VW startet in die elektrische Zukunft

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Volkswagen macht ernst in Sachen Elektromobilität. Im sächsischen Zwickau gab der Konzern den Startschuss für die Produktion seines Elektroautos namens ID.3. Aus Zwickau Henrik Böhme.

Die sächsische Stadt Zwickau, 90 Kilometer südlich von Leipzig gelegen, hat eine lange Tradition im Automobilbau, genauer: Seit 115 Jahren werden hier Autos gebaut. Das fängt an mit August Horch im Jahr 1904, der fünf Jahre später den ersten Audi auf den Markt gebracht hat. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird in den Sachsenring-Werken der Trabant gebaut, jenes legendäre Plastik-Auto der DDR. 1991 ist hier nach über drei Millionen Exemplaren Schluss, aber kurz zuvor hatte Volkswagen bereits den Grundstein für ein neues Werk gelegt. Über sechs Millionen Autos verschiedener VW-Marken verließen seither die Produktionshallen.   

Und nun wieder ein kompletter Neuanfang: Vor zwei Jahren beschlossen die Wolfsburger, den Standort Zwickau komplett umzukrempeln, um dort keine Verbrenner mehr, sondern nur noch Elektroautos zu bauen. “Das war erstmal ein Schock”, sagt ein VW-Mitarbeiter, “aber mittlerweile hat uns die Begeisterung gepackt.” An diesem November-Montag ist es soweit. Großer Promi-Auflauf in dem Werk vor den Toren Zwickaus. Die Bundeskanzlerin gibt sich die Ehre, der VW-Chef ist gekommen, Sachsens Ministerpräsident. Aber vor allem: Viele Mitarbeiter sind dabei, als das erste Serienmodell des ID.3 auf die Bühne rollt.

Der letzte Trabant aus Zwickau – am 30. April 1991 war Schluss

Branche vor “Systemwechsel”

“Wir stehen vor einem Systemwechsel zur Elektromobilität”, zeichnet Konzernchef Herbert Diess die ganz große Linie. Und: “Es ist keine Frage mehr, ob sich das Elektroauto durchsetzt. Sondern wie schnell und in welcher Region der Welt zuerst.” VW hat spät angefangen, das Thema E-Mobilität ernsthaft in die Hand zu nehmen, und es ist wohl so, dass der Dieselskandal eine Art Katalysator der Entwicklung war. In Zwickau nun legt VW einen Kraftakt hin. Mit 1,2 Milliarden Euro wird das Werk seit zwei Jahren komplett auf Elektromobilität umgebaut. Die erste Ausbaustufe ist jetzt fertig, ab 2021 sollen hier dann 330.000 E-Autos verschiedener VW-Marken von den Bändern laufen. Das alles möglichst klimaneutral.

Mai 1990: Hinten laufen noch Trabant über die Bänder, vorne präsentieren Mitarbeiter in Zwickau stolz den ersten von ihnen gebauten VW-Polo

Der Umbau einer Autofabrik bei laufendem Betrieb ist eine riesige Herausforderung, aber logistisch sicher machbar. Das größere Problem bei einem solchen Technologiesprung: Wie nimmt man die Mitarbeiter mit in die Zukunft? 8000 Menschen arbeiten im Zwickauer Werk, und es ist schon ein Unterschied, einen Golf oder eben einen ID.3 zusammenzubauen. Rund ein Viertel weniger Arbeitsleistung sind dafür nötig. Zudem wurde der Automatisierungsgrad an der neuen Produktionslinie weiter erhöht, rund 1700 Roboter werkeln da mittlerweile. Beim Karosseriebau eines VW Golf beispielsweise stehen 25 Mitarbeiter an der Anlage, beim E-Auto sind es nur noch neun. Niemand muss mehr eine Tür heranfahren und einbauen, das macht Kollege Roboter. Auch den komplizierten und anstrengenden Einbau des sogenannten Himmels (die Dachinnenverkleidung) übernimmt er.

Zwickau als Blaupause für weiterer E-Werke

Also haben sie in Zwickau ein riesiges Qualifizierungsprogramm gestartet, dass jeder Mitarbeiter durchlaufen muss. Da ging es um technische Dinge wie zum Beispiel die Arbeit mit großen Stromstärken, aber genauso auch um die Motivation der Belegschaft. Das Problem dabei: Es gab bislang im Konzern keine Trainingsunterlagen für die Umstellung auf Elektromobilität.

All das musste unter hohem Zeitdruck erst entwickelt werden. Aber nun kann der gesamte Umbauprozess in Zwickau als Blaupause dienen – nämlich für die anderen Standorte, die VW umrüsten will, die Werke in Emden und Hannover, aber auch in China und den USA. Doch die Bundeskanzlerin ist sich sicher: “Den Sachsen traue ich das zu, dass sie das hinkriegen”, so Angela Merkel mit Verweis auf ihre ostdeutsche Vergangenheit.

Das haben sich die Mitarbeiter ausgedacht: Ein Werbebanner an einem Gebäude des VW-Werks in Zwickau

Aber auch die Kanzlerin weiß, dass es mehr braucht als warme Worte, damit die Menschen die elektrischen Autos auch kaufen. Zum Beispiel ausreichend Ladesäulen. Bis 2030 soll es eine Million öffentliche Ladepunkte im Land geben, darüber unter anderem will sie am Montagabend im Kanzleramt mit den Autobossen sprechen, aber auch mit Zulieferfirmen, die von diesem Strukturwandel noch stärker betroffen sind als die Autobauer selbst.

