Holz statt Kohle – eine gute Idee?

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Holz zu verbrennen ist wieder “in”, und für den Klimaschutz wird es auch gefördert. Naturschützer aber warnen, dass der neue Hunger nach Holz katastrophale Folgen haben werde – für die Wälder, die Menschen und das Klima.

Man sollte meinen, dass Umweltschützer sich freuen, weil die EU beschlossen hat, von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energie umzusteigen. Aber nein: Viele Naturschützer sind besorgt. Die große Nachfrage nach Holz befeuere buchstäblich die Abholzung der Wälder, sagen sie – und treibe gleichzeitig die Kohlendioxid- und die Feinstaubemissionen in die Höhe.

Die Richtlinie der EU über erneuerbare Energien aus dem Jahr 2009 verlangt von den EU-Mitgliedsstaaten, 20 Prozent ihres Energiebedarfs bis zum Jahr 2020 aus den Erneuerbaren zu stillen. Diese Woche hat der Industrie- und Energieausschuss des Europa-Parlaments dafür gestimmt, dieses Ziel bis 2030 auf 35 Prozent zu erhöhen und ein zusätzliches Ziel für Heizen mit erneuerbaren Brennstoffen einzuführen.

Unterstützer der Erneuerbaren Energien feiern – andere sind entsetzt. Die Vogelschutzorganisation Bird Life Europe schreibt auf Twitter, dass die neuen Ziele “Europa dazu verpflichten, noch mehr Unheil über das Klima und die Biodiversität zu bringen.”

Holz ist wieder gefragt

Braunes Gold

Gut zwei Drittel der Erneuerbaren Energie, die in der EU verbraucht wird, stammt inzwischen aus Biomasse; etwa die Hälfte davon aus Holz und Holzprodukten. Verglichen mit anderen Pflanzenteilen wie Blättern und Stängeln hat Holz eine hohe Dichte, es speichert also mehr Energie pro Volumen. Das macht Holz zum perfekten Brennstoff fürs Heizen und zur Stromerzeugung.

75 Millionen Tonnen – so viel mehr Holz wurde in der EU zwischen 2010 und 2015 verbrannt, ergibt eine Studie, welche die Natur- und Umweltschutzorganisationen Bird Life Europe, FERN sowie Transport & Environment in Auftrag gegeben haben. Ein Plus von 21 Prozent. Das Problem: Der Verbrauch von Holzabfällen sei um 10 Prozent angewachsen – der Verbrauch von Holz direkt aus dem Wald hingegen um 24 Prozent.

Linde Zuidema von der Organisation FERN, die sich dem Schutz des Waldes in der EU verschrieben hat, macht das große Sorgen. Die ursprüngliche Idee hinter der EU-Richtlinie sei es gewesen, Energie aus Abfällen zu generieren, etwa aus den Teilen eines Baums, die sich nicht für Möbel oder andere Holzprodukte eignen. “In einigen Gegenden Europas aber führt die Richtlinie nun dazu, dass mehr Bäume gefällt werden.”

Laut FERN würden in der Slowakei und in Rumänien Wälder abgeholzt, um den großen Holzbedarf in der EU zu stillen.(Sehen Sie hier FERN’s neuestes Video auf YouTube.) Zuidema wünscht sich, dass die EU endlich realisiert, dass “Holz eine endliche Resource ist”.

Big Business

Angetrieben durch die EU-Richtlinie, haben Länder wie Belgien, Dänemark, die Niederlanden und Großbritannien neue holzbetriebene Kraftwerke gebaut oder kohlebetriebene so umgebaut, dass diese jetzt auch aus Holz Strom produzieren können.

Das Drax-Kraftwerk in der Nähe von Selby in England etwa: Es ist das größte Kraftwerk im Königreich und liefert sieben Prozent des Stroms im Land. Das Unternehmen schreibt auf seiner Webseite stolz, dass es 70 Prozent seiner Elektrizität aus gepressten Holzpellets statt aus Kohle generiert.

Verbrennt auch Holzpellets statt Kohle: das Drax-Kraftwerk in England

Allerdings: Ein Teil des Holzes, das dort verfeuert wird, stammt gar nicht aus Europa, sondern aus den USA. Es häufen sich Medienberichte darüber, dass Bäume im Südosten der USA gefällt werden, um als Brennstoff in europäischen Kraftwerken zu landen. “Die USA sind inzwischen der Hauptlieferant von Holzpellets in Europa”, schreiben niederländische und US-Forscher im Journal “Biofpr – Biofuels, Bioproducts and Biorefining”.

Im Jahr 2015 verfeuerte Europa 7,3 Millionen Tonnen Holzpellets – 4,6 Millionen davon stammten aus dem Südosten der USA.

In dieser Anlage in den USA werden Holzpellets produziert

Wie