Die Nachwuchssorgen der Freiwilligen Feuerwehr

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Die Freiwillige Feuerwehr in Deutschland findet kaum noch Nachwuchs – dabei machen die Ehrenamtlichen 95 Prozent aller Feuerwehrleute aus. Ohne sie könnten Waldbrände künftig vermehrt außer Kontrolle geraten.

Tobias Schaarschmidt ist seit seiner Kindheit bei der Freiwilligen Feuerwehr. Mit zwölf Jahren trat er in die Jugendfeuerwehr ein, mit 16 durfte er dann zu den Erwachsenen, seit 2013 ist er Wehrführer. Aber Menschen wie Schaarschmidt werden rarer in Deutschland. Denn mit der Alterung der Gesellschaft schrumpfen auch die Freiwilligen Feuerwehren. 22.000 gibt es noch in Deutschland, aber der Deutsche Feuerwehrverband (DFV) beobachtet seit Jahren, dass die Zahlen sinken. Im Jahr 2000 dienten fast 1.1 Millionen Menschen freiwillig bei der Feuerwehr, 16 Jahre später lag diese Zahl nur noch bei 995.000.

Feuerwehr-Chef Tobias Schaarschmidt investiert viel freie Zeit in der Freiwilligen Feuerwehr in Sankt Katharinen

Diese Zahlen wären bloße Randnotizen, wenn die Freiwillige Feuerwehr lediglich ein Hobby engagierter Bürger wäre, die Zeit mit ihren Nachbarn verbringen und dabei in Form bleiben wollen. Aber die Ehrenamtlichen sind unverzichtbar, in großen Städten genauso wie in kleineren Gemeinden. “Eine Berufsfeuerwehr kommt eigentlich nicht mehr ohne Freiwillige aus. Das Tagesgeschäft bekommt sie irgendwie abgedeckt. Aber wenn sie größere Schadenslagen haben, wie etwa bei Starkregen, das bekommen sie nicht mehr hin”, sagt Schaarschmidt. Seine Freiwillige Feuerwehr ist in dem Ort Sankt Katharinen aktiv, rund 35 Kilometer südöstlich von Bonn.

Nur in Österreich gibt es ein vergleichbares Netz aus Freiwilligen Feuerwehren wie in Deutschland. “Das ist ein Schatz, den wir in Deutschland haben, den man sehr leicht wie selbstverständlich hinnimmt”, sagt Carsten-Michael Pix, Referent beim DFV. “In Deutschland haben Sie in jedem kleinen Ort eine Freiwillige Feuerwehr. Die kann alleine nicht viel machen, aber die Summe der vielen kleinen Feuerwehren ist sowohl sozial-gesellschaftlich als auch für die eigentlichen Feuerwehr-Aufgaben ein ganz großer Schatz.” Tatsächlich habe, betont Pix, Deutschland bisher keinen Waldbrand erlebt, der vollkommen außer Kontrolle geraten sei. Das sei auch der Verdienst der Freiwilligen Feuerwehr: Sogar in den ländlichsten Gebieten Deutschlands gebe es Feuerwehrleute in der Nähe.

Wenn irgendwo etwas passiert, ist die Freiwillige Feuerwehr meist nicht weit entfernt

Die Zeiten ändern sich

Es wird allerdings zunehmend schwer, geeigneten Nachwuchs zu finden. Altgediente Feuerwehrleute erreichen das Rentenalter und geben ihren Dienst auf. Einige Feuerwehren müssen sogar schließen. Dieses Schicksal ereilte die Freiwillige Feuerwehr Stolzenfels in Koblenz, aktiv seit 1925, geschlossen seit Silvester 2018.

“Die Freiwillige Feuerwehr ist letztendlich auch nur ein Spiegel der Gesellschaft. Die deutsche Gesellschaft schrumpft und hat mit den gleichen Problemen wie wir zu kämpfen”, sagt Pix. “Ein anderes Problem ist, dass die Interessen sich in den letzten 50 Jahren verändert haben; mittlerweile sind sie doch sehr individuell. Diese Vereinskultur – und die Feuerwehr ist letztlich auch ein Verein – das hat nicht mehr so den Zulauf. Die Menschen wollen sich nicht mehr lange binden an einen Verein, an eine Aufgabe.”

