Autonome Autos: Wann sind wir nur noch Mitfahrer?

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Seit Jahren sprechen wir über autonome, selbstfahrende Fahrzeuge. Auf den Straßen sehen wir sie nicht. Doch nur Geduld, es tut sich etwas. Eine Prognose.

Wir befinden uns – gelinde gesagt – in einem kleinen Verkehrschaos. Und damit meinen wir nicht den hoffentlich ausbleibenden Stau im Feierabendverkehr, sondern die Mobilität der Zukunft: Carsharing, Elektoautos und autonomes Fahren sind derzeit wohl die größten Baustellen der Automobilbranche bzw. der Verkehrspolitik. Sie alle sollen einmal dabei helfen, den Verkehr möglichst sicher, umweltfreundlich und staufrei fließen zu lassen.

In puncto Carsharing funktioniert das schon ganz gut. Die Zahl der Kunden in Deutschland ist im Verlauf des vergangenen Jahres auf 2,46 Millionen angestiegen, heißt es vom Bundesverband Carsharing (bcs), ein Plus von fast 17 Prozent. Und auch Elektroautos summen allmählich häufiger über die deutschen Straßen. Laut Kraftfahrt-Bundesamt verzeichneten sowohl Elektro- als auch Hybridfahrzeuge zu Jahresbeginn einen “erheblichen Zuwachs”. 

Der Traum vom fahrerlosen Fahren 

Was dagegen immer noch wie Zukunftsmusik klingt: autonome, selbstfahrende Autos, die – wenn nötig – ganz allein über die Straßen rollen. Doch dies ist eben auch kein technologischer Fortschritt, der über Nacht passiert.

Auch wenn hier nicht täglich Weiterentwicklungen verkündet werden, steht das autonome Fahren noch immer weit oben auf der Agenda der Automobilhersteller. Dies zeigte jüngst der Zusammenschluss von VW und Ford, genauso wie das Joint-Venture von Daimler und BMW, die sich Anfang 2019 für die gemeinsame Entwicklung computergesteuerter Autos entschieden haben. 

Doch nicht nur Autobauer, auch Suchmaschinen-Konzerne wie Google, Mobilfunkunternehmen und diverse Startups tüfteln am autonomen Auto. Das schwedische Start-up Einride zum Beispiel schickte in diesem Jahr als erstes einen vollautonomen Elektro-Lkw auf die Straße.

T-Pod heißt der Elektrolastwagen, der zwischen zwei Lagerhallen der Spedition DB Schenker in Jönköping hin und her pendelt, um Waren auszuliefern. Fahrerlos, und gleich ganz ohne Führerhäuschen. Die Genehmigung erhielt der Elektrolastwagen im März 2019 von der schwedischen Verkehrsbehörde. Diese kam nach ihrer Prüfung zum Ergebnis, dass der T-Pod in der Lage sei, in Übereinstimmung mit den schwedischen Verkehrsregeln zu fahren. Seitdem nutzt der autonome Lkw auch eine öffentliche Straße im Industriegebiet.

Auf die Straße dürfen autonome Fahrzeuge noch nicht, es sei denn, es gibt eine Sondergenehmigung, wie bei diesem Testfeld in Karlsruhe

Doch auch wenn T-Pod seinen Job bislang fehlerlos macht, ist der autonome Lkw noch ein Pilotprojekt. Seine Straßenzulassung ist bis Ende 2020 befristet.

Autonomes Fahren: Wo stehen wir heute?

Technologisch ist die Industrie beim autonomen Fahren angekommen, Testfahrzeuge sind schon weltweit unterwegs. Dass die selbstfahrenden Autos ohne Sondergenehmigungen auf den Straßen unterwegs sind, ist derzeit allerdings noch undenkbar.

Seit 2017 ist jedoch in Deutschland das “hochautomatisierte Fahren” zugelassen, kurz HAF oder “pilotiertes Fahren”.

Dieser Schritt entspricht dem dritten Level auf dem Weg zum vollautomatisierten Auto. Die Autoindustrie bzw. die Society of Automotive Engineers (kurz: SAE, deutsch “Verband der Automobilingenieure”) hat sich bei der Entwicklung des Autonomen Fahrens auf ein fünfstufiges System geeinigt (s. Infografik).

Jede Stufe bzw. jedes Level steht dabei für einen unterschiedlichen Automatisierungsgrad, also für den Umfang, in dem das Fahrzeug die Aufgaben des Fahrers übernehmen kann.

