Frankfurter Schirn zeigt Jean-Michel Basquiat

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Basquiat war der erste schwarze Superstar der Kunst. Die Schau “Boom for Real” offenbart die kulturelle Vielfalt, die hinter seinen Bildern steckt – und zeigt einen Künstler, dessen Werk heute aktueller ist denn je.

  • “Boom for Real” – die Frankfurter Schirn zeigt Basquiat

    Untitled (1982)

    Siegerpose eines Boxers mit Rinderschädel und Heiligenschein: typisch Jean-Michel Basquiat. Zusammen passt, was ihn interessiert. Wie hier Voodoo, christliche Symbolik und Sport, aber auch Bebop, die schwarze Bürgerrechtsbewegung und das Fernsehen – die Einflüsse auf seine Kunst waren so vielseitig wie er selbst.

  • “Boom for Real” – die Frankfurter Schirn zeigt Basquiat

    Untitled 1980

    Diese Vielseitigkeit steht im Focus von “Boom for Real”. Aufsehen erregte Basquiat zunächst als Graffiti Writer, der Durchbruch als Künstler gelang ihm 1981 als Teilnehmer der New Yorker Gruppenausstellung “New York / New Wave”. Seine damals ausgestellten Werke sind jetzt in der Schirn noch einmal nahezu komplett zu sehen – dieses Werk, gesprüht auf emailliertes Metall, hing damals am Eingang.

  • “Boom for Real” – die Frankfurter Schirn zeigt Basquiat

    Untitled (Crown, 1982)

    Die Krone – ein Symbol, das Basquiat immer wieder verwendete. Sie taucht in seinen Werken als Herrschaftssymbol über den Köpfen seiner schwarzen Idole oder über seinen Selbstbildnissen auf. Die Krone wurde zu einem seiner Markenzeichen, das heute unzählige Merchandisingartikel, aber auch die Körper seiner Anhänger als Tattoo ziert.

  • “Boom for Real” – die Frankfurter Schirn zeigt Basquiat

    A Panel of Experts (1982)

    Hier fügt sich Basquiats Samplen von Alltagsdingen im Kopf des Betrachters zu einer Szene zusammen. Basquiat, der als Kind Comiczeichner werden wollte, sieht sich an einem Samstagmorgen Cartoons im Kinderfernsehen an und knuspert dazu süße Cerealien. Krak! Krak! Der Name “Madonna” könnte darauf hinweisen, dass er dabei nicht allein war: 1982 hatte er eine kurze Affäre mit der Sängerin.

  • “Boom for Real” – die Frankfurter Schirn zeigt Basquiat

    Dos Cabezas (1982)

    Auch seine Freundschaft zu Andy Warhol thematisiert die Ausstellung. Basquiat verließ das erste gemeinsame Essen, um “Dos Cabezas” (Zwei Köpfe) zu malen. Er ließ das Bild, noch feucht, zum Pop-Art-Papst bringen. Dessen Reaktion: “Ich bin neidisch. Er ist schneller als ich.” Arrangiert hatte das Treffen der Galerist Bruno Bischofberger, der die beiden von einer Kooperation überzeugte.

  • “Boom for Real” – die Frankfurter Schirn zeigt Basquiat

    Arm and Hammer II (1984)

    Die Zusammenarbeit war überaus produktiv. Rund 150 Werke schufen die beiden gemeinsam. Hier hat Basquiat Warhols Markenlogo mit dem Konterfei eines seiner Helden übermalt: dem Bebop-Virtuosen Charlie Parker, gestorben 1955. Doch die Künstlerfreundschaft fand ein abruptes Ende: Als 1985 eine gemeinsame Ausstellung bei den Kritikern durchfiel, brach Basquiat den Kontakt ab.

  • “Boom for Real” – die Frankfurter Schirn zeigt Basquiat

    King Zulu (1986)

    Seinen Jazzhelden widmete Basquiat auch “King Zulu”. Das Gemälde zeigt die Jazztrompeter Bix Beiderbecke, Bunk Johnson und Howard McGhee. Im Zentrum schwebt ein geschminktes Gesicht: Es gehört Louis Armstrong, der so als Zulu-König einst in New Orleans auftrat.

