschützer in jeglicher Form untragbar. In der Hoffnung, Tierversuche irgendwann überflüssig zu machen, forschen Wissenschaftler nach Alternativmethoden, zum Beispiel in der Toxikologie. Denn toxische Auswirkungen auf die Leber sind der häufigste Grund dafür, dass Studien mit neuen Wirkstoffen abgebrochen oder Medikamente vom Markt genommen werden.

Die Wirksamkeit dieser Medikamente wird immer noch häufig in Tierversuchen getestet. In Deutschland sind aktuell knapp 103.000 Medikamente auf dem Markt zugelassen. Zum Vergleich: Zurückgerufen wurden zwischen 1953 und 2013 nur knapp 460 Medikamente.

So sehr diese Zahlen für Tierversuche sprechen, ganz bewiesen ist deren Aussagekraftnicht. Denn es kommt nicht nur darauf an, ob eine Substanz toxisch für die Leber ist, sondern vor allem, ab welcher Konzentration und das ist mit Tierversuchen oft schwer vorhersagbar. 

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Wiebke Albrecht hat den Tierschutzforschungspreis für Laborlösungen bekommen, die Tierversuche ersetzen können.

Forschen, um Tierversuche zu minimieren

Besonders innovative Forschung zu Alternativmethoden fördert das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft mit dem Tierschutzforschungspreis. Der geht in diesem Jahr an Wiebke Albrecht vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfaDo). Sie hat eine bereits bestehende Methode entscheidend weiterentwickelt, mit der Forscher in Zukunft noch besser beurteilen können, wie gut Lebertoxizität von Substanzen in der Petrischale vorhergesagt werden kann. 

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Die Alternative für Tierversuche

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Die Alternative für Tierversuche

Bereits seit vier Jahren forscht sie in dem Bereich. 2019 schaffte sie endlich den Durchbruch. “In Zusammenarbeit mit Statistikern der TU Dortmund ist es uns gelungen, zwei Maßzahlen zu entwickeln, die Aufschluss darüber geben, wie gut die toxische Blutkonzentration in der Kulturschale abgeschätzt werden kann”, sagt Albrecht.

Dadurch konnte mittels mathematischer Methoden erstmals systematisch berechnet werden, welche der zahlreichen Daten die beste Unterscheidung zwischen lebertoxischen und nicht-toxischen Substanzen sowie die beste Abschätzung schädlicher Konzentration ermöglichen. Getestet wurde der natürlich vorkommende Aromastoff Pulegon, der zum Beispiel für die Herstellung von Parfüm genutzt wird.

Bundesministerin lobt zu optimistisch

Die neue Herangehensweise von Albrecht und ihrem Team wurde in Experimenten mit Erfolg belohnt: alle lebertoxischen Substanzen, die getestet wurden, wurden richtig erkannt. Das Besondere dabei: durch die Ergebnisse ihrer Studie konnte die Doktorandin nachweisen, dass die Konzentration in der Kulturschale auf die Dosis schließen lässt, die ein Mensch gefahrlos zu sich nehmen kann. “Wir sind mit unserem Testsystem auf ähnliche Aufnahmemengen gekommen, die bisher nur auf Basis von aufwendigen Fütterungsstudien an Tieren gewonnen werden”, sagt Albrecht.

Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz lobte Albrecht bei der Preisverleihung: “Mit ihrer zukunftsweisenden Forschung hat sie überzeugt: Das von ihr entwickelte Zellkulturverfahren, mit dem geprüft wird, ob Medikamente leberschädlich sein können, kann Tierversuche ersetzen.” Wünschenswert? Auf jeden Fall. Mit ihrem Lob schrammt die Bundesministerin dann aber doch etwas an der Realität vorbei. 

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Prof. Jan Hengstler sagt, es wird noch viele Jahre dauern, bis die Medizin auf Tierversuche verzichten kann.

