Hitler und “sein Volkswagen”

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Der VW-Käfer verdankt seine Entstehung den Nazis: Vor 80 Jahren legte Adolf Hitler den Grundstein für das Volkswagenwerk in Wolfsburg. Kritische Bilanz einer deutschen Erfolgsgeschichte.

“Der Adolf war’s” heißt das Kunstwerk des österreichischen Künstlers Wolfgang Flatz im Kunstmuseum der Stadt Wolfsburg: die Motorhaube eines VW-Käfers mit Hakenkreuz und den Farben der Bundesrepublik Deutschland

Zwei Männer, ein Großprojekt: Adolf Hitler und Ferdinand Porsche sind die Macher des VW Käfers. Porsche ist der geniale Konstrukteur, Hitler der politische Geburtshelfer. “Hier fanden sich zwei, die zueinander passten”, resümiert der Historiker Wolfram Pyta, Professor für Neuere Geschichte an der Universität Stuttgart.

Gemeinsam mit den Historikerkollegen Nils Havemann und Jutta Braun hat er in dem Buch “Porsche. Vom Konstruktionsbüro zur Weltmarke” die Geschichte des Konzerns nachgezeichnet, der am 25. April 1931 in Stuttgart gegründet wurde.

Fazit: Ohne die Unterstützung Hitlers hätte Porsche das Projekt des Volkswagens nicht zum Abschluss bringen können: “Hitler brauchte einen kreativen Kopf, um einen Kleinwagen zu konstruieren, der als Serienfahrzeug geeignet war”, sagt Pyta. “Und Porsche brauchte einen politischen Auftraggeber, der es ihm ermöglichte, nicht unter Kostendruck zu konstruieren.”


  • Ein toller Käfer

    Des “Führers” Volksauto

    Großprojekt Massenmobilisierung: Hitler und der Prototyp seines “Volkswagens” bei der Grundsteinlegung des Volkswagenwerks nahe dem niedersächsischen Fallersleben am 26. Mai 1938. Für Konstrukteur Ferdinand Porsche begann mit der Grundsteinlegung der Aufstieg zur Weltmarke.


  • Ein toller Käfer

    Konversion zum Kübelwagen

    Die Wehrmacht hat Vorrang: Für Hitlers Kriegszüge wurde der Volkswagen in einen Kübelwagen umgebaut. Das 950 Kilogramm leichte geländetaugliche Fahrzeug bewährte sich an der Front. Während des Russlandfeldzuges schob General von Manteuffel (im Vordergrund) es mit seiner Mannschaft aus dem Schlamm.


  • Ein toller Käfer

    Wir sind wieder wer

    Nur zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges läuft im VW-Werk in Wolfsburg am 5. August 1955 der millionste Käfer vom Band. Das Auto mit Buckel und Boxermotor avanciert zum Symbol für das deutsche Wirtschaftswunder.


  • Ein toller Käfer

    Vater, Mutter, Kind, Käfer

    Die Vision eines Volkswagens, der Platz für vier Personen bietet, zuverlässig und erschwinglich ist, stammt bereits aus der Frühzeit des Automobilbaus. In den 60er Jahren erfüllte sich dieser Konsumtraum für viele Familien. Beim Modell VW 1200 sorgte das Schiebedach für einen Flair von Sommerfrische.


  • Ein toller Käfer

    Vom Asphalt auf den Acker

    Es muss kein Traktor sein: Auch in der Landwirtschaft bewährt sich der Käfer. Dank Hinterradantrieb hoppelt er über die Felder und nimmt Landwirten in den 50er Jahren mit einem angehängten Pflug schwere Feldarbeit ab.


  • Ein toller Käfer

    Er läuft nicht mehr

    Ende einer Ära: Am 1. Juli 1974 rollt im VW-Stammwerk in Wolfsburg der letzte in Deutschland produzierte Käfer mit der Nummer 11.916.519 vom Band. In Mexiko und Brasilien läuft die Produktion des Volkswagens weiter.


  • Ein toller Käfer

    Von Kopf bis Fuß auf Liebe eingstellt

    Viva el Vocho! Es lebe der mexikanische Käfer! In Puebla lief der Käfer noch bis zum 30. Juli 2003 vom Band. Mitarbeiter von “Volkswagen de Mexico”, die einander das Jawort geben wollten, wurden in dem schmiedeeisernen “Hochzeitskäfer” zur Trauung gefahren.


  • Ein toller Käfer

    Comeback in Brasilien

    Ein Land im Nostalgie-Rausch: 1993 ordnete der damalige brasilianische Präsident Itamar Franco (li) die Wiederaufnahme der Käfer-Produktion im Land an. Zwischen 1959 bis 1986 waren dort knapp 3,3 Millionen “Fusca”, so die brasilianische Bezeichnung, produziert worden. Von 1993 bis 1996 liefen 46.000 weitere Exemplare vom Band.


  • Ein toller Käfer

    Vom Volkswagen zum Weltwagen

    Auch in vielen anderen Ländern, darunter Südafrika, Belgien, Australien und Indonesien, läuft die Produktion des Käfers weiter. Aus dem Volkswagen für Deutsche wurde ein Auto für alle: Fast 22 Millionen Exemplare wurden weltweit hergestellt und verkauft. In vielen Ländern, wie hier in Ägypten, rollt der Käfer immer noch.