Auch in größeren Städten fehlen zunehmend die Freiwilligen beim Feuerlöschen

Die Freiwilligen fehlen vor allem in weniger dicht besiedelten Gegenden, in denen Jobs rar sind und junge Menschen wegziehen. Aber das Problem existiert auch in den großen Städten. Dort nähmen die Menschen an, dass alle Feuerwehrleute hauptberuflich arbeiteten, sagt Frank Hachemer, Vizepräsident des DFV und Präsident beim Landesfeuerwehrverband Rheinland-Pfalz. Städte mit mehr als 90.000 Einwohnern sind zwar verpflichtet, eine Berufsfeuerwehr zu unterhalten, allerdings verfügen alle zusätzlich noch über eine Freiwillige Feuerwehr. Mit ihnen arbeiten die 31.000 bezahlten Feuerwehrleute regelmäßig zusammen. Ausbildung, Ausstattung und Fachwissen sind vergleichbar. Es gibt Standards, die alle – bezahlt oder nicht – einhalten müssen.

Die Helden der Gemeinde

An diesem Abend ist bei der Feuerwehr des 39-jährigen Brandmeisters Schaarschmidt ein Gutachter des Landkreises zu Besuch. Er überprüft die Feuerwehrleute – darunter ist auch eine Frau. An einer kopflosen Puppe demonstrieren die Freiwilligen eine Rettung und müssen imaginäre Chemiebrände löschen, ohne gefährliche Fehler zu begehen. Schaarschmidts Einheit besteht aus 34 Freiwilligen, wobei es mindestens 28, maximal 40 Personen sein dürfen. Es ist eine von neun Feuerwehren in der Kommune, die 65 Quadratkilometer Fläche rund um den Rhein abdeckt.

“Tagsüber finden Sie hier in der Wache eigentlich keinen”, sagt Schaarschmidt. Anders als eine Berufsfeuerwehr ist die Wache der Freiwilligen Feuerwehr unbesetzt. Die Feuerwehrleute bekommen im Ernstfall von der Leitstelle eine Nachricht auf ihren Pieper, außer denen, die außerhalb der Reichweite des Senders wohnen – die erhalten eine SMS. Dann lassen die Freiwilligen Feuerwehrleute alles liegen und eilen zum Einsatz. Im letzten Jahr ist Schaarschmidts Truppe in 65 Fällen aktiv geworden, im Durchschnitt sind es 60 Einsätze pro Jahr.

Professionelle und Freiwillige Feuerwehrleute müssen den selben Standards genügen

Sich in der Freiwilligen Feuerwehr zu engagieren, ist eine erhebliche Verpflichtung – ohne Bezahlung. Die Feuerwehr in Sankt Katharinen trifft sich zweimal wöchentlich abends, um zu trainieren. Körperliche Fitness ist ein Muss. Allein die Atemgeräte der Feuerwehrleute, die gegen Rausch schützen, können bis zu 15 Kilogramm schwer sein. Regelmäßig wird die Fitness der Freiwilligen geprüft.

Neue Mitglieder lernen an vier Wochenenden die Grundlagen. Inzwischen hat sich aber die Arbeit der Freiwilligen Feuerwehr so weit entwickelt, dass die meisten im Laufe der Zeit an weiteren Lehrgängen teilnehmen, um den Umgang mit einem Beatmungsgerät oder einem Schutzanzug zu erlernen oder eine Sprechfunkausbildung zu machen.

Eine ungewöhnliche Idee

Die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr in Sankt Katharinen stammen oft aus Feuerwehrfamilien – schon ihre Eltern und Großeltern waren in der Feuerwehr aktiv. Viele haben, wie Schaarschmidt, in ihrer Jugend den Weg in die Wache gefunden. Allerdings gibt es laut Schaarschmidt unter den neuen Mitgliedern einige Zugezogene. An wenigen anderen Orten kommt man so schnell in einer neuen Gemeinschaft an, wie bei der Freiwilligen Feuerwehr.

Darauf baut Frank Hachemeyer vom DFV. Er hofft, mit den Neuankömmlingen die Freiwillige Feuerwehr für die Zukunft zu wappnen. Und er hat noch einen anderen Plan: Hachemeyer will die Freiwilligen Feuerwehren von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklären lassen. Er sagt, der Deutsche Feuerwehrverband ziehe das ernsthaft in Erwägung.