Ein Startup aus Indien macht Tinte aus Smog

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Dieselgeneratoren sind ziemlich dreckige Maschinen, die Ruß in die Luft blasen. Einem Startup aus Delhi ist es gelungen, aus den Abgasen etwas sinnvolles zu machen: Tinte. Dafür ist es nun ausgezeichnet worden.

Manchmal ist die Luft in Delhi so dreckig, dass man kaum die Hand vor Augen sieht. Nicht von ungefähr, denn die Luftqualität in der indischen Megacity gehört zu den schlechtesten der Welt.

Alltag für Arpit Dhupar. Der 25-jährige ist in Delhi aufgewachsen. Für ihn gehörten Atemwegserkrankungen deshalb seit Kindertagen dazu. Jetzt kämpft der Maschinenbauingenieur gegen den Dreck in der Luft. Seine Idee setzt bei der Ursache für den Dreck an: die immer präsenten Dieselgeneratoren in der Stadt.

Immer wenn in der 17-Millionen Metropole der Strom ausfällt, werden sie angeworfen. Und das kommt oft vor.

“Das Problem ist, dass Dieselgeneratoren viel Rauch von unverbranntem Diesel oder Ruß ausstoßen. Und das ist sehr schädlich für die Gesundheit der Menschen”, sagt Dhupar der DW. “Der Rauch besteht aus sehr sehr feinen Partikeln, die nicht von der Nase oder der Lunge gefiltert werden können. Sie gelangen direkt in den Blutkreislauf.”

Dhupar wuchs in Delhi auf und litt als Kind schon unter den Folgen der Luftverschmutzung

Wie aus Ruß Tinte wird

Filteranlagen sind an sich nichts Neues. Allerdings fangen sie nur den Ruß ein. Dhupar und seine Mitgründer bei Chakr Innovation verarbeiten ihn weiter.

“Die Idee kam mir durch die vielen Händler, die in Indien Zuckerrohrsaft verkaufen. Die verwenden kleine Dieselmotoren, um ihre Pressen zu betreiben”, erklärt Dhupar.

Eines Tages sei ihm aufgefallen, dass sich die Wand hinter einem der Auspuffrohre schwarz färbte. “Ich fragte mich, ob man daraus nicht etwas machen könnte, also den Dreck einzufangen und damit Wände anzustreichen.”

Mit seiner Idee begann er Unterstützer zu suchen. Er ging zuerst zu seinen Uni-Professoren. Die sahen darin allerdings keine Zukunft. Wenn das ginge, sagen sie, dann hätte es schon jemand gemacht.

“Aber es gibt da so ein Sprichwort”, sagt Dhupar. “Der Narr wusste nicht, dass es unmöglich war, also hat er es trotzdem gemacht.” Und er und seine damaligen Kommilitonen hätten nichts zu verlieren gehabt. Also hätten sie es einfach versucht.

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Sie gründeten das Startup Chakr Innovations und nach einigen Fehlschlägen gelang es ihnen schließlich ein Gerät zu entwickeln, das den Ruß aus Dieselabgasen in einer Flüssigkeit auffängt. “Diese Motoren reagieren sehr sensibel auf Widerstand im Strom der Abgase. Das nennt man Gegendruck. Uns ist es gelungen, mit geringem Gegendruck sehr viel Ruß auffangen. Das hatte vor uns noch niemand geschafft.”

Wenn man Rußpartikel in Tinte umwandelt, werden sie nicht mehr an die Luft abgegeben

Das der Ruß in einer Flüssigkeit gebunden wird, hat große Vorteile. Einerseits können die mikroskopisch kleinen Partikel so nicht mehr aufgewirbelt und verteilt werden, andererseits ist es von hier nur noch ein kleiner Schritt zu Tinte oder Wandfarbe. Sobald die Schadstoffe aus der rußigen Lösung entfernt worden sind, müssen Kunden nur noch sagen, was für eine Art Farbe sie brauchen.

“Alles, was dann noch fehlt, ist die richtige Menge und die richtige Art Bindemittel”, so Dhupar. Dann könne man alles bedrucken, von T-Shirts und Kaffeetassen bis hin zu Grußkarten oder Produktverpackungen.

