In Ostasien sieht man keinen “Mann im Mond”, sondern einen Hasen. Chinas Mondrover heißt nicht von ungefähr “Jadehase”. Beim Blick auf den Mond will unser Gehirn unvollständige Strukturen an vertraute Formen angleichen.
Die hellen Hoch- und die dunklen Tiefebenen auf dem Mond sind auch mit bloßem Auge problemlos zu unterscheiden und dies regt die Fantasie der Menschen an. Aber was genau zu sehen ist und was dies bedeuten könnte, darüber rätseln die Menschen der unterschiedlichsten Kulturen seit jeher.
In der westlichen Kultur hören viele Kinder bereits in frühster Kindheit von einem “Mann im Mond”. Der entsprechende Kinderreim lautet: “Punkt, Punkt, Komma, Strich, fertig ist das Mondgesicht”. Dieser Mann im Mond wacht fürsorglich über uns: “La le lu, nur der Mann im Mond schaut zu, wenn die kleinen Babys schlafen, drum schlaf auch Du”, heißt es in dem deutschen Wiegenlied von Heino Gaze.
Im französischen Stummfilm “Die Reise zum Mond” von 1902 erwartet die Astronauten natürlich der “Mann im Mond”
In Afrika gibt es die Tradition, im Mond ein Krokodil oder einen Menschen zu sehen, der Brennholz auf dem Rücken trägt.
Chinesen, Japaner und Koreaner erkennen in den Mondflecken einen Hasen, wahlweise mit oder ohne Mörser. Dieser Mondhase findet sich nicht nur in der chinesischen, sondern auch in der japanischen und koreanischen Mythologie. Hintergrund des Hasen-Themas ist eine Legende, die es in Ostasien und abgewandelt sogar in Latein-Amerika gibt. In Ostasien verbreitete sich die Legende unter anderem durch die Chuci, eine Sammlung von Gedichten aus dem Süden Chinas, die etwa 300 bis 150 vor Christus entstanden sind.
Es war einmal…
In der Legende waren ein Fuchs, ein Affe und ein Hase eng miteinander befreundet. Die Tage spielten und jagten sie zusammen, die Nächte verbrachten sie zusammen im Wald. Als der Herr des Himmels von dieser ungewöhnlichen Freundschaft erfuhr, besuchte er die drei als alter Wanderer verkleidet am Lagerfeuer und bat sie um etwas zu essen.
Der Affe brachte ihm sogleich Nüsse, der Fuchs brachte Fisch, Reiskuchen und Getränke, die als Opfergaben auf einem Friedhof lagen. Nur der arme Hase konnte nichts finden. Und so sprang der Hase ins Feuer, um sich selbst zu opfern. Der Herr des Himmels war so gerührt, dass er den Körper des Hasen wieder herstellte und ihn mit zum Mond nahm, wo er der Gefährte der Mondgöttin Chang’e wurde. Der bei der Selbstopferung entstandene Rauch legte sich auf der glänzenden Mondoberfläche nieder und ahmt noch heute seine Gestalt nach.
Modell des Chinesischen Mondrovers Yutu, der “Jadehase”
In Anlehnung an diese Legende heißt die aktuelle chinesische Mondsonde Chang’e 4 und der Rover, den sie dort abgesetzt hat, heißt Yutu, also Jadehase. In Japan heißt der Hase im Mond Tsuki no Usagi. Der Überlieferung nach stampft er die Zutaten für Reiskuchen in einem Mörser.
Der Hase-Mondkrater im Osten der Mondvorderseite, südöstlich des Mare Fecunditatis, hat allerdings nichts mit dem possierlichen Rammler zu tun: er ist nach dem deutschen Mathematiker Johann Matthias Hase (1684-1742) benannt.
Mythische Namen auch für wissenschaftliche Projekte?
Menschen haben immer schon versucht, in der Anordnung der Sterne Muster, Gestalten oder Gegenstände zu erkennen und sie zu visuellen Einheiten zusammenzufassen. Das Ergebnis dieser Mustererkennung sind die Sternbilder, die der Mensch am Himmel zu entdecken meint.
Sternbilder lassen sich in fast allen Kulturen feststellen und bis in die frühen Hochkulturen zurückverfolgen. Dabei spielen menschenähnliche Figuren oder Tiere eine herausragende Rolle. Die heutigen Sternbilder gehen auf zwölf babylonische und altägyptische Tierkreiszeichen zurück, die im antiken Griechenland auf 48 erweitert wurden. Seit 1922 werden international 88 Sternbilder verwendet.
Bei Sternbildern spielen menschenähnliche Figuren oder Tiere eine herausragende Rolle.
Ambitionierte Weltraum-Projekte nach symbolträchtigen Mythen oder “legendäre” Figuren zu benennen, ist ebenfalls nicht ungewöhnlich: Und die USA nannten ihr Raumfahrt-Projekt, das zum ersten und bislang einzigen Mal Menschen auf den Mond brachte, auch nicht von ungefähr “Apollo”-Programm.
Bei einer Konferenz in Washington im Juli 1960 schlug Abe Silverstein, der Leiter der Raumfahrt-Entwicklung bei der NASA, diesen Namen vor, um so die geplante bemannte Mondumrundung (nicht Landung!) mit der Sonnenfahrt des griechisch-römischen Gottes Apollo gleichzusetzen.
Wir sehen, was wir sehen wollen
Das Phänomen, in (Mond-)Landschaften, Wolkenformationen oder Dingen vermeintliche Gesichter, bekannte Wesen oder Gegenstände zu erkennen, nennt man Pareidolie, was so viel wie Trug-Bild oder Schattenbild heißt. Bekannte Weltraum-Beispiele für Pareidolien sind neben dem “Hasen im Mond” und dem “Mondgesicht” auch das “Marsgesicht” in der Cydonia-Region des Mars.
Hier stellt ein User gleich mal einen Bezug zum Star-Wars-Helden Han Solo her, der in der Phantasie-Chemikalie “Carbonite” eingefroren wurde. Diese Pareidolien entstehen durch bewusst oder unbewusst hervorgerufene Fehldeutungen durch das menschliche Gehirn. Denn unser Gehirn will unklare oder scheinbar unvollständige Bilder bzw. Strukturen komplettieren und sie an vertraute Mustern und Formen angleichen.
Anders als Halluzinationen können Pareidolien aber bewusst gesteuert werden und verschwinden auch dann nicht, wenn man das vermeintliche Gesicht/Objekt angestrengt beobachtet. Außerdem können sie in der Regel von mehreren Personen gleichzeitig wahrgenommen werden.
Zuweilen geht die Deutung der vermeintlichen Formen aber noch einen Schritt weiter. Als die NASA diese Aufnahme des Chandra Observatoriums 2014 veröffentlichte, glaubten einige Betrachter auf den Aufnahmen des Objekts PSR B1509-58 die “Hand Gottes” zu erkennen.