Offen bleibt freilich, was solche Versprechen wert sind: Denn schließlich war es dieselbe Kanzlerin, die einst verkündet hatte, bis 2020 sollten eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen rollen. Die Realität sieht anders aus: Gerade 48.000 E-Autos werden in diesem Jahr in Deutschland zugelassen, immerhin knapp 11.000 mehr als im Jahr davor. Auch um weitere Kaufanreize soll es deswegen beim Autogipfel gehen. 

Zurück nach Zwickau. Nach dem Ende des offiziellen Festaktes sah man viele Mitarbeiter auf der Bühne neben “ihren” Autos stehen oder drinsitzen. Und wenn nicht alles täuscht, waren sie ziemlich stolz auf das, was sie da geschafft haben. “E-Mobilität aus Sachen – Tradition trifft Zukunft” steht überall an den Werkhallen und draußen am Eingang zur Fabrik. Ausgedacht hat sich das nicht die Marketing-Abteilung von VW. Es ist das Ergebnis eines Mitarbeiter-Wettbewerbs. Könnte gut sein, dass der langen Zwickauer Auto-Tradition gerade ein neues, erfolgreiches Kapitel hinzugefügt wird. Rückschläge nicht ausgeschlossen. Auch August Horch war nicht auf Anhieb erfolgreich. Aus seinem ersten Unternehmen in Zwickau wurde er von den Aktionären rausgeschmissen. Erst Versuch Nummer zwei war erfolgreich – Audi ist seit 1965 eine Tochter des VW-Konzerns. 


  • Wie umweltfreundlich ist Elektromobilität?

    Sommerzeit, Fahrradzeit…

    … das war bis vor kurzem noch selbstverständlich. Wer draußen unterwegs sein wollte, stieg auf den Drahtesel. Aber mittlerweile gibt es auch viele Elektroalternativen, die weniger körperlichen Einsatz erfordern. Aber E-Bikes und E-Scooter sind nicht so umweltfreundlich wie man auf den ersten Blick denkt – und haben auch noch andere Nachteile.


  • Wie umweltfreundlich ist Elektromobilität?

    Klassiker mit Sicherheitsrisiko

    Das E-Bike, sozusagen ein Fahrrad mit Antriebshilfe, ist wohl die bekannteste Elektro-Alternative zum normalen Rad. Die Batterie lässt den Radler schneller fahren und hilft zum Beispiel, wenn’s bergauf geht. Ein Problem dabei: Durch die Erleichterungen steigen mehr ältere Menschen aufs Fahrrad, die nicht mehr sicher im Straßenverkehr sind. Die Folge: Mehr Unfälle.


  • Wie umweltfreundlich ist Elektromobilität?

    Die Batterie

    Ein weiterer Nachteil von E-Bikes: Die Batterien, deren Produktion eine Menge natürlicher Ressourcen verbraucht. Die allermeisten E-Bikes haben heute Akkus auf Lithium-Basis. Die Gewinnung des Metalls aus Lithium Minen ist schwierig – und einen endlosen Vorrat gibt es auch nicht. 2018 wurde der weltweite Vorrat auf noch 53,8 Millionen Tonnen geschätzt.


  • Wie umweltfreundlich ist Elektromobilität?

    Wachsender Energiebedarf

    Im Gegensatz zu Autos stoßen die Elektro-Fortbewegungsmittel zwar keine schädlichen Abgase aus. Aber: Die Akkus der E-Bikes müssen regelmäßig aufgeladen werden. Das gilt natürlich auch für E-Scooter, E-Skateboards, Monowheels, Hoverboards. Der Strombedarf wächst, und wird nicht nur mit erneuerbaren Energien gedeckt.


  • Wie umweltfreundlich ist Elektromobilität?

    Neue Ideen – und immer höhere Nachfrage

    Perspektivisch wird sich die Anzahl der aufzuladenden Akkus weiter erhöhen. Schließlich lassen sich Entwickler immer verrücktere Transportmittel einfallen. Neben regulären Elektrorädern gibt es mittlerweile auch verschiedene Elektro-Einräder. Und wer es mit Radeln nicht so hat, legt sich vielleicht stattdessen ein Hoverboard zu, inspiriert vom Filmklassiker “Zurück in die Zukunft II”.


  • Wie umweltfreundlich ist Elektromobilität?

    Roller für die letzte Meile

    E-Scooter sehen fast aus wie die Tretroller aus unserer Kindheit, funktionieren aber nicht nur mit Fuß-, sondern zusätzlich noch mit Elektroantrieb. Das ist zwar umweltfreundlicher als ein Verbrennungsmotor. Aber für viele Nutzer ersetzt so ein “Last Mile Scooter” Bus oder Auto nicht komplett. Sie fahren damit nur das letzte Stück (“last mile”) ins Büro, von der Haltestelle oder vom Parkplatz.


  • Wie umweltfreundlich ist Elektromobilität?

    Eine Frage der Zulassung

    Wer so wie dieser Herr auf einem E-Scooter durch die Straßen saust, macht sich in Deutschland bislang strafbar. Wegen ihres Antriebs galten die Roller bisher als Kraftfahrzeuge, für die bestimmte Zulassungen erforderlich sind. Aber ab Sommer 2019 soll die Nutzung von E-Scootern mit einer Maximalgeschwindigkeit von bis zu 20 km/h auf Radwegen erlaubt sein. In den USA ist das schon länger der Fall.

    Autorin/Autor: Carla Bleiker