Die dritte Stufe bedeutet, dass das Auto die Fahrt schon fast komplett übernimmt, die Verantwortung aber beim Fahrer bleibt. Das heißt, er muss zu jeder Situation eingreifen können. Aber: Sobald der Fahrer seinen Pkw in den hochautomatisierten Modus versetzt, darf er seine Aufmerksamkeit vom Straßenverkehr abwenden. Er könnte etwa Zeitung lesen oder sich den Kindern auf der Rückbank zuwenden.

Das Fahrzeug ist ausreichend intelligent, Alltagssituationen allein zu bewältigen – Lenken, Bremsen und Warnungen bei kritischen Situationen inbegriffen. Dennoch ist das System so ausgelegt, dass der Fahrer den Systemwunsch jederzeit überstimmen kann. Level 3 ist insbesondere für den Einsatz auf Autobahnen vorgesehen. 

Automatisierung: Level 3 rollt an

Fahrzeuge mit diesem Automatisierungsgrad sind indes noch nicht auf den Straßen zu sehen. Theoretisch erfüllt der Stauassistent im Audi A8 von 2018 die Anforderungen, da er im Stau und auf der Autobahn den Wagen ohne Unterstützung des Fahrers bis zu einer Geschwindigkeit von 60 km/h steuert, diese Funktion ist allerdings noch nicht zugelassen.

Die Einführung des Staupiloten “erfordert für jedes einzelne Land neben der Klarheit über die gesetzlichen Rahmenbedingungen auch spezifische Anpassung und Erprobung des Systems”, heißt es von Audi. Darüber hinaus gibt es weltweit unterschiedliche Zulassungsverfahren und ihre Fristen zu beachten. Deshalb werde der Staupilot Schritt für Schritt je nach Gesetzeslage im jeweiligen Land in Serie gebracht.

Und der Rest? Mercedes-Benz plant seine Level 3-Vorstellung im kommenden Jahr. BMW will 2021 aufschließen, Ford und Volvo wollen dann sogar mit Level 4-Autonomie auftrumpfen. 

Die größten Herausforderungen

Doch wann fahren wir denn nun autonom? Die Komplexität dieser Frage werde oftmals sehr verkürzt dargestellt, schreibt das Prognos-Forschungsinstitut in der Studie “Einführung von Automatisierungsfunktionen in der Pkw-Flotte: Auswirkungen auf Bestand und Sicherheit”. Seriöse Aussagen dazu seien nur unter Beachtung diverser Rahmenannahmen möglich. 

Die Forscher haben in ihrer Untersuchung zum autonomen Fahren vier Haupthemmnisse identifiziert: Rechtliche Aspekte, technologische Reife, Trägheit der Flotte und Infrastrukturausbau.

Diesen sind eine ganze Reihe von Faktoren untergeordnet, wie die aktuelle nationale und auch internationale Rechtslage, Erneuerungszyklen von Technologien, Datennetze, Überwachung und nicht zuletzt ethische Fragen. Insbesondere auf die wird es vermutlich nie korrekte Antworten geben. In 2018 hatten Wissenschaftler des Massachusetts Institute of Technology (MIT) einen ersten Versuch gewagt und mit ihrer Moral Machine für Diskussionen gesorgt.

Das Online-Spiel des MIT stellt die Probanden vor unterschiedliche Verkehrssituationen, wo sie entscheiden müssen

Fragen über Fragen

Die Forscher haben Probanden in einem Online-Spiel mit unterschiedlichen Situationen konfrontiert. Sie mussten sich für den in ihren Augen vertretbaren Unfallschaden entscheiden: Überfahre ich den Rentner, der bei Rot die Straße überquert, oder fahre ich gegen die Betonwand, die die Insassen meines Autos, inklusive Kinder gefährdet? 

Die Mehrheit der Befragten würde lieber Kinder verschonen als ältere Menschen. Und die meisten würden – vor die Wahl gestellt – eher Tiere überfahren als Menschen. 

Mit den Daten versuchten die Forscher des MIT herauszufinden, nach welchen ethischen Vorstellungen selbstfahrende Autos in Zukunft programmiert werden könnten. Doch bislang gibt es hierfür keine Lösung, lediglich das moralische Dilemma.