  • “Boom for Real” – die Frankfurter Schirn zeigt Basquiat

    Jean-Michel Basquiat trägt einen Footballhelm (1981)

    T-Shirt, Designeranzug, auf dem Kopf ein Helm, der seinem Idol, dem schwarzen Footballstar Hank Aaron, huldigt: Jean-Michel Basquiat war ein Meister der Selbstinszenierung – und des Pinsels. Bis zu seinem Tod im Alter von 27 Jahren erschuf er mehr als 1000 Gemälde und Objekte. Rund 100 davon zeigt die Schirn Kunsthalle Frankfurt noch bis zum 27. Mai in der Ausstellung “Boom for Real”.

    Autorin/Autor: Katharina Abel


  • “Boom for Real” – die Frankfurter Schirn zeigt Basquiat

    Untitled (1982)

    Siegerpose eines Boxers mit Rinderschädel und Heiligenschein: typisch Jean-Michel Basquiat. Zusammen passt, was ihn interessiert. Wie hier Voodoo, christliche Symbolik und Sport, aber auch Bebop, die schwarze Bürgerrechtsbewegung und das Fernsehen – die Einflüsse auf seine Kunst waren so vielseitig wie er selbst.

  • “Boom for Real” – die Frankfurter Schirn zeigt Basquiat

    Untitled 1980

    Diese Vielseitigkeit steht im Focus von “Boom for Real”. Aufsehen erregte Basquiat zunächst als Graffiti Writer, der Durchbruch als Künstler gelang ihm 1981 als Teilnehmer der New Yorker Gruppenausstellung “New York / New Wave”. Seine damals ausgestellten Werke sind jetzt in der Schirn noch einmal nahezu komplett zu sehen – dieses Werk, gesprüht auf emailliertes Metall, hing damals am Eingang.

  • “Boom for Real” – die Frankfurter Schirn zeigt Basquiat

    Untitled (Crown, 1982)

    Die Krone – ein Symbol, das Basquiat immer wieder verwendete. Sie taucht in seinen Werken als Herrschaftssymbol über den Köpfen seiner schwarzen Idole oder über seinen Selbstbildnissen auf. Die Krone wurde zu einem seiner Markenzeichen, das heute unzählige Merchandisingartikel, aber auch die Körper seiner Anhänger als Tattoo ziert.

  • “Boom for Real” – die Frankfurter Schirn zeigt Basquiat

    A Panel of Experts (1982)

    Hier fügt sich Basquiats Samplen von Alltagsdingen im Kopf des Betrachters zu einer Szene zusammen. Basquiat, der als Kind Comiczeichner werden wollte, sieht sich an einem Samstagmorgen Cartoons im Kinderfernsehen an und knuspert dazu süße Cerealien. Krak! Krak! Der Name “Madonna” könnte darauf hinweisen, dass er dabei nicht allein war: 1982 hatte er eine kurze Affäre mit der Sängerin.

  • “Boom for Real” – die Frankfurter Schirn zeigt Basquiat

    Dos Cabezas (1982)

    Auch seine Freundschaft zu Andy Warhol thematisiert die Ausstellung. Basquiat verließ das erste gemeinsame Essen, um “Dos Cabezas” (Zwei Köpfe) zu malen. Er ließ das Bild, noch feucht, zum Pop-Art-Papst bringen. Dessen Reaktion: “Ich bin neidisch. Er ist schneller als ich.” Arrangiert hatte das Treffen der Galerist Bruno Bischofberger, der die beiden von einer Kooperation überzeugte.

  • “Boom for Real” – die Frankfurter Schirn zeigt Basquiat

    Arm and Hammer II (1984)

    Die Zusammenarbeit war überaus produktiv. Rund 150 Werke schufen die beiden gemeinsam. Hier hat Basquiat Warhols Markenlogo mit dem Konterfei eines seiner Helden übermalt: dem Bebop-Virtuosen Charlie Parker, gestorben 1955. Doch die Künstlerfreundschaft fand ein abruptes Ende: Als 1985 eine gemeinsame Ausstellung bei den Kritikern durchfiel, brach Basquiat den Kontakt ab.

