Oscar Otte: Jetzt kennt ihn auch Federer

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Oscar wer? Für hiesige Fans ist der Kölner kein Unbekannter, schließlich war er 2015 deutscher Tennis-Meister. Doch seit dem Duell mit Roger Federer in Paris haben sich viele andere den Namen gemerkt. Ein Reisebericht.

Die Sache mit dem Handtuch muss unbedingt besprochen werden. Klar, die Reise des Kölner Tennisprofis Oscar Otte, 25 Jahre alt, ATP-Ranglistenprosition 144, zu den French Open nach Paris war voller Höhepunkte. Darüber wird noch zu reden sein. Aber die Nummer mit dem Handtuch sagt viel aus über den Mann des Bundesligaklubs KTHC Stadion Rot-Weiß. Es ist eine dieser kleinen, großen Geschichten am Rande des Tennis-Turniers von Roland-Garros.

“Unglaublich, einfach nur Wahnsinn”

Die Szene beschrieben: Otte, der überhaupt nur durch die verletzungsbedingte Absage von Nick Kyrgios als “Lucky Loser” ins Hauptfeld gerutscht war, hatte sein auf Eurosport übertragenes Erstrunden-Match gegen einen gewissen Malek Jaziri  aus Tunesien gewonnen und danach wie King Kong seine Freude herausgebrüllt. Er packte nach dem Handshake die Tasche und warf, wie das so schön üblich ist, eines der offiziellen Handtücher in Richtung eines jungen Zuschauers am Rande von Court 6, einem Nebenplatz, an dem die Zuschauer sehr nah am Geschehen sind. Doch ein eher stämmig gebauter Mann griff schneller zu, der Kleine drohte leer auszugehen. Da holte Otte einfach noch ein Handtuch aus der Tasche und trug Sorge, dass es dieses mal seinen Empfänger erreichen würde.

“Ja, die Handtücher, die sind ja sehr begehrt und ja auch ganz schön teuer, wenn man sie kauft”, sagt Otte, zurück in Deutschland nach einer Turnier-Reise, die in seinem bisherigen Leben als Tennisprofi die wohl ereignisreichste war. Erstmals stand er in Paris in der zweiten Runde eines solch großen Turniers und nahm am Ende 87.000 Euro Preisgeld aus der französischen Hauptstadt mit. Und wenn man weiß, wie sehr professionelle Tennissportler unterhalb von Ranglistenposition 100 bei ihrer Tour rund um die Welt jeden Dollar, jeden Euro umdrehen müssen, dann kann man sich denken, wie erfolgreich die French Open für Otte waren. Und dass er nun in aller Munde ist. “Mein Handy ist abgestürzt, so viele Nachrichten habe ich bekommen”, sagt Otte. Der ganze Tag, ergänzte er, “war unglaublich, einfach nur Wahnsinn”.

Der Wahnsinn trug sich zu in der zweiten Runde, Court Philippe-Chatrier im Westen von Paris. 15.059 Zuschauer. Oscar Otte gegen Roger Federer. Wenn der Kölner für “den KTHC Stadion Rot-Weiß daheim aufschlägt, gerne auch da mal mit mehr als 200 Stundenkilometern, sind manchmal zwei- bis dreitausend Zuschauer auf der Anlage am Olympiaweg. “Und auch da ist die Stimmung grandios”, sagt Otte. Aber das ist natürlich eine andere Dimension als die beim Grand-Slam-Turnier in Paris. 

193 Zentimeter

“Das Geld ist schon wichtig, stand aber jetzt nicht so im Mittelpunkt”, sagt Otte im Gespräch mit der DW. Dass er verloren hat, ist inzwischen bekannt. Aber die Art, wie er verloren hat, nötigt Beobachtern noch Tage später gewaltigen Respekt ab. Beim 3:3 im ersten Satz gab es eine Szene, in der der 194 Zentimeter große und damit gelegentlich etwas schlaksig wirkende Otte ans Netz nachrückt und einen Ball von Federer wegpflückt, als wäre es nichts. Oder eine andere Szene im dritten Satz: Wieder Gleichstand, 4:4. Otte holt sich Federer mit einem Stop nach vorne und passiert ihn cross. Das muss man sich gegen den vielleicht besten Tennisspieler der Geschichte erst einmal trauen.

Und dann ist es vorbei: Otte gratuliert Federer

Weil der Mann aus der Schweiz aber der vielleicht beste Tennisspieler der Geschichte ist, geht die Partie nach einer Stunde und 36 Minuten glatt zu seinen Gunsten zu Ende – 4:6, 3:6, 4:6 aus Sicht von Otte. “In entscheidenden Momenten, da richtet der sich auf, wird nochmal kompakter, fängt leicht zu stöhnen an und spielt nochmal einen Schlag besser”, beschreibt Otte Federers Spiel in diesen Momenten. Dann ist es vorbei. Handshake. “Gut gemacht”, habe Federer nach der Erinnerung Ottes am Netz gesagt. Und dieser lächelte, sah glücklich aus. Glücklich darüber mit dem Giganten auf der anderen Seite ein Stück weit mitgehalten zu haben. “Ich kannte sein Spiel überhaupt nicht”, sagte Federer nach dem Match und ergänzte: “Da kommt plötzlich einer aus der Quali, den du überhaupt nicht kennst. Es war sehr kompliziert, ich bin sehr erleichtert.”

Verloren gegen einen zwölf Jahre älteren Mann. “Alter spielt keine Rolle”, sagt Otte. “Der ist so fit, du merkst da keinen Unterschied”, so der Deutsche, der am Wochenende mit seinem Coach Peter Moraing in Mülheim an der Ruhr trainierte und dann seine Tasche gepackt hat, um zum viel kleineren Challenger-Turnier nach Poznan in Polen zu reisen. Dass er wiederkommen will nach Paris, zurück auf den Center Court, das ist keine Frage. Sein Glück – und auch das zeichnet den Mann aus der Kölner Südstadt aus – hängt davon aber nicht ab. Als ihn ein Reporter von Tennis TourTalk vor einigen Jahren einmal fragte, welche drei Spieler er zu einer Hausparty einladen wolle, sagte er nicht Federer, Nadal, Djokovic. Er nannte Andreas Mies, Dustin Brown und Jannis Kahlke – drei Kumpels aus der Tennis-Bundesliga. Fast selbstredend, dass er dazu ein Trikot des heimischen 1. FC Köln trug.