Lienen: Spieler werden “ausgelutscht”

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Er war einer der ersten Trainer des jungen Fußball-Profis Per Mertesacker. Dass dieser jetzt den Stress anprangert, findet Ewald Lienen völlig nachvollziehbar.

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Der langjährige Fußball-Bundesligaspieler und -trainer Ewald Lienen macht die Terminfülle für den mentalen Stress der Fußballer verantwortlich. Spieler müssten “jetzt bisweilen über 60 Pflichtspiele pro Saison austragen, sie werden ausgelutscht. Dieser Raubbau an der mentalen Kraft der Spieler ist unverantwortlich”, sagte der Technische Direktor des Zweitligisten FC St. Pauli dem Nachrichtenmagazin “Der Spiegel”.

“Möglichst viel Geld herauszupressen”

Nachdem Weltmeister Per Mertesacker dem “Spiegel” wenige Monate vor seinem angekündigten Karriereende offenbart hatte, wie er unter dem hohen Druck des Profifußballs gelitten habe, kritisierte auch Lienen die überladenen Spielpläne der Profis. “Wir haben es geschafft, das Produkt auszuweiten, um möglichst viel Geld herauszupressen. Und das wird auf dem Rücken der Spieler ausgetragen”, sagte der 64-Jährige.

Mertesackers Äußerungen hatten eine heftige Debatte über die Situation im Profisport ausgelöst. Der Noch-Mannschaftskapitän von Arsenal London war dabei auf viel Verständnis gestoßen. Allerdings hatte es auch Stimmen wie die von Lothar Matthäus gegeben – der Ex-Nationalspieler hatte als Experte im TV-Sender “Sky” erklärt, mit seiner Haltung könne Mertesacker jungen Fußballern nicht die notwendige Professionalität vermitteln, wie dieser dies künftig in der Nachwuchsakademie von Arsenal vorhabe.

Per Mertesacker, Kapitän in London

Empfindungen verbergen

Im Fußball bemühe man sich zu wenig, “völlig wertfrei herauszufinden, wie die Spieler eigentlich ticken”. Dadurch gehe vieles im Tagesgeschäft unter, und man habe erst jetzt gelernt, dass die Spieler “vieles dafür tun, ihre wahren Empfindungen zu verbergen”. Seine persönliche Situation öffentlich zu schildern sei eine “sehr mutige Entscheidung” von Per Mertesacker, zu dessen ersten Profitrainern Lienen zählte, gewesen. Dadurch sei die Hemmschwelle niedriger geworden, über das Thema zu reden.

ml/cc (dpa, afp, Der Spiegel)