Vicki Baum: “Menschen im Hotel”

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Dieses Buch traf in den Zwanzigerjahren den Nerv der Zeit und machte seine Autorin zur Auflagenkönigin der Weimarer Republik. Ein Berliner Grandhotel wird zur Bühne für Glückssucher und Todessehnsüchtige.

Schlägt man die Unterhaltungsmagazine der Weimarer Republik auf, kommt man an dieser Frau nicht vorbei. Vicki Baum war so etwas wie das Gesicht der modernen Frau der Zwanziger Jahre – berufstätig, unabhängig, modern. Als Redakteurin des Ullstein Verlags eroberte sie den Berliner Boulevard. Ihr Markenzeichen: Bubikopf und extravagante Kleidung. Die Tochter aus bürgerlichem Hause wollte mehr sein als nur eine gute Partie. Sie studierte Musik, suchte sich ihre Männer selbst aus, heiratete früh und ließ sich ebenso schnell scheiden.

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“Menschen im Hotel” von Vicki Baum

Kitsch als Marke?

Ihre Artikel und Bücher changierten zwischen Unterhaltung und Gesellschaftskritik. Die Literaturkritik verschmähte sie. Zu kalkuliert schien ihr Stil, zu nah am Massengeschmack, zu kitschig-trivial. Gelesen wurden sie trotzdem – vor allem von jungen Frauen. “Ich bin eine erstklassige Schriftstellerin zweiter Güte”, sagte sie einmal über sich. Aber genau damit hatte sie Erfolg. Sie war die erste Autorin, die mit einer gezielten Werbestrategie zur Marke aufgebaut wurde – Fotostrecken, Homestories inklusive. 

Nach ihrem Bestseller “Stud. chem. Helene Willfüer” drängte der Ullstein Verlag Vicki Baum, schnell ein weiteres Buch nachzuliefern. Man wollte das Interesse an der auflagenstärksten Autorin der Weimarer Republik weiter gewinnbringend ausnutzen. Vicki Baum wusste nur zu gut, welche Herausforderung auf sie wartete: Einen Roman zu schreiben – lebensnah, und doch mit einem Hauch Eskapismus gewürzt. Authentisch und doch in einer Glitzerwelt schwelgend.

Schmelztiegel Hotel 

Um das wahre Leben zu belauschen, begann sie in Berliner Luxushotels zu jobben. Am Ende stand ihr Roman “Menschen im Hotel”. Der “Kolportageroman”, so der Untertitel, wurde weltberühmt. Darin kreuzen sich die Wege unterschiedlichster Charaktere. Eine neurotische Tänzerin, die ihre besten Jahre schon hinter sich hat. Ein Baron, der seinen Lebensunterhalt mit waghalsigen Einbrüchen bestreitet. Todkranke Buchhalter und liebestrunkene Sekretärinnen. Eine illustre Schar an Menschen begegnet sich hier zwischen Foyer und Rezeption. Das Hotel wird zu ihrer Bühne, zu einem Spiegelbild der Gesellschaft. 

“… kolossaler Betrieb. Immer ist was los. Einer wird verhaftet, einer geht tot, einer reist ab, einer kommt. Den einen tragen sie per Bahre über die Hintertreppe davon, und zugleich wird dem anderen ein Kind geboren. Hochinteressant eigentlich. Aber so ist das Leben.”

Ähnlich wie der Roman war auch die Hollywood-Verfilmung ein Publikumserfolg. “Grand Hotel” wurde 1932 sogar mit dem Oscar als bester Film ausgezeichnet.

“Menschen im Hotel” wurde ein Riesenerfolg, und Vicki Baums Ruhm drang bis in die USA. Unter dem Titel “Grand Hotel” wurde der Roman am Broadway inszeniert und wenig später in Hollywood verfilmt – mit Greta Garbo und Joan Crawford in den Hauptrollen. Getragen vom Erfolg verschlug es die Autorin selbst in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. 1932 zog sie in die USA – gerade noch rechtzeitig. 

Ein Jahr später übernahmen die Nationalsozialisten die Macht. Die Bücher der Jüdin wurden verbrannt und als “seichte, amoralische Sensationsromane” verpönt. Dass sie ein paar Jahre zuvor zu den meistgelesenen Werken der Weimarer Republik gehörten – daran konnte und wollte man sich nicht mehr erinnern. 

 

Vicki Baum: Menschen im Hotel (1929), Kiepenheuer & Witsch Verlag

Hedwig Baum, wie die Musikerin und Autorin eigentlich hieß, wurde 1888 in Wien geboren. Die Schriftstellerin gehörte zu den erfolgreichsten der Weimarer Republik. Als ihre Bücher 1933 der Bücherverbrennung zum Opfer fielen, war Baum schon in die USA emigriert. Sie publizierte auf Englisch, feuilletonistische Texte, Romane, Novellen und Dramen. Viele ihrer Werke wurden verfilmt. Sie starb 1960 in Los Angeles.