  • “Boom for Real” – die Frankfurter Schirn zeigt Basquiat

    King Zulu (1986)

    Seinen Jazzhelden widmete Basquiat auch “King Zulu”. Das Gemälde zeigt die Jazztrompeter Bix Beiderbecke, Bunk Johnson und Howard McGhee. Im Zentrum schwebt ein geschminktes Gesicht: Es gehört Louis Armstrong, der so als Zulu-König einst in New Orleans auftrat.

  • “Boom for Real” – die Frankfurter Schirn zeigt Basquiat

    Jean-Michel Basquiat trägt einen Footballhelm (1981)

    T-Shirt, Designeranzug, auf dem Kopf ein Helm, der seinem Idol, dem schwarzen Footballstar Hank Aaron, huldigt: Jean-Michel Basquiat war ein Meister der Selbstinszenierung – und des Pinsels. Bis zu seinem Tod im Alter von 27 Jahren erschuf er mehr als 1000 Gemälde und Objekte. Rund 100 davon zeigt die Schirn Kunsthalle Frankfurt noch bis zum 27. Mai in der Ausstellung “Boom for Real”.

    Autorin/Autor: Katharina Abel


Basquiat, der schwarze Superstar. Einwandererkind einer puerto-ricanischen Mutter und eines haitianischen Vaters, Angehöriger der Mittelschicht und zwischenzeitlich Obdachloser. Jazzfan und Hip-Hopper. Liebling der weißen Kunstszene, aber keineswegs der rohe, wilde schwarze Mann, den sie in ihm sehen will, sondern belesen und polyglott. Ein Träger von Designeranzügen, der Schwierigkeiten hatte, auf der Straße ein Taxi zu bekommen.

Als er mit 27 Jahren an einer Überdosis Heroin stirbt, hinterlässt er ein Œu­v­re von rund 1000 Gemälden und etwa doppelt so vielen Zeichnungen – und wird endgültig zum Mythos. 

Natürlich erzielen Basquiat-Gemälde heute Rekordpreise, welcher bekannte Künstler tut das nicht. Für 110 Millionen Dollar ging ein unbetiteltes Werk in den Besitz eines japanischen Sammlers über. Kein Einzelfall, wenn es um Basquiat geht: Auffallend viele seiner Werke sind in privaten Sammlungen verschwunden, nur wenige haben es in die Bestände der großen Museen geschafft. Was also ist sein Wert jenseits des Geldes?

Der Kunsthistoriker und Basquiat-Kurator Dieter Buchhart schlägt den ganz großen Bogen: “Basquiat steht in einer Reihe mit Persönlichkeiten wie Martin Luther King und Michael Jackson, die den ersten afroamerikanischen Präsidenten in den USA, Barack Obama, ermöglicht haben.” Weil er eben diese weiße Sichtweise ironisch entblößte, weil er mit seiner Kunst gegen Rassismus und Unterdrückung aufbegehrte und deshalb, zwanzig Jahre nach seinem Tod, Vorbild vieler junger Afroamerikaner ist, die sich in der “Black Lives Matter”-Bewegung engagieren.

Große Formate, viel Interpretationsspielraum: “Boom for Real” in der Frankfurter Schirn

Pionier des Copy-und-Paste-Zeitalters

Basquiats kunsthistorischen Wert können deutsche Kunstfans jetzt selbst ergründen: in der ersten großen Einzelausstellung über den US-amerikanischen Künstler in Deutschland seit 32 Jahren. Etwa 100 seiner Gemälde, dazu zahlreiche Zeichnungen, Notizen und Fotografien, zeigt die Frankfurter Schirn in der Ausstellung “Boom for Real”, die zuvor schon im Londoner Barbican Centre zu sehen war.

Dabei wird klar: Basquiat war nie aktueller als heute. Als einer, der alles, was er sah, las oder hörte, zu Kunst verarbeitete, wirkt er im heutigen Copy-und-Paste-Zeitalter, in dem alles durch nur einen Klick miteinander verknüpft werden kann, wie ein Pionier aus der analogen Zeit.

