Hyperloop: Die Worst-Case-Szenarien beim Schnellzug-Unfall

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1200 Kilometer pro Stunde soll der Hyperloop schnell sein. Gibt es eine Chance, einen Unfall bei solch einer Geschwindigkeit zu überleben? Hier sind drei Super-GAU-Szenarien, was bei der Fahrt alles schief gehen kann.

Für manchen ist die Idee, mit 1200 Kilometern pro Stunde von einem Ort zum anderen zu reisen, eine traumhafte Zukunftsvision. Der durch Magneten in der Spur gehaltene Hyperloop bietet allerdings genauso viel Stoff für alle erdenklichen Katastrophenszenarien.

Was könnte im schlimmsten Fall passieren? Wie wahrscheinlich ist es, während einer Fahrt mit dem Hyperloop das Leben zu verlieren? 

Hören Sie mehr in unserem Podcast: Spectrum: A hyperloop dream for Europe

Szenario 1: Ins Nichts gesogen

Wir kennen das albtraumhafte Szenario bisher nur aus Filmen, die im Weltraum spielen: Eine Luftschleuse der Raumstation öffnet sich und saugt den Astronauten in die unendlichen Weiten des Alls – wo er nichts als einen tragischen Tod findet. Theoretisch könnte die Passagiere des Hyperloops ein ähnliches Schicksal ereilen.

Auf der Internationalen Raumstation wäre ein unentdecktes winziges Leck ein ernsthafter Notfall.

Denn die Röhre, durch die das visionäre Transportmittel flitzt, ist fast  luftleer – und somit herrschen ganz ähnliche Bedingungen wie im Weltraum. Deshalb hat der Hyperloop eine Menge mit einem Raumschiff gemeinsam: Die unter normalem Luftdruck stehenden Kapseln bewegen sich durch eine Art Vakuum. Ein Riss oder Loch in der Hyperloop-Kapsel wäre genauso fatal wie die geöffnete Luftschleuse der Raumstation.

Stünde das Gefährt in diesem Moment still, würden die Passagiere mangels Sauerstoff zu Boden sinken und ersticken. Eine Überlebenschance gäbe es nur, wenn innerhalb von sechs Minuten Wiederbelebungsmaßnahmen eingeleitet würden.

Reißt die Kapsel allerdings, während der Hyperloop mit 1200 Kilometern pro Stunde durch den Tunnel rast, würden die Fahrgäste mit einer Geschwindigkeit von etwa 300 Metern pro Sekunde auf den Boden aufschlagen oder auch gegen die Wände prallen. Autsch. Was von den unglücklichen Passagieren dann noch übrig bliebe, dürfte eher an einJackson-Pollock-Gemälde erinnern als an Menschen.

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Aber keine Panik! Tim Vleeshouwer, Leiter eines Hyperloop-Entwicklungsteams an der University of Technology in Delft in den Niederlanden, gibt Entwarnung: Diese Szenarien seien ziemlich unwahrscheinlich – zumindest bei dem Modell, das sein Team entwickelt hat. “Die Wände des Passagiermoduls werden etwa zehn Zentimeter dick sein”, sagt er. “Sie sind dicker als die Wände eines Flugzeuges.”

Trotzdem, auch in dicken Wänden kann ein Riss oder Loch entstehen. Was dann? “Dann kann sofort Luft in die Vakuum-Röhre geleitet werden, sodass normaler Luftdruck herrscht”, sagt Vleeshouwer. Mit anderen Worten: Niemand müsste ersticken. Allerdings würde durch den Druckausgleich kurzfristig ein extrem starker Wind wehen. 

Szenario 2: Die Hyperloop-Massenkarambolage

Albtraum Nummer Zwei: Was, wenn der vorausfahrende Hyperloop plötzlich die Notbremse zieht und stoppt? Ist der Auffahrunfall dann nicht vorprogrammiert?

Um dem katastrophalen Ausmaß dieser Vorstellung mit schwarzem Humor zu begegnen: 

“Was ist das letzte, das einem Hyperloop-Passagier durch den Kopf geht?”

“Seine Kopfstütze.”

Da die Vision des Delfter Teams darin besteht, dass alle 30 Sekunden 50 Passagiere abfliegen – das sind zwei Kapseln pro Minute –, ist das Risiko eines “Auffahrunfalls” real. Ein solcher Vorfall wäre für alle 100 Beteiligten fatal, wenn nicht gar sofort tödlich. 

Aber so weit muss es gar nicht kommen. Vleeshouwer sagt, dass das Design seines Teams “sehr gute Bremsen hat”.