Prognose: halb voll oder halb leer

Bei den Prognos-Forschern dagegen gibt es ein Ergebnis, wenn auch ein sehr vages. In ihrer Studie zum autonomen Fahren schlussfolgern sie, dass sich automatisiertes Fahren nur langsam durchsetzen wird – das mag keinen überraschen.

“Im Jahr 2050 wird bereits etwa die Hälfte der Fahrzeuge über eine Automatisierungsfunktion verfügen. In den meisten Fällen wird diese jedoch nur auf Autobahnen nutzbar sein”, heißt es. Während auf Autobahnen schon gut 40 Prozent der Fahrleistung automatisiert erbracht werden könnte, seien es auf Landstraßen noch weniger als vier Prozent.

Prognos liefert gleich zwei Einschätzungen, eine pessimistische, eine optimistische. Bestenfalls steigt dabei der Anteil von Neufahrzeugen, bei denen sich der Fahrer auf allen Autobahnen komplett von der Fahraufgabe abwenden kann, von 2,4 Prozent im Jahr 2020 auf 70 Prozent im Jahr 2050.

Ab 2030 würden dann Pkw mit City-Piloten – also der Fähigkeit, sowohl auf der Autobahn als auch in der Stadt allein zu fahren – allmählich auf den Straßen auftauchen. Und nach 2040 werden in größerer Zahl Autos angeboten, die völlig autonom von Tür zu Tür kommen, also auch auf Landstraßen keinen Fahrer mehr benötigen.

“Eine signifikante Durchdringung mit Fahrzeugen, die im gesamten Netz automatisiert fahren können, ist erst nach 2050 zu erwarten”, prognostizieren die Forscher.

Also, wie gesagt: Geduld, es tut sich was.   


  • Das Auto denkt, das Auto lenkt

    Reise vom Silicon Valley nach Las Vegas

    Dieser Audi A7 ist voller Sensoren. Anfang 2015 fuhr das Auto selbständig den kompletten Weg vom Silicon Valley zur Technikmesse CES in Lag Vegas. 900 Kilometer lang war der Road-Trip über den Highway. Der Steuermann war nur für den Notfall an Bord – eingreifen musste er bei dieser Fahrt nicht.


  • Das Auto denkt, das Auto lenkt

    Richtig gemütlich!

    Dieser Prototyp von Mercedes Benz trägt den Namen F015 und zeigt in allen Konequenzen, wie ein autonomes Auto aussehen könnte: Ein Fahrersitz ist überflüssig. Stattdessen können sich alle Insassen während der Fahrt anschauen und gemütlich unterhalten. Auch dieses Forschungsfahrzeug wurde in Silicon Valley entwickelt. Seine Maximalgeschwindigkeit liegt zurzeit bei 200 km/h.


  • Das Auto denkt, das Auto lenkt

    Nichts für ungeduldige Typen

    Eigentlich sind autonome Fahrzeuge sehr sicher. Sie sind so programmiert, dass sie im Zweifelsfall eher die Fahrt verlangsamen. Sie halten definitiv den vorgegebenen Sicherheitsabstand ein und gefährden andere Verkehrsteilnehmer nicht durch aggressive Fahrmanöver, wie etwa dieser Raser.


  • Das Auto denkt, das Auto lenkt

    Gemütlich immer hinterher

    Diese beiden autonomen Wagen der Universität der Bundeswehr in München machen es vor: Ganz entspannt fährt ein Wagen vorneweg, der andere folgt ganz treu, immer hinterher. Sie finden ihren Weg sogar in unbefestigtem Gelände auf Wegen, die sie vorher nicht kannten. Das zeigt eine Übung auf dem ELROB Roboterwettbewerb 2012.


  • Das Auto denkt, das Auto lenkt

    Das wäre nicht nötig gewesen

    Zu solchen Massenkarambolagen kommt es, wenn Menschen zu schnell fahren, schlechte Sicht haben und nicht genügend Sicherheitsabstand einhalten. Klug gebaute Roboter-Autos würden solche Fehler nicht machen. Wären viele von ihnen vernetzt, könnten sie sogar schon Kilometer vorher Signale an nachfolgende Autos schicken: Vorsicht Stau!


  • Das Auto denkt, das Auto lenkt

    Sensoren für alle Gefahren-Typen

    Roboter-Autos können unterschiedliche Augen nutzen, um ihre Umwelt zu erkennen. Ein von Google entwickeltes autonomes Auto nutzt zum Beispiel solch einen Lasersensor. Der dreht sich und tastet dabei seine Umgebung mit einem Laserstrahl dreidimensional ab.


