Karl Lagerfeld: Eitel, aber voller Selbstironie

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Er entwirft seit 30 Jahren Kollektionen für Chanel, fotografiert Modestrecken, denkt sich Werbekampagnen aus, sammelt massenweise Bücher. Karl Lagerfeld zu fassen, ist kaum möglich. Ein Annäherungsversuch zum 85.

  • Karl Lagerfeld, der Modekünstler

    Es begann mit einem Mantel

    Die Bonner Ausstellung mit dem Titel “Lagerfeld. Modemethode” (bis 13. September) will, so Intendant Rein Wolfs, “die schöpferische Leistung in den Vordergrund stellen, das Werk eines großen Designers, der fraulich, auf Papier und in Stoffen denkt.” Die Schau beginnt mit Lagerfelds Eintrittskarte in die Modewelt: Der Nachbildung eines Mantels, mit dem Lagerfeld 1954 einen Wettbewerb gewonnen hat.

  • Karl Lagerfeld, der Modekünstler

    Der Modezar als Papierfreak

    “Ich muss immer Papier unter meinen Fingern spüren, damit ich mich ausdrücken kann”, sagt Lagerfeld über seine Leidenschaft für sein liebstes Arbeitsmaterial. Papier bestimmt Lagerfelds Leben: für seine Modeentwürfe, seine Fotografien, Notizen, Briefe und Bücher. Selbst seine Shows plant er auf dem Skizzenblock. Und so spricht auch sein Schreibtisch Bände.

  • Karl Lagerfeld, der Modekünstler

    Aus den Archiven

    Allein im Fendi-Archiv befinden sich über 40.000 Lagerfeld-Zeichnungen. Einige davon hängen jetzt in Bonn, ebenso Skizzen für Chloé und Chanel. Plakate von Lagerfelds Werbekampagnen sind auch zu sehen, gruppenweise zieren sie die Wände der Ausstellungshalle, die im grauen Waschbeton-Look gehalten sind. Eine dezente Kulisse für Lagerfelds Kreationen.

  • Karl Lagerfeld, der Modekünstler

    Der Erneuerer

    Seit 50 Jahren arbeitet Lagerfeld für das italienische Label Fendi. Als er 1965 dort anfängt, krempelt er zunächst die Pelzmode um. Aus den damals üblichen tonnenschweren Fellmänteln kreiert er verspielte und verrückte Modelle, die ihre Trägerinnen nicht mehr wie Panzer umgeben, sondern locker und leicht um sie herumflattern. Dazu gestaltet er für Fendi zeitlos schöne Mode und Accessoires.

  • Karl Lagerfeld, der Modekünstler

    Accessorized!

    Schuhe und Handtaschen – was vielen Frauen Tränen des Entzückens in die Augen treibt, bringt so manchen Mann eher zur Verzweiflung. Nicht so Karl Lagerfeld. Er bringt zu jeder Kollektion die passenden Accessoires, die Ausstellung zeigt eine 120 Stücke umfassende Auswahl (im Bild: Fendi). Für Chanel hat er neben Schuhen, Taschen und Gürteln auch 177 Knöpfe designt.

  • Karl Lagerfeld, der Modekünstler

    Spiegel der Zeit

    Bei Chloé zeigt Lagerfeld sein Gespür für das, was viele Frauen sich von Mode wünschen. Verspielt, luftig und romantisch sind die Kleider aus den 1970er Jahren. Andere Modelle versieht er mit graphischen Mustern. Seide ist der bevorzugte Stoff. Die Puppe trägt ein handbemaltes Seidenkleid von 1973.

  • Karl Lagerfeld, der Modekünstler

    Time for music

    Die Zeit der wilden Parties im berühmten New Yorker Club “Studio 54” inspiriert Lagerfeld zu witzigen Motiven. In diesem Satinkleid von 1983 setzt er den Vergleich des Frauenkörpers mit einer Geige konsequent um. Dieses Kleid stammt, wie fast alle anderen 120 Looks in der Bonner Ausstellung, aus den Archiven der Modehäuser, manche Modelle sind sogar Leihgaben aus anderen Museen.

  • Karl Lagerfeld, der Modekünstler

    Verjüngungskur für Chanel

    Als Karl Lagerfeld 1983 zu Chanel kommt, verpasst er der etwas angestaubten Modemarke eine Frische-Kur. Er erweckt die Klassiker zu neuem Leben, verleiht den Kostümen neue Farben und modifiziert die Schnitte. Röcke werden kürzer, die Jäckchen werden länger, er setzt andere Stoffe ein. Und schon wird die Marke auch wieder von jungen Frauen getragen. Dieses Kostüm ist von 1991.

