Bremst Paletten-Not den Wirtschaftsboom?

0
219

Die gute Konjunktur bringt Hersteller von Paletten und Kisten in Bedrängnis: Ihre Produkte sind derzeit so gefragt, dass sie mit der Produktion kaum noch hinterher kommen, verrät ein Experte im DW-Gespräch.

Deutsche Welle: Die genormten Europaletten, ohne die der Warentransport heutzutage kaum vorstellbar ist, werden knapp. Woran liegt das?

Jan Kurth: Die Europaletten werden knapp und damit werden auch viele andere Paletten knapp. Das liegt an einer wirklich gut laufenden deutschen Wirtschaft, die seit Jahren boomt und Nachschub braucht für die vielen Produkte, die produziert werden. Weil nur Ladungsträger dafür sorgen, dass die Produkte auch umgeschlagen werden können. Und deswegen werden immer mehr Paletten benötigt. Deshalb hat unsere Branche Probleme, diese hohe Nachfrage zu befriedigen.

Warum erhöhen die Hersteller von Paletten nicht einfach die Produktion?

Da gibt es natürliche Grenzen. Die Produktionsanlagen, mit denen diese Holzpaletten hergestellt werden, sind aktuell völlig ausgelastet. In mehr als drei Schichten kann man die Anlagen nicht betreiben, mehr als 24 Stunden hat der Tag nicht. Neue Anlagen zu installieren braucht ungefähr zwei Jahre Vorlauf. Deswegen gibt es aktuell den Engpass.

In welcher Größenordnung werden hierzulande Paletten produziert? Können Sie das beziffern?

Wir haben bis Ende 2017 in Deutschland eine Produktion von ungefähr 110 Millionen Paletten verzeichnet, das waren sieben Millionen Paletten mehr als im Vorjahr. Mehr können wir zurzeit tatsächlich nicht liefern.

In welchen Branchen ist der Bedarf besonders hoch?

Jan Kurth, Geschäftsführer Bundesverband Holzpackmitte

Wir spüren aktuell neben dem Konsumgüterbereich, wo es um den Bedarf von Europaletten geht, eine sehr hohe Nachfrage aus der chemischen Industrie. Dort werden spezielle Chemiepaletten benötigt. Da gehen sechsstellige Zusatzaufträge bei den Herstellern ein, und die abzuwickeln und zu produzieren, braucht natürlich entsprechende Kapazitäten. Wir tun, was wir können. Denn wir wollen keine Industriebranche, die Ladungsträger benötigt, im Stich lassen. Aber es ist aktuell tatsächlich schwierig.

Steigen jetzt die Preise für Paletten und für den Rohstoff Holz?

Für den Rohstoff Holz kann ich das bestätigen. Unsere Hersteller melden uns quartalsmäßig die Beschaffungskosten. Ende 2017 haben wir ein Plus von gut vier Prozent im Quartal und zehn Prozent auf Jahresfrist verzeichnet, was den Rohstoff Holz betrifft. Da gehen die Preise wirklich stark nach oben. Das liegt an der Nachfrage, aber auch teilweise an einem verknappten Angebot beim Holz. Beides zusammen führt dazu, dass es momentan an einigen Ecken teurer wird.

Geben Sie die gestiegenen Kosten dann weiter an die Kunden?

Die Redaktion empfiehlt

Der größte Anstieg seit acht Jahren: Die deutschen Exporte haben im vergangenen November so stark zugelegt wie seit 2009 nicht mehr. Das Jahr 2017 dürfte in den Bilanzen als Rekordjahr verbucht werden. (09.01.2018)

Weit über zwei Drittel der vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) befragten Verbände erwarten für ihre Unternehmen im kommenden Jahr eine höhere Produktion. Selbst Experten staunen über die Stärke des Aufschwungs. (27.12.2017)

Sie spielt wirklich eine tragende Rolle: Die Europalette hat vor 50 Jahren das internationale Transportwesen revolutioniert – und ein Ende des Siegeszuges der genialen Holzkonstruktion ist nicht in Sicht. (05.07.2011)

Damit wird jeder Palettenhersteller unterschiedlich umgehen. Ich gehe davon aus, dass die Preissteigerungen auf Rohstoffseite nicht anders kompensiert werden können und dass die steigenden Kosten an die Kunden weitergegen werden müssen. In welcher Höhe und in welchen Zeitabständen das passiert, wird unterschiedlich sein. Aber dass es kommt, daran führt kein Weg dran vorbei.

Für den Verbraucher spielen Paletten und ähnliche Groß-Verpackungen keine große Rolle, er nimmt sie vielleicht überhaupt nicht richtig wahr. Wie wichtig sind Paletten für den Handel und den Warenverkehr?

Die sind extrem wichtig. Wir sagen immer, die Palette ist der Träger des Wirtschaftswachstums. Was nichts anderes bedeutet, als dass kein einziges Gut, das in Deutschland produziert wird, ohne eine Palette oder ohne eine Kiste in den Verkehr gebracht werden kann. Es muss alles transportiert und umgeschlagen werden – ohne eine Palette drunter geht es nicht. Deswegen ist das schon ein gewisses Engpass-Gut.

Wenn ich keine Paletten mehr habe, auf die ich die zusätzlichen Produkte stapeln kann, dann stoppt irgendwann auch der Warennachschub und der Warenfluss in der Wirtschaft insgesamt. Deshalb ist die Palette für das Wirtschaftswachstum, das wir momentan erleben, ein wichtiges Produkt. Auch wenn man es in der öffentlichen Wahrnehmung nicht unbedingt täglich vor Augen hat.

Auch als Möbel sehr gefragt: Die Euro-Palette

Prinzipiell sind Paletten doch Mehrweg-Produkte so ähnlich wie Pfandflaschen – kann man nicht die Umlauf-Geschwindigkeit erhöhen?

Erhöhen mit Sicherheit nicht. Paletten werden heute schon mehrfach verwendet. Das betrifft die Europalette, das betrifft aber auch viele andere Holzpaletten. Das sind langlebige Produkte. Die gesamte Branche produziert nachhaltig und die Paletten werden mehrfach genutzt.

Allerdings muss man dabei auch berücksichtigen, dass viele Paletten in den Export gehen. Wenn beispielsweise die deutsche Wirtschaft Exportgüter produziert, dann in Container verfrachtet und nach Übersee transportiert – die kommen nicht mehr zurück, sondern gehen tatsächlich endgültig ins Ausland, so dass der Umlauf der Paletten auch mengenmäßig begrenzt ist und man das auch nicht beliebig steigern kann.

Das Gespräch führte Klaus Ulrich.

Jan Kurth ist Geschäftsführer des Bundesverbands Holzpackmittel, Paletten und Exportverpackungen (HPE). Nach Verbandsangaben gibt es in Deutschland rund 440 Hersteller von Paletten und Exportverpackungen.