  • Das Auto denkt, das Auto lenkt

    Die echte Welt aus Laser-Sicht

    Und so sieht das dann aus: Der Wagen der Universität der Bundeswehr fährt durch unwegsames Gelände. Der Laser entwirft eine dreidimensionale Karte, die er in den Computer einfüttert. So kann man sogar die Perspektive eines Außenstehenden einnehmen und dem Wagen bei seiner Entdeckungsfahrt zuschauen.


  • Das Auto denkt, das Auto lenkt

    Orientierung per Satellit, Radar und Auge

    Roboter können sich auch mit vielen anderen Mitteln im Feld orientieren. Zum Beispiel mit optischen Augen – wie dieser handelsüblichen USB-Kamera – oder kleinen Radar-Sensoren. Auch die Positionsbestimmung per Satellit ist für Autos wichtig – über GPS-Daten.


  • Das Auto denkt, das Auto lenkt

    Sehende Autos – Zukunftstechnologie aus Deutschland

    Mit optischen Kameras arbeiten auch Forscher bei Daimler. Für die Erfindung sehender Autos wurden sie 2011 für den Deutschen Zukunftspreis nominiert. Diese Kamera ist hinter der Windschutzscheibe eines Mittelklassewagens montiert. Aufmerksam verfolgt sie, was sich auf der Straße abspielt.


  • Das Auto denkt, das Auto lenkt

    Aus Bildpunkten wird Bewegung

    Die optische Kamera erkennt zunächst tausende Bildpunkte – eine sogenannte Punktewolke. Aus der Bewegung einzelner Bildpunkte errechnet sie Vektoren – also Bewegungspfeile. Verschiedene Vektoren sind unterschiedlich lang. Daraus entwirft der Bordcomputer ein komplexes Bewegungsbild des Verkehrs vor und neben dem Auto.


  • Das Auto denkt, das Auto lenkt

    Abbremsen oder ausweichen?

    Indem der Bordcomputer die Vektoren herausfiltert, die bei der Fahrtgeschwindigkeit des Autos ungewöhnlich verlaufen, kann er Gefahren erkennen: Ein Fußgänger läuft von rechts vor das Auto und wird orange markiert. Im Hintergrund entfernt sich ein anderes Auto. Die Bewegungspunkte sind grün – keine Gefahr. So kann der Wagen reagieren, falls der Fahrer unaufmerksam ist.


  • Das Auto denkt, das Auto lenkt

    Wer entscheidet – Computer oder Mensch?

    Die Technik wäre also so weit. Aber die Frage, ob Roboter autonom auf den Verkehr losgelassen werden sollen, stellt Politiker und Juristen vor schwierige ethische Fragen: Wer trägt die Verantwortung, wenn ein Roboterauto einen Unfall baut: Hersteller, Software-Programmierer, Eigentümer oder Fahrzeugführer? Und wie sieht es außerhalb des normalen Straßenverkehrs aus?


  • Das Auto denkt, das Auto lenkt

    Wenn es für Menschen zu gefährlich wird

    Zum Beispiel im Kriegseinsatz – wenn man Material von einem Ort zum anderen transportieren will. Oder nach einem Chemie- oder Nuklearunfall, wenn das kontaminierte Gebiet für Menschen zu gefährlich ist. Dafür bauen Entwickler autonome Fahrzeuge, die schon heute praktische Aufgaben erfüllen können, wie hier bei der polnischen Militärakademie.


  • Das Auto denkt, das Auto lenkt

    Leistungsschau autonomer Roboter

    An der polnischen Militärakademie in Warschau fand im Sommer 2014 der Europäische Roboterwettbewerb ELROB statt. Fünf Tage lang konnten sich dort solche autonomen Fahrzeuge messen. Dieser Transporter der schweizerischen RUAG wurde erstmals 2012 in Thun in der Schweiz vorgestellt.


  • Das Auto denkt, das Auto lenkt

    Hände weg vom Steuer!

    Fährt ein Fahrzeug ohne Fahrer auf eine Sprengfalle, geht zwar die Technik kaputt, doch zumindest kommt kein Mensch zu Schaden. Bei der ELROB-Übung musste allerdings noch jemand im Führerhaus sitzen, um den Not-aus-Knopf zu drücken, falls etwas schief ginge.

    Autorin/Autor: Fabian Schmidt