  • Karl Lagerfeld, der Modekünstler

    Wenn aus Wolle Haute Couture wird

    Das Kostüm aus gepaspeltem Tweed, erfunden von Coco Chanel, ist und bleibt ein Klassiker. In der Reihe “Evolution of Tweed” zeigt Lagerfeld, was man aus diesem etwas altbacken wirkenden Stoff alles machen kann. So bekommen die Tweed-Kostüme lange Fransen, enden am Saum in zartem, durchsichtigem Gewebe oder werden schlicht und einfach durchlöchert.

  • Karl Lagerfeld, der Modekünstler

    Palast aus Papier

    Bei Modeschauen kommt das Beste zum Schluss: Die Haute Couture. Die Königsklasse, in der die Couturiers ihre Meisterstücke präsentieren, Einzelanfertigungen, die sechsstellige Summen wert sein können. Diese teuerste aller modischen Spielarten bildet auch den Höhepunkt der Ausstellung: Ein Designer-Trio kreierte den Papierpalast – eine würdige Stätte für die Luxus-Roben von Chanel.

  • Karl Lagerfeld, der Modekünstler

    Neoprenanzug

    Das letzte Stück der Ausstellung ist gleichzeitig das Jüngste und stammt aus der Herbst/Winter-Kollektion 2014-2015. Ein Brautkleid für Schwangere. Der Gag ist nicht die mit Gold bestickte Schleppe, sondern der Stoff: Neopren. Ein witziger Schlusspunkt einer Werkschau, die Lagerfelds Umgang mit Farbe und Material, die Kontinuität seines Schaffens und seinen Einfluss auf die Modewelt fokussiert.

    Autorin/Autor: Silke Wünsch


  • Karl Lagerfeld, der Modekünstler

    Es begann mit einem Mantel

    Die Bonner Ausstellung mit dem Titel “Lagerfeld. Modemethode” (bis 13. September) will, so Intendant Rein Wolfs, “die schöpferische Leistung in den Vordergrund stellen, das Werk eines großen Designers, der fraulich, auf Papier und in Stoffen denkt.” Die Schau beginnt mit Lagerfelds Eintrittskarte in die Modewelt: Der Nachbildung eines Mantels, mit dem Lagerfeld 1954 einen Wettbewerb gewonnen hat.

  • Karl Lagerfeld, der Modekünstler

    Der Modezar als Papierfreak

    “Ich muss immer Papier unter meinen Fingern spüren, damit ich mich ausdrücken kann”, sagt Lagerfeld über seine Leidenschaft für sein liebstes Arbeitsmaterial. Papier bestimmt Lagerfelds Leben: für seine Modeentwürfe, seine Fotografien, Notizen, Briefe und Bücher. Selbst seine Shows plant er auf dem Skizzenblock. Und so spricht auch sein Schreibtisch Bände.

  • Karl Lagerfeld, der Modekünstler

    Aus den Archiven

    Allein im Fendi-Archiv befinden sich über 40.000 Lagerfeld-Zeichnungen. Einige davon hängen jetzt in Bonn, ebenso Skizzen für Chloé und Chanel. Plakate von Lagerfelds Werbekampagnen sind auch zu sehen, gruppenweise zieren sie die Wände der Ausstellungshalle, die im grauen Waschbeton-Look gehalten sind. Eine dezente Kulisse für Lagerfelds Kreationen.

  • Karl Lagerfeld, der Modekünstler

    Der Erneuerer

    Seit 50 Jahren arbeitet Lagerfeld für das italienische Label Fendi. Als er 1965 dort anfängt, krempelt er zunächst die Pelzmode um. Aus den damals üblichen tonnenschweren Fellmänteln kreiert er verspielte und verrückte Modelle, die ihre Trägerinnen nicht mehr wie Panzer umgeben, sondern locker und leicht um sie herumflattern. Dazu gestaltet er für Fendi zeitlos schöne Mode und Accessoires.

  • Karl Lagerfeld, der Modekünstler

    Accessorized!

