Polens neue Regierung: PR-Trick oder Umbruch?

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Der neue polnische Ministerpräsident Morawiecki hat sein Kabinett umgebildet. Die größte Überraschung: Ein Minister, der als unantastbar galt, muss gehen. Erste Zeichen deuten auf eine pragmatische Kurskorrektur.

Vereidigung der neuen Regierung in Warschau

Es ist die erste und größte Regierungsumbildung in Polen seit der Machtübernahme durch das national-konservative Lager im Herbst 2015. “Wir wollen weder dogmatisch, doktrinär, noch eine Regierung der Extremen sein… Wir wollen eine Regierung bilden, die Wirtschaft mit Gesellschaft, aber auch die europäische Perspektive mit unserer polnischen, lokalen verbindet”, erklärte der polnische Premier, Mateusz Morawiecki, am Dienstagmittag bei der Vereidigungszeremonie der neuen Minister im Präsidentenpalast in Warschau. Der strahlende Hausherrr, Staatspräsident Andrzej Duda, hatte zuvor auf Morawieckis Ersuchen hininsgesamt acht Minister entlassen. Es ist zweifellos auch Dudas politischer Sieg. Bezeichnenderweise glänzte Jaroslaw Kaczynski, der Vorsitzende der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), durch seine Abwesenheit. Er gilt als der eigentliche Machthaber in Polen.      

Das Ende des Unantastbaren 

Die größte Überraschung dürfte die Abberufung des Verteidigungsministers Antoni Macierewicz sein. Macierewicz galt lange Zeit als der zweitmächtigste Politiker Polens nach PiS-Parteichef Kaczynski – und deswegen als unantastbar. Sein Spezialgebiet, die Fahndung nach kommunistischen Seilschaften, sein Hang zu Verschwörungstheorien und seine Nähe zum erzkonservativen Sender “Radio Maryja”machten ihn zur Galionsfigur der national-katholischen Kreise. 

Außenminister Macierewicz musste gehen

In dem seit Monaten schwelenden Konflikt mit dem jungen Staatspräsidenten, der zugleich Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist, überschätzte er sich offenbar. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sein Rauswurf – sowie derüberraschende Wechsel an der Regierungsspitze im Dezember – das Ergebnis eines größeren Deals zwischen Duda und Kaczynski war: Neuer Ministerpräsident,  Regierungsumbildung und Abkehr vom rechten Rand zum Zentrum gegen die präsidiale Unterschrift unter den umstrittenen Gesetzen zur Justizreform. Präsident Duda, der lange als Kaczynskis Marionette verspottet wurde, zeigte damit, dass er auch die Grundlagen des politischen Handel(n)s beherrscht.   

Fachleute statt Ideologen

Tatsächlich sind die neuen Gesichter der Regierung Morawiecki wie der Außenminister Jacek Czaputowicz, Finanzministerin Teresa Czerwinska oder Investitionsminister Jerzy Kwiecinski keine Ideologen, sondern soliden Fachleute. Allerdings sorgte Kaczynski offenbar dafür, dass mit Joachim Brudzinski als neuem Innenminister und Mariusz Blaszczak – der von der Spitze des  Innen- zum Verteidigungsministerium wechselte – die treusten PiS-Parteisoldaten dem jungen Premier auf die Finger schauen. 

Heikel scheint hier besonders eine Personalie zu sein. Beata Szydlo, die vor allem in der Provinz populäre Ex-Premierministerin (jetzt stellvertretende Ministerpräsidentin), soll offenbar nicht nur auf Morawiecki aufpassen, sondern wird als potenzielle Gegenkandidatin Dudas bei den nächsten Präsidentschaftswahlen in Stellung gebracht: Als Mahnung und Disziplinierungsmaßnahme für den jetzigen Amtsinhaber.

Gesten der Öffnung

Der Zeitpunkt der Regierungsumbildung in Warschau scheint kein Zufall zu sein. Ende 2017 hat die Europäische Kommission ein Strafverfahren wegen Rechtsstaatlichkeitsverletzungen gegen Polen eröffnet. Mehrere EU-Vertreter sprachen sogar von einer möglichen Kürzung von EU-Geldern für Polen – unter anderem Frans Timmermans, Vize-Präsident der EU-Kommission, in einem Interview mit DW-Polnisch.

Am Dienstagabend soll Kommissionschef Jean-Claude Juncker Morawiecki zu einem Abendessen einladen. Möglicherweise wollten Duda und Morawiecki hier ein Zeichen setzen.  

Die entscheidende Frage lautet allerdings, ob es sich hier um einen PR-Trick oder doch um eine grundlegende Kurskorrektur  handelt. Eines steht fest: Mit dem Duo Duda-Morawiecki scheinen zwei Politiker zusammengefunden zu haben, die gemäßigt konservativ und pragmatisch sind.  Sie sind das neue junge Gesicht der National-Konservativen und ein Stück Hoffnung für das politisch gespaltene Land. Brüssel wäre jetzt gut beraten, statt an Drohungen festzuhalten, die Chance auf einen Neuanfang zu nutzen. Dasselbe gilt für Berlin: Der neue Außenminister Polens hat in seinem ersten Statement bei der Amtsübergabe angekündigt, die erste Auslandsreise werde ihn nach Sofia führen (Bulgarien hat zurzeit den EU-Ratsvorsitz) und die zweite nach Berlin. Und er fügte hinzu: Deutschland ist ein wichtiger Partner Polens. Also doch ein frischer Wind aus Warschau?