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Es gibt viele Hyperloop-Konzepte mit unterschiedlichen Spezifikationen, wie dieses hier in Dubai

Wenn zum Beispiel eine Kapsel ausfällt, “sind die Bremsen so ausgelegt, dass die Kapsel dahinter in 20 bis 25 Sekunden zum Stillstand kommt”.

Rechnen wir das doch mal kurz durch: Wenn ich eine Kapsel 30 Sekunden hinter einer anderen defekten Kapsel fährt und im Notfall 25 Sekunden bis zum vollständigen Stillstand benötigt, dann bleiben der defekten Kapsel fünf Sekunden, um eine Fehlermeldung an einen Server zu schicken, der die nachfolgenden Kapseln im Netzwerk informiert. 

Nun gut, das klingt nicht mehr ganz so beruhigend. Das Funknetz im Tunnel sollte gut abgedeckt sein. 

Ganz nebenbei muss es sich fürchterlich anfühlen, in diesem kurzen Zeitraum von 300 Metern pro Sekunde auf Null abgebremst zu werden. Ganz zu schweigen von Smartphones, Tablets, Kaffeetassen und Co., die durch die negative Beschelunigung durch die Kapsel schießen würden und dann an der Vorderwand oder den Köpfen der Passagiere aufschlagen.

Wenn eine Kapsel stoppt, muss auch die 30 Sekunden dahinter stoppen und die dahinter, die dahinter – es wäre jedenfalls eine Kettenreaktion. 

Szenario 3: Terror

Kommen wir zur ultimativen Hyperloop-Katastrophe: Jemand zerstört absichtlich einen Streckenabschnitt, und ein Hyperloop-Zug rast mit erschreckender Geschwindigkeit auf den Anschlagsort zu. 

In der Vision des Delfter Teams, das derzeit die europäische Planung anführt, sollen etwa 50 Prozent der Strecke unterirdisch verlaufen, während 50 Prozent über der Erde liegen würden – damit wäre theoretisch die Hälfte davon einem möglichen Terroranschlag von Außen ausgesetzt. Wie kann man die Zugstrecke davor schützen?

Ganz einfach: gar nicht.

“Die Röhren werden auf Säulen in fünf bis sechs Metern Höhe über dem Boden platziert”, sagt Vleeshouwer. “Damit sind sie nicht sehr leicht erreichbar.”

Zweitens planen die Forscher, die Hyperloop-Gleise direkt neben der bestehenden Verkehrsinfrastruktur, wie Hochgeschwindigkeitsstrecken oder Autobahnen, zu betreiben. Das bedeutet, dass sie sichtbar sind, was wiederum die Überwachung erleichtert.

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Aber wenn ein Teil der Strecke absichtlich zerstört würde, wäre das wahrscheinlich fatal. Aber nur für eine unglückliche Kapsel und ihre 50 Passagiere. 

Der Rest der Waggons würde, wenn das Bremssystem wie geplant funktioniert, zum Stillstand kommen.

Und ist dieses schlimmste denkbare Szenario tatsächlich schlimmer als wenn es einen anderen, herkömmlichen Schnellzug treffen würde?

Also… sollte ich mitfahren?

Wem nun von all diesen “Was wäre, wenn …?”-Szenarien schlecht wird, keine Sorge! Die Hyperloop-Kapseln werden auf jeden Fall eine Toilette haben. 

Aber Scherz beiseite: Wir Menschen pflegen eine lange Tradition, Misstrauen gegenüber neuen Transportmethoden zu hegen. Heute betrachten wir viele dieser als selbstverständlich.

Vleeshouwer erinnert daran, wie sich die Menschen vor 200 Jahren vor Zügen fürchteten. Denn damals hieß es, dass eine Geschwindigkeit von mehr als 30 Kilometern pro Stunde den menschlichen Kopf zum Platzen bringen könnte. Die These stimmte dann doch nicht.

Und es wurde auch angenommen, dass Kühe, die in der Nähe von Bahnlinien grasen, wegen des Lärms saure Milch produzieren würden. Ähnliche Theorien gab es auch für Flugzeuge vor 100 Jahren. Alles war Quatsch.

“Die Leute fragten damals: ‘Warum wollen wir schneller reisen, warum wollen wir weiter reisen?'” sagt Vleeshouwer. “Ich denke, das Gleiche gilt nun für den Hyperloop. Aber er bietet so viele Möglichkeiten, und es wäre schade, wenn wir die Möglichkeiten nicht zumindest untersuchen würden.”


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    Autorin/Autor: Insa Wrede