“Wir gehen davon aus, dass es noch mindestens zehn Jahre dauern wird, bis Tierversuche in diesem Bereich nicht mehr nötig sein werden”, sagt Prof. Jan Hengstler, Leiter des IfADo und der Abteilung Toxikologie. “Aber wir sind zuversichtlich, dass Aussagen zur Toxizität dann komplett mit Hilfe von Kulturschalen und mathematischer Modellierung vorhersagbar sein werden.”

“Niemand macht gerne Tierversuche”

Um im Bereich der Toxikologie komplett auf Tierversuche verzichten zu können, müsste man in Albrechts Modell zusätzlich andere Organsysteme integrieren. Die Niere beispielsweise, das Nervensystem oder das Fortpflanzungssystem. Das Testsystem soll so zuverlässig werden, dass man nicht nur die ganz toxischen Substanzen testen kann, sondern alle. Deshalb überprüft Albrecht ihre Ergebnisse zurzeit mit mehr Stoffen.

Der Drang in der Gemeinschaft der Wissenschaftler, weiter an Alternativmethoden zu forschen, sei groß. “Ich denke, niemand macht gerne Tierversuche”, sagt Albrecht, “da spielen zum einen natürlich ethische Gründe eine Rolle. Aber man darf die Sache nicht illusioniert betrachten. Es geht auch um das Einsparen von Kosten und Zeit”, sagt die Doktorandin. Denn Tierversuche sind teuer und zeitaufwändig. Eine Maus kann bis zu 300 Euro kosten, außerdem müssen Futter und Personal bezahlt werden. 

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Tierversuche werden noch benötigt

Nicht nur in der Toxikologie forschen Wissenschaftler an Alternativmethoden. “Studien zu natürlich vorkommenden Krankheiten beim Menschen, ausgefeilte Tests mit menschlichen Zellen und fortschrittliche Computermodellierungstechniken sind oft kostengünstiger, effektiver und weitaus humaner”, sagt der Ökotoxikologe Dr. Christopher Faßbender, der als wissenschaftlicher Berater für die Tierschutzorganisation PETA Deutschland aktiv ist. 

Im Jahr 2017 wurden knapp 2,8 Millionen Tiere für Experimente herangezogen. Warum ist das noch nötig, wenn es doch Alternativen gibt? Weil eine plakative Forderung wie “Tierversuche jetzt stoppen” aus Sicht der Wissenschaft einfach nicht realistisch ist.

“Am sichersten ist es aktuell noch, wenn man Tierversuche und Alternativmethoden in der Forschung kombiniert. Denn jedes System für sich allein hat seine Lücken”, sagt Hengstler. Würde man nur auf die Alternativmethoden zurückgreifen, dann würde man vielleicht etwas übersehen. Dann kämen diese in Verruf und der gegenteilige Effekt würde eintreten.

Gute Alternativen gibt es bereits

PETA kritisiert zudem die ungleiche Verteilung von Fördergeldern. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat im Jahr 2019 einen Etat von 18,3 Milliarden Euro. In die Forschung an Alternativmethoden werden jährlich knapp 4,5 Millionen Euro investiert. “Wenn die Finanzen weg von Tierversuchen verlagert werden, sehen wir große Veränderungen. Die rapide Entwicklung von Alternativmethoden nach dem Verbot von Tierversuchen für Kosmetik in der EU kann sich auch in anderen Bereichen wiederholen und eine Revolution hochmoderner tierfreier Methoden anstoßen”, sagt Faßbender.

Die Revolution zeigt sich bereits nicht nur in der Toxikologie, sondern zum Beispiel auch in der Hirnforschung und bei Allergietests. Aber ob die Wissenschaft je ganz auf Tierversuche verzichten möchte und kann, wird sich in den kommenden Jahren zeigen, wenn die Alternativmethoden so ausgereift sind, dass sie den Tierversuch wirklich überflüssig machen. 

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