“Unser größter Kunde für Tinte ist Dell”, sagt der Startup-Gründer. “Die benutzen sie, um die Kartons für ihre Laptops zu bedrucken.”

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Aber genauso wenig, wie das bedrucken von Kartons das Kerngeschäft von Dell ist, war es das Ziel von Chakr Innovation, der Markführer für Tinte zu werden.

“Das Problem auf der Welt ist nicht, dass wir zu wenig Tinte haben, das Problem ist, dass wir zu viel Luftverschmutzung haben”, so Dhupar. Deshalb arbeite sein Unternehmen an der Entwicklung von Filtersystemen, die verhindern, dass Schadstoffen in die Atmosphäre kommen.

Auch wenn Chakr Innovation erst 50 seiner Geräte verkauft hat, das Startup kooperiert bereits mit einigen großen Unternehmen, darunter IndianOil und Bosch. Auch Preise hat Chakr schon gewonnen, darunter kürzlich den UNEP Young Champions of the Earth Award.

Chakr Innovation hat einen neuen Weg gefunden, Schmutzpartikel von Dieselgeneratoren zu filtern und in Tinte umzuwandeln

Nächste Stufe: Schornsteine auf Schiffen

Während sich der Kundenstamm also vergrößert, haben die Startup-Gründer schon ein neues Ziel vor Augen: die Emissionen von großen Schiffen.

Denn Kreuzfahrtschiffe und große Containerschiffe gehören zu den größten Luftverpestern der Welt. Sie verbrennen oft viel schmutzigere Kraftstoffe als Autos und Generatoren und stoßen dabei Schwefeloxide (SOx) aus.

“Wir haben unsere Technologie weiterentwickelt, sodass sie auch an Schiffsmotoren arbeiten kann. Damit könnten wir die SOx-Emissionen um 90 Prozent reduzieren”, sagt Dhupar. Jetzt suche man nach Partnern in der Schifffahrt, um die Technologie unter realen Bedingungen zu testen.

“Existierende Filteranlagen funktionieren, indem Wasser in eine Kammer im Abgassystem gesprüht wird, um die Schwefeloxide aus der Luft zu entfernen. Das nennt man Nasswäsche”, erklärt er. “Was wir bauen, würde viel weniger Energie benötigen und wäre dadurch viel billiger.”


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    Schneller mit dem Drahtesel unterwegs

    So wie in Kopenhagen planen Reutlingen und Essen Radschnellwege durch die Stadt einzurichten. Der Ausbau des Fahrradstraßennetzes ist eh “überfällig”, meint Experte Christian Hochfeld von der Agora-Verkehrswende. “Wir merken, dass die Menschen aufs Fahrrad umsteigen, aber der öffentliche Raum ist nicht fair verteilt: Gerade parkenden Pkws wird zu viel Raum gegeben.”


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    Vier von fünf Städte setzen auf billigen Nahverkehr. In Bonn und Reutlingen soll es Klima-Jahrestickets nach Vorbild Wiens für 365 Euro geben, also für 1 Euro pro Tag. Mannheim und Herrenberg planen Preissenkungen bei Einzel-, Mehrfahrten- und Zeitkarten. Zustimmung von Experte Hochfeld: “Günstiger ÖPNV ist der richtige Weg nach vorne, allerdings muss die Qualität trotzdem gesichert sein.”


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    Wie schön ist es, wenn man zur Bushaltestelle geht – und zack, kommt auch schon der nächste Bus. So macht Nahverkehr Spaß. Bonn will daher bei vielen Buslinien den Takt verdichten, so dass die Wartezeiten an der Haltestelle kürzer werden. Analoges planen Reutlingen und Essen. Hochfeld: “Taktverdichtung ist die absolute Grundvoraussetzung, dass Menschen in den Innenstädten auf den ÖPNV umsteigen.”


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    Mehr Bushaltestellen

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    Grüne Welle

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    Go digital

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    Autorin/Autor: Brigitte Osterath