Futter für beide Gehirnhälften

“Basquiat wird häufig dem Neo-Expressionismus zugeordnet, dabei war sein Werk eigentlich konzeptuell geprägt”, erklärt Kurator Dieter Buchhart. Seine Werke sind übervoll mit Bezügen zu unterschiedlichsten Quellen – vom Anatomiebuch, das ihm seine Mutter schenkte, als er acht Jahre alt war, über Cartoons bis zu Standardwerken der Kunstgeschichte. Von Voodoo bis zur Bibel. Von der Karibik bis Afrika. Von William S. Borroughs bis zu David Lynch. Von Leonardo da Vinci bis zu Pablo Picasso. Dazu die afroamerikanischen Stars der Jazz- und Sportszene, die er verehrte und immer wieder malte. Alles schichtete er über- und nebeneinander, verknüpft mit Wörtern, die gleichberechtigt neben den Zeichnungen stehen, sie kommentieren und gleichzeitig neue Assoziationen auslösen. “Dadurch entsteht ein interessanter Leseprozess, der beide Gehirnhälften beim Betrachter aktiviert. Auch damit hat er Kunstgeschichte geschrieben”, sagt Kurator Dieter Buchhart.

Freunde: Basquiat und Keith Haring 1987 in New York

Fast unmöglich, das alles zu decodieren. Reizüberflutung droht. Doch dem setzt die Schirn einen engen Parcours entgegen, der die Besucher durch die Ausstellung führt. Los geht es, ganz chronologisch, mit Basquiats Anfängen als Teil des Graffiti-Duos SAMO, das mit poetisch-hintergründigen Slogans und Phrasen in SoHo und der Lower East Side die gewünschte Aufmerksamkeit der dort ansässigen Kunstszene erregte. Dann das Ereignis, das den Newcomer über Nacht als Künstler bekannt machte: Die New Yorker Sammelausstellung “New York / New Wave” 1981. In der Schirn sind 15 von Basquiats dort gezeigten Malereien wieder vereint – samt der Hängung in zum Teil fast luftigen Höhen. 

Freundschaft mit Keith Haring und Madonna

Anschließend nähert sich die Schau ihrem Star aus unterschiedlichen Blickwinkeln und zeigt die vielfältigen Einflüsse, die Basquiats Werk prägten. Da ist die blühende Clubszene im New York der Siebziger und Achtziger, in die Basquiat voll integriert war. Wie viele andere Künstler, mit denen er sich dort anfreundete, arbeitete er interdisziplinär: Für Themenparties schuf er Installationen, legte als DJ auf und übernahm von dort die Technik des Sampelns für seine Gemälde, indem er Bildideen häufig wiederverwendete. In den Clubs schloss er Freundschaften mit Stars wie Keith Haring und solchen, die es noch werden sollten, wie Madonna, mit der ihn auch eine kurze Affäre verband. 

Cover der von Basquiat produzierten Hip-Hop-Single “Beat Bop”

Ein weiterer Raum ist der Freundschaft mit Andy Warhol gewidmet. Der Galerist Bruno Bischofberger führte die beiden Künstler 1982 zusammen. Eine arrangierte Zusammenarbeit, aus der Freundschaft wurde. Davon zeugen auch die in der Ausstellung gezeigten humoristischen Porträts, die Basquiat von Warhol malte, und umgekehrt die Fotografien von Basquiat, die Warhol mit dem für ihn typischen Schnappschusscharakter knipste. Die Freundschaft beendet Basquiat 1985 allerdings abrupt, als eine gemeinsame Ausstellung bei den Kritikern durchfällt. Warhols Tod zwei Jahre später soll ihn erschüttert haben.

Basquiat in Dauerschleife

Höhepunkt der Ausstellung sind die zwei Räume, die sich Basquiats oft genutzten Quellen aus der Enzyklopädie und der Kunstgeschichte widmen. Hier hängen die Gemälde und Collagen dicht an dicht, jedes Werk allein ein Vergnügen für jeden, der kulturell beschlagen ist und gerne entschlüsselt. Gleichsam als Referenzen sind dazu einige der Bücher, die der Künstler in seiner umfangreichen Bibliothek stehen hatte, ausgestellt. Dahinter dann, in Dauerschleife, noch zwei Filme: Der eine zeigt Basquiat bei der Arbeit, der andere spielt einen Ausschnitt aus dem Spielfilm “Downtown 81”. Mit Basquiat in der Hauptrolle – als aufstrebender Künstler. Ewig jung.

Die Ausstellung “Boom for Real” ist vom 16. Februar bis zum 27. Mai 2018 in der Schirn Kunsthalle Frankfurt zu sehen.