“Writing in Migration”: Erstes afrikanisches Literaturfestival in Berlin

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Transkulturelle Erfahrungen, Geschlechterrollen und Migration gehören zu den Themen des Literaturfestivals “Writing in Migration”. Vor der Veranstaltung sprach die DW mit drei Autoren aus Afrika.

Migration, kulturelle Identität und die Kunst des Geschichtenerzählens stehen im Mittelpunkt des Literaturfestivals. Vom 26. bis 28. April 2018 diskutieren etwa 30 Autoren im Berliner Kino Babylon über diverse Themen, darunter Geschlechterrollen, Kolonialismus, Rassismus, Transkulturalität, Tradition und Migration.

Der Fokus des Festivals liegt auf der Frage, wie Schriftsteller in Afrika, oder afrikanische Schriftsteller in der Diaspora, mit Veränderungen umgehen, die mit erzwungener oder freiwilliger Umsiedlung einhergehen. Das von der deutsch-nigerianischen Künstlerin Olumide Popoola kuratierte Festival soll eine allgemeine Diskussion über Migration anregen, insbesondere darüber, wie Migration Kultur und Literatur beeinflusst.

Chika Unigwe

Chika Unigwe: Wie Geschichten die Identität formen

Die in Nigeria geborene Autorin Chika Unigwe, die jetzt in Atlanta, USA, lebt, verbrachte zuvor einige Zeit in Belgien. Dort spielt ihr auch ins Deutsche übersetzter Roman “Schwarze Schwestern”. Unigwe kann daher aus persönlicher Erfahrung einschätzen, wie Migration Literatur beeinflussen kann: “Ich denke nicht, dass es ein Zufall ist, dass meine Protagonisten Menschen sind, die ebenfalls migriert sind oder migrieren wollen”, meint Unigwe.

Die Autorin will im Rahmen des Festivals auch kontroverse Standpunkte zum Thema Feminismus in Afrika ansprechen. “Die jetzige jüngere Generation von Frauen rebelliert eher gegen die Tradition auf”, sagt Unigwe. “Irgendwie fühlen sie sich mit westlichem Feminismus stärker verbunden als die Generationen vor ihnen.”

“Black Panther” und die Umkehrung von Macht

Die Autorin misst der Erzählkunst bei der Formung einer kulturellen Identität eine wichtigere Rolle bei als jemals zuvor. Obwohl sie kein Fan von Filmen mit Superhelden ist, machte sie kürzlich eine Ausnahme für den Marvel-Film “Black Panther” mit Lupita Nyongo’o und Chadwick Boseman. Gemeinsam mit ihrem Sohn und einem Freund sah sie sich den Film an – und er hat ihr sogar gefallen. “Da waren fast nur Weiße um uns herum, und doch wurden wir von starken afrikanischen Akzenten konfrontiert, und es gab keine Untertitel. Aber die Leute wussten, wann sie zu lachen hatten”, so ihre Beobachtung. “Es mag sich blöd anhören, aber mir kam das vor wie eine Umkehrung von Macht.”

Der Film hat Unigwe so nachhaltig beeindruckt, dass sie ihn sogar mit einem anderen Meilenstein der afroamerikanischen Geschichte vergleicht: “Es fühlte sich so ähnlich an wie der Wahlsieg von Barack Obama, so als ob etwas Umwälzendes passieren würde.” Es geht Unigwe nicht etwa darum, dass ihr der Film besonders gut gefallen hätte (das tat er nicht), sondern vielmehr darum, dass er eine Veränderung signalisierte, die westliche Kultur transzendiert. “Spannungen zwischen den verschiedenen Rassen sind in den USA zur Zeit so stark, dass es fast schon gefährlich ist, dort als Schwarzer zu leben”, berichtet Unigwe. Sie hofft, dass der “Black Panther-Effekt” mehr wichtige Rollen für Frauen nach sich ziehen wird, und das sowohl in Hollywood, wie auch in Nollywood – der nigerianischen Filmindustrie.

Elnathan John

Elnathan John: Jenseits des ersten Eindrucks

Auch der Rechtsanwalt, Schriftsteller und Satiriker Elnathan John wird an dem Festival teilnehmen. In seinen Büchern spielen Wanderbewegungen und wechselnde Lebensorte eine große Rolle. Der Autor, dessen Buch in deutscher Übersetzung unter dem Titel “An einem Dienstag geboren” erschien, spielt in Nord-Nigeria. Er kam erstmals 2014 für Forschungszwecke nach Deutschland und ließ sich 2016 in Berlin nieder.

Zur Zeit arbeitet John an einem historischen Roman, der im Norden Nigerias während des 18. Jahrhunderts spielt. Beim der Podiumsdiskussion “The Past is the Present” wird er sich damit beschäftigen, wie Geschichtenerzähler mit historischen Ereignissen umgehen. Der Autor ist ein scharfer Beobachter seiner Umgebung. Egal, um welche Zeitepoche es geht, sucht er immer nach einer “Mikro-Story”: “Ich will Geschichten über ganz normale Leute schreiben”, erklärt er.

Berlin: “der netteste rassistische Ort der Welt”

In einem Artikel für den Economist schrieb John über seine Erfahrungen in städtischen Grünanlagen in Berlin. Während er in seiner Kindheit in Nigeria gerne in Parks spazieren ging, begann er in Berlin, sie zu meiden, nachdem er beobachtet hatte, dass sich dort häufig große Gruppen schwarzer Drogenhändler herumtreiben. Während er an diesem Thema arbeitete, lernte John im Görlitzer Park einen Drogenhändler aus Gambia kennen. Er fand auch heraus, dass der Drahtzieher des Dealers ein weißer Deutscher ist.

John schwärmt zwar von Berlin, hat dort aber auch Erfahrungen mit Rassismus machen müssen. Ebenfalls hat er von anderen Schwarzen gehört, die anderswo in Deutschland solche Erfahrungen machen. “Ich denke, einer der ganz großen Vorteile von Berlin ist – und hier kann ich nicht für ganz Deutschland sprechen – dass es auch für Schwarze eine sehr lebenswerte Stadt ist”, sagt John. “Auch an Tagen, an denen ich von mir völlig fremden Leuten rassistisch beschimpft werde, treffe ich andere, die mir Hilfe anbieten.” Mit einer recht interessanten Aussage fasst John seine gemischten Erfahrungen zusammen: “Berlin ist einer der nettesten rassistischen Orte der Welt.”

Olumide Popoola: von Bielefeld nach London

Die Autorin Olumide Popoola kuratiert das Festival. Sie ist nigerianisch-deutscher Herkunft und lebt jetzt in London. Popoola sagt, ihre Identität sei durch das Hin- und Herreisen zwischen verschiedenen Kulturen geprägt worden. In ihrem Roman “When We Speak of Nothing” (bisher noch nicht auf Deutsch übersetzt) geht es um einen Transgender-Mann namens Karl, der in London lebt. Inspiriert wurde Popoola durch die Beziehung zwischen jungen schwarzen Männern in einem Gemeindezentrum in London.

“Mir war bewusst, wie sehr sie in den Medien und der Öffentlichkeit verunglimpft werden”, erzählt sie. “Sie sind immer die Bösewichte. Aber ich habe eine wundervolle Zärtlichkeit in ihren Beziehungen beobachten können.” Popoola, die eine 20 Monate alte Tochter hat, hofft, dass das Zusammenbringen von visionären Schriftstellern und Künstlern, die Migrationsthemen beleuchten, eine offene Diskussion darüber anregen wird.

Reisen zwischen den Sprachen

“Seit meiner Kindheit reise ich zwischen Nigeria und Deutschland hin und her. So wurde meine Identität nicht nur durch verschiedene Kulturen geprägt, sondern auch durch das Reisen an sich. In eine Sprache rein- und wieder raustauchen, sowie manchmal die Unfähigkeit, das eine Land wirklich komplett zu verlassen – das sind die Themen, die ich erforschen will, und ich weiß, dass auch andere Schriftsteller dies tun.”

Popoola, die ursprünglich aus Bielefeld stammt, ist besonders interessiert an Mischsprachen, sowie “an Dingen, die vielleicht nicht perfekt sind”. Sie fügt hinzu: “Was mich wirklich fasziniert hat, ist, dass man es schaffen kann, dass all das zusammen funktioniert.”