  • Ein toller Käfer

    Blick ins Blaue

    Für Käfer-Nostalgiker und Liebhaber: 1998 brachte VW den “New Beetle” vom Typ 9C auf den Markt. Der Wagen im Retro-Design verfügte zwar über Buckel und Kulleraugen wie das Original von Ferdinand Porsche. Preis und PS lagen allerdings weit jenseits der ursprünglichen Anschaffungspreise eines VW-Käfers.


  • Ein toller Käfer

    Alte Liebe rostet

    Frisches Grün auf altem Blech: Auf einem Gelände der Landesanstalt für Wein- und Gartenbau bei Margretshöchheim ranken sich Zierpflanzen auf dem rostigen Blech des in die Jahre gekommenen Käfers. Auf in die grüne Zukunft!

    Autorin/Autor: Astrid Prange


Motorisierung und Mobilisierung

Bereits auf der Automobilausstellung im Februar 1933, also wenige Wochen nach seiner Ernennung zum Reichskanzler, hatte Hitler die “Volksmotorisierung” angekündigt. Im Sommer 1934 beauftragte der “Reichsverband der Deutschen Automobilindustrie” Porsche, einen “Kraft durch Freude”-Wagen zu konzipieren, benannt nach der gleichnamigen nationalsozialistischen Organisation für Freizeitgestaltung.

1935 führt Ferdinand Porsche (Mitte, ohne Mütze) Adolf Hitler (Rückbank) den Prototypen seines Volkswagens vor

Am 29. Dezember 1935 nahm Hitler, der selbst keinen Führerschein besaß, den Prototyp “seines Volkswagens” höchstpersönlich ab. Gut zwei Jahre später wurde am 26. Mai 1938 in Anwesenheit des “Führers” die Grundsteinlegung des VW-Werks in Wolfsburg gefeiert.

Doch der “Kraft durch Freude” – Wagen diente zunächst nicht der “Volksmotorisierung”, sondern der Wehrmacht. Er wurde als militärisch nutzbarer und geländegängiger Kübel- und Schwimmwagen an der Front eingesetzt.

Überrascht von dieser militärischen Nebennutzung war allerdings kaum jemand. Denn die Konversion stand von Anfang an fest. In einem Exposé von Porsche aus dem Jahr 1934 heißt es, dass “ein Volkswagen nicht nur als Personenwagen, sondern auch als Lieferwagen und für bestimmte militärische Zwecke geeignet sein muss”.

Ein französischer Volkswagen?

Die Erfolgsgeschichte des Kleinwagens für das Volk begann erst nach dem Krieg. Um die NS-Vergangenheit abzuschütteln, wurde er in “Käfer” umbenannt. Bereits im Dezember 1945 – ein halbes Jahr nach Kriegsende – rollte der erste Käfer vom Band. Zehn Jahre später feiert Volkswagen das millionste Exemplar. Der Wagen mit Buckel und Boxermotor avancierte zum Symbol des deutschen Wirtschaftswunders. Als “Beetle” feierte er weltweit Rekordabsätze. Fast 22 Millionen Käfer wurden insgesamt produziert und verkauft.

Volksfeststimmung im Volkswagenwerk: 1955 rollt der millionste Käfer vom Band. Der goldene Lack ist fast zu erahnen.

Seine nationalsozialistische Vergangenheit schüttelte der Käfer bereits in der Nachkriegszeit ab. Ausgerechnet das kommunistisch geführte französische Ministerium für industrielle Produktion nahm im Oktober 1945 Kontakt zu Porsche auf.

“Dass die Abkopplung vom Nationalsozialismus gelungen ist, sieht man nirgendwo deutlicher, als in dem Bemühen der französischen Regierung, den Konstrukteur des Volkswagens für ihre Dienste zu gewinnen”, meint Historiker Pyta.

“Grenzenloser Opportunismus” 

Die französische Konkurrenz wusste ein deutsches “voiture populaire” allerdings zu verhindern. “Es kam zu einer Intrige der Konkurrenten Renault und Peugeot”, erklärt Pyta im Gespräch mit der DW. “Porsche und sein Schwiegersohn Anton Piëch wurden beschuldigt, an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen zu sein”.

Eine Ära geht zu Ende: Am 30. Juli 2003 wurde in Mexiko der letzte Käfer weltweit produziert

Porsche wurde daraufhin im Dezember 1945 überraschend in den Gewahrsam der französischen Militärbehörden genommen und blieb bis August 1947 in Haft. Den weltweiten Erfolg des Käfers konnte dies nicht aufhalten.

Für den renommierten Zeithistoriker Pyta ist eine Kooperation wie die zwischen Porsche und Hitler gar nicht so außergewöhnlich: Vermeintlich unpolitische Macher seien häufig beeindruckt, wenn autoritäre Herrscher sie mit faszinierenden Großprojekten lockten: “Porsche war nicht der einzige, der sich ohne jede moralische Bedenken in einem grenzenlosen Opportunismus den Machthabern an den Hals warf”, sagt Pyta. “Wirtschaftlich Verantwortliche, die allein am Erfolg ihres Unternehmens oder an der Umsetzung ehrgeiziger technischer Projekte interessiert sind, haben gelegentlich keinerlei Bedenken, mit Machthabern zu paktieren.”

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80 Jahre VW Käfer

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