    Schuhe und Handtaschen – was vielen Frauen Tränen des Entzückens in die Augen treibt, bringt so manchen Mann eher zur Verzweiflung. Nicht so Karl Lagerfeld. Er bringt zu jeder Kollektion die passenden Accessoires, die Ausstellung zeigt eine 120 Stücke umfassende Auswahl (im Bild: Fendi). Für Chanel hat er neben Schuhen, Taschen und Gürteln auch 177 Knöpfe designt.

  • Karl Lagerfeld, der Modekünstler

    Spiegel der Zeit

    Bei Chloé zeigt Lagerfeld sein Gespür für das, was viele Frauen sich von Mode wünschen. Verspielt, luftig und romantisch sind die Kleider aus den 1970er Jahren. Andere Modelle versieht er mit graphischen Mustern. Seide ist der bevorzugte Stoff. Die Puppe trägt ein handbemaltes Seidenkleid von 1973.

  • Karl Lagerfeld, der Modekünstler

    Time for music

    Die Zeit der wilden Parties im berühmten New Yorker Club “Studio 54” inspiriert Lagerfeld zu witzigen Motiven. In diesem Satinkleid von 1983 setzt er den Vergleich des Frauenkörpers mit einer Geige konsequent um. Dieses Kleid stammt, wie fast alle anderen 120 Looks in der Bonner Ausstellung, aus den Archiven der Modehäuser, manche Modelle sind sogar Leihgaben aus anderen Museen.

  • Karl Lagerfeld, der Modekünstler

    Verjüngungskur für Chanel

    Als Karl Lagerfeld 1983 zu Chanel kommt, verpasst er der etwas angestaubten Modemarke eine Frische-Kur. Er erweckt die Klassiker zu neuem Leben, verleiht den Kostümen neue Farben und modifiziert die Schnitte. Röcke werden kürzer, die Jäckchen werden länger, er setzt andere Stoffe ein. Und schon wird die Marke auch wieder von jungen Frauen getragen. Dieses Kostüm ist von 1991.

  • Karl Lagerfeld, der Modekünstler

    Wenn aus Wolle Haute Couture wird

    Das Kostüm aus gepaspeltem Tweed, erfunden von Coco Chanel, ist und bleibt ein Klassiker. In der Reihe “Evolution of Tweed” zeigt Lagerfeld, was man aus diesem etwas altbacken wirkenden Stoff alles machen kann. So bekommen die Tweed-Kostüme lange Fransen, enden am Saum in zartem, durchsichtigem Gewebe oder werden schlicht und einfach durchlöchert.

  • Karl Lagerfeld, der Modekünstler

    Palast aus Papier

    Bei Modeschauen kommt das Beste zum Schluss: Die Haute Couture. Die Königsklasse, in der die Couturiers ihre Meisterstücke präsentieren, Einzelanfertigungen, die sechsstellige Summen wert sein können. Diese teuerste aller modischen Spielarten bildet auch den Höhepunkt der Ausstellung: Ein Designer-Trio kreierte den Papierpalast – eine würdige Stätte für die Luxus-Roben von Chanel.

  • Karl Lagerfeld, der Modekünstler

    Neoprenanzug

    Das letzte Stück der Ausstellung ist gleichzeitig das Jüngste und stammt aus der Herbst/Winter-Kollektion 2014-2015. Ein Brautkleid für Schwangere. Der Gag ist nicht die mit Gold bestickte Schleppe, sondern der Stoff: Neopren. Ein witziger Schlusspunkt einer Werkschau, die Lagerfelds Umgang mit Farbe und Material, die Kontinuität seines Schaffens und seinen Einfluss auf die Modewelt fokussiert.

    Autorin/Autor: Silke Wünsch


Beim Alter fängt das Rätselraten bereits an. Wird Karl Lagerfeld an diesem 10. September 80 Jahre alt, 83 oder 85? Wurde er überhaupt an einem 10. September geboren? Er selbst wisse es nicht, sein Geburtsschein sei beim Bombardement des Hamburger Stadtteils Altona verbrannt, erzählt er dem Boulevard-Journalisten Paul Sahner im Interview, der den Modezar 15 Jahre lang begleitete und ihm nahe kam wie kaum ein anderer. Aber mal ganz davon abgesehen langweile ihn die Frage nach seinem Alter. Es sei ihm “absolut wurst”. “Ich fühle mich jung so oder so”.

Während Lagerfeld selbst mittlerweile 1935 als sein Geburtsjahr angibt – lange war es das Jahr 1938 – legen Auszüge aus dem Hamburger Taufregister sowie eine Geburtsanzeige nahe, dass er bereits 1933 das Licht der Welt erblickte.

Aus gutem Hause

Hineingeboren wird Karl Lagerfeld in eine betuchte Familie. Der Vater ist Dosenmilchfabrikant und lebt mit seiner Frau, Karl Lagerfeld und dessen Schwester im Hamburger Stadtteil Blankenese. Aristokraten, hübsche Villen und gepflegte Parkanlagen umgeben den jungen Karl. Als Hamburg im Juli 1944 bombardiert wird, zieht die Familie auf ihr Gut in Schleswig-Holstein. Dort, auf dem Land, verbringt er die meiste Zeit seiner Kindheit, fällt mit seiner Herkunft, seinem Sinn für ungewöhnliche Kleidung und den für damalige Verhältnisse langen Haaren zwischen den einfachen Bauernkindern auf.

Sogar seine Hauskatze ist Model – und Social-Media-Star: Karl Lagerfeld mit “Choupette”

Auch sonst ist der kleine Karl recht außergewöhnlich: Noch vor seiner Einschulung lernt er Englisch und Französisch; auf dem Dachboden versucht er stundenlang die Zeichnungen aus dem Simplicissimus nachzuahmen; während seiner Hamburger Zeit geht er statt in die Schule lieber in die Kunsthalle, wo er fasziniert ist von den französischen Malern: “Mein Fall war alles, was Französisch war. Das wollte ich und da wollte ich hin und darum habe ich auch Französisch gelernt als Kind, sonst hätte ich dort nicht zur Schule gehen können”, erzählt er Filmemacher Gero von Boehm in der Dokumentation “Deutschland, deine Künstler – Karl Lagerfeld” (2014). 

Paris – das Eldorado für den jungen Modedesigner

Im Laufe der Jahre wird der Wunsch nach Paris zu gehen immer größer. Eine Dior-Schau, die er 1950 in Hamburg besucht, besiegelt den Entschluss endgültig. 1953 ziehen er und seine Mutter um. 

Für den angehenden Couturier ist die Modemetropole an der Seine genau das Richtige. Ohne Umwege geht es dort für ihn steil bergauf.

Mit gerade mal 20 Jahren belegt er mit einem Mantelentwurf den ersten Platz bei einem Modewettbewerb. Auch Yves Saint Laurent nimmt teil, landet aber nur auf dem dritten Rang.

Der gelbe Mantel in der Ausstellung “Karl Lagerfeld. Modemethode”, Bundeskunsthalle Bonn

Wenige Jahre später darf er bei Pierre Balmain und Jean Patou anfangen, beweist sich und wird 1963 erstmals als Künstlerischer Direktor tätig: Bei Chloé setzt er nun selbst Trends, begründet 1967 etwa den “Total Look”, die Einheit von Kleidung und Accessoires. Auch Fendi in Rom gefällt, was der junge Designer aus Deutschland kreiert und verpflichtet ihn Mitte der 1960er für seine Pelz- und Lederkollektion.

1976 eignet sich Lagerfeld seinen berühmten Dandy-Look an. Als bevorzugte Stilrichtungen nennt er das 18. Jahrhundert sowie die Bewegung des Art Déco. Bis heute sind sein markanter Kleidungsstil, der Zopf, den er sich im Übrigen pudert, und die dunkle Sonnenbrille sein Markenzeichen.

Karl Lagerfeld bei Fashion Show in Paris, 1983

“Blättern, lesen, vor mich hinträumen”

Wenn Karl Lagerfeld nicht gerade an neuen Entwürfen arbeitet, so geht er in die Cafés und Buchhandlungen von Saint Germain des Près. Mehrere Bücher kauft er sich dort pro Woche. Neben der Mode sind sie seine größte Leidenschaft. Inzwischen besitzt er eine Sammlung von rund 300.000 Exemplaren, darunter vor allem Bildbände über Mode und Kunst, aber auch Gedichte – denn die liest er bevorzugt. “Mein liebstes Wochenende ist, wenn ich meine Bücher anschauen kann, die ich in der Woche gekauft habe”, sagt der Modezar. “Blättern und lesen, Notizen machen, zwischendurch vor mich hinträumen, zeichnen und schlafen und überhaupt nicht wissen, wie spät es ist!”

Neuer Anstrich für Chanel

1983 landet Lagerfeld den ganz großen Coup: Chanel, modetechnisch damals nicht mehr ganz am Puls der Zeit, macht Karl zu seinem Kreativdirektor. Der, ehrgeizig wie er ist, schafft es, die Haute Couture- und Prêt-à-porter-Kollektionen wieder moderner erscheinen zu lassen und das Modehaus auch für jüngere Frauen attraktiv zu machen. Er setzt neue Farben ein, modifiziert die Schnitte, arbeitet mit anderen Stoffen. Chanel ohne ihn? Mittlerweile unvorstellbar. Auch heute noch ist Lagerfeld der Chefdesigner.

Doch der Einstieg bei dem berühmten Traditionshaus scheint dem Modeschöpfer nicht zu genügen. 1984 gründet er sein eigenes Label, “Karl Lagerfeld”, das mittlerweile alles von Männer- über Frauen-, bis hin zur Kindermode und Accessoires anbietet. Gerade erst hat er dort eine Kollektion mit der angesagten 17-jährigen Kaia Gerber, Model und Tochter von Cindy Crawford, herausgebracht. Sie bringe einen “frischen Cool-Girl-Touch in Karls unangestrengte Klassiker”, heißt es dazu auf der Homepage. Der Mann weiß, wie Vermarktung funktioniert.

Lagerfeld, der Tausendsassa

Seit 1987 fotografiert Lagerfeld zudem selbst, denkt sich Werbekampagnen aus und dreht Kurzfilme für verschiedene Modefirmen. Permanent sucht er neue Herausforderungen, sei es ein Hotel in China zu designen oder einen Buchverlag zu gründen. “Sich auf dem auszuruhen, was man gemacht hat, da kann man gleich einpacken”, sagt er in gewohnt trockener Manier in der Dokumentation “Deutschland, deine Künstler”.

Karl Lagerfeld in Paris, 2018

Einen Rückschlag erleidet er 1989, als sein Lebensgefährte Jacques de Bascher an Aids stirbt. Lagerfeld nimmt stark zu und stürzt sich in noch mehr Arbeit. Er kreiert mehrere Kollektionen unter seinem eigenen Namen und eröffnet in Paris die “Lagerfeld Gallery”, die Modesalon und Fotogalerie zugleich ist. 

2000 fasst er den Entschluss, seine Essgewohnheiten zu ändern – und beweist einen eisernen Willen. Nach lediglich 13 Monaten hat Lagerfeld 42 Kilogramm abgenommen. Er wollte in die schmal geschnittenen Dior-Anzüge von Hedi Slimane passen, erzählt er Paul Sahner.

Lagerfeld, der Kritiker

Karl Lagerfeld ist für seine offenen Worte bekannt: In einer französischen TV-Sendung kritisierte der Modedesigner die deutsche Flüchtlingspolitik. Die muslimischen Flüchtlinge seien Feinde der Juden, sagte der 84-Jährige vergangenes Jahr. Bei der Entscheidung, 2015 rund eine Million Flüchtlinge ins Land zu lassen, sei bei Bundeskanzlerin Angela Merkel “plötzlich die Pastorentochter hervorgekommen”, sagte der Modeschöpfer in der Sendung “Salut les Terriens” des Senders C8. Auf die Frage des Gastgebers, ob diese Entscheidung vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs und Deutschlands Rolle in der Griechenland-Krise als Image-Pflege zu sehen sei, bejahte Lagerfeld und kündigte an, nun etwas Schreckliches zu sagen: “Man kann nicht Millionen Juden töten und, auch wenn Jahrzehnte dazwischen liegen, später Millionen ihrer schlimmsten Feinde ins Land holen.” Wenige Monate später äußerte er sich erneut kritisch zur deutschen Flüchtlingspolitik und drohte mit der Rückgabe seiner deutschen Staatsbürgerschaft.

Lagerfeld, ein Gesamtkunstwerk

Seine schlanke Linie hat er bis heute gehalten. Auch seinem Look aus eng anliegender Hose, Jackett, Hemd mit Stehkragen, Zopf, Sonnenbrille, Handschuhen und Ringen ist er treu geblieben. Seine Aussagen sind spitzfindig und provokant wie eh und je. Nur der Bart ist neu.

Karl Lagerfeld ist ein Gesamtkunstwerk, eine “Abstraktion”, wie er einst von sich sagte. Er steckt voller Widersprüche: ist eitel und herrisch auf der einen Seite und beweist Selbstironie und Warmherzigkeit auf der anderen. Zu seinem – wahrscheinlich – 85. Geburtstag wünschen wir ihm alles Gute!