Fazal Bahardeen: “Kein muslimischer Tourist will nur im Hotel sitzen und beten.”

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Auf Muslime zugeschnittene Reiseangebote sind ein wachsender Markt. Fazal Bahardeen, Gründer des ersten Rating-Unternehmens für muslim-freundliche Hotels, wirbt auf der ITB in Berlin für den Halal-Tourismus.

DW: Fazal Bahardeen, Sie haben 2008 das erste Rating-Unternehmen für muslim-freundliche Hotels gegründet, und Sie betreiben eine Internet-Reiseseite für Muslime. Wie entwickelt sich der Halal-Tourismus in Europa?

Fazal Bahardeen: Die rund 120 Millionen muslimischen Reisenden pro Jahr bevorzugen im Moment noch Länder in Asien, aber Europa ist beliebt, vor allem Frankreich, Spanien, Deutschland und Italien. Ich sehe auch bei einigen europäischen Ländern Interesse an dem wachsenden Markt für Halal-Tourismus. Aber in Europa wird nicht aktiv versucht, muslimische Reisende anzusprechen. Ich glaube, das liegt auch an der negativen Berichterstattung über Muslime. Diese Negativität hält Reiseanbieter und Hotels wahrscheinlich davon ab, sich mehr mit dem muslimischen Reisemarkt zu beschäftigen.

Muslimische Familie am Strand

Gibt es einen typischen Halal-Touristen?

Die meisten muslimischen Reisenden kommen aus Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Indonesien und Malaysia. Einen typischen Halal-Touristen gibt es aber nicht. Manche gläubige Muslime legen zum Beispiel nur Wert darauf, dass sie auf ihren Reisen halal essen können und dass sie die Möglichkeit haben zu beten. Für andere ist es dagegen sehr wichtig, dass das Hotel, in dem sie Urlaub machen, noch viel mehr auf Muslime eingeht, und dass es zum Beispiel keinen Nachtclub gibt und keine Bar, die Alkohol ausschenkt.

Verhindern auf Muslime zugeschnittene Angebote nicht, dass diese das Reiseland und seine Kultur kennen lernen?

Nein, das verhindern sie auf keinen Fall. Kein muslimischer Tourist reist nach London, München oder Berlin, um nur in seinem Hotel zu sitzen und halal zu essen und zu beten. Muslimische Touristen wollen das machen, was alle Touristen machen: die Stadt erleben, die Kultur erfahren, Spaß haben. Gleichzeitig wollen sie sich keine Gedanken darüber machen, ob sie ihren grundlegenden religiösen Bedürfnissen nachgehen können. Sie wollen ihren Urlaub genießen und nicht stundenlang nach dem richtigen Essen oder einem Ort zum Beten suchen.

Kayakfahren in der Crystal Lagoon auf der Insel Bintan in Indonesien

Sie moderieren auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin die Veranstaltung “Halal-Tourismus”. Was erwarten sie von Ihrem Besuch bei der ITB?

Die einzige Möglichkeit die negative Wahrnehmung von Muslimen zu ändern, ist mit den Menschen zu reden. Manche scheinen die Auseinandersetzung mit dem Markt Halal-Tourismus geradezu zu scheuen, und da ist die ITB eine gute Möglichkeit ihnen diesen Markt zu erklären und näher zu bringen. In der Reisebranche kommt es darauf an, seine Kunden zu kennen – und wenn man mehr muslimische Kunden will, muss man sich auf sie einstellen.

Fazal Bahardeen

Ihr Unternehmen CrescentRating bewertet, wie muslim-freundlich Hotels sind. Und Ihre Webseite HalalTrip bietet darüber hinaus Informationen und Reisetipps für Muslime. Was ist praktizierenden Muslimen auf Reisen wichtig?

Ich musste für meine Arbeit viel reisen. Es war für mich oft schwierig, einen Ort zu finden, an dem ich fünfmal am Tag beten konnte, oder Essen zu bekommen, das halal war. In vielen Hotels hat das Personal meine Fragen gar nicht verstanden. Mir ist damals bewusst geworden, dass es anderen Muslimen ähnlich gehen muss. Darum habe ich CrescentRating gegründet. Unsere Bewertungen zeigen jeweils den Service, den Hotels Muslimen bieten. HalalTrip ist eine online-Plattform, etwa wie TripAdvisor, nur für Muslime. Hier findet man Tipps zu Reisezielen und man kann auch muslim-freundliche Hotels buchen.

Die USA verhängten mehrmals Einreiseverbote für Menschen aus mehrheitlich muslimischen Ländern und erleben zurzeit einen Rückgang bei Touristen aus dem Nahen Osten. Überrascht Sie das?

Nein, überhaupt nicht. Die USA war immer ein relativ kleiner Markt, und jetzt sinken die Zahlen noch einmal. Als Reisender hat man sehr viele Optionen. Und niemand will an einen Ort fahren und dort sein Geld ausgeben, wenn man das Gefühl hat, man ist nicht willkommen. Auch in Europa gibt es Vorfälle, wie das Burkini-Verbot in Frankreich, die Muslime in der Wahrnehmung bestärken können, dass sie nicht willkommen sind.

 

Fazal Bahardeen ist in Sri Lanka geboren.Vor der Gründung von CrescentRating (2008) und HalalTrip (2015) arbeitete er für ein französisches Unternehmen als Manager in der Telekommunikationsbranche. CrescentRating und HalalTrip haben ihren Sitz in Singapur. Fazal Bahardeen ist verheiratet und Vater von drei Töchtern und einem Sohn.

 Das Gespräch führte Lina Elter.

 

Halal-Tourismus
Das arabische Wort halal bezeichnet Lebensmittel und Verhaltensweisen, die mit der islamischem Religion in Einklang stehen. Der Halal-Tourismus richtet sich an den religiösen Bedürfnissen von Muslimen aus. Zum Service von muslim-freundlichen Hotels gehören nach islamischem Recht zubereitetes Essen, Gebetsräume oder Hotelzimmer, in denen ein Pfeil die Richtung nach Mekka anzeigt, kein Alkoholausschank, spezielle Essenszeiten während des Fastenmonats Ramadan und separate Öffnungszeiten für Frauen und Männer in Sporträumen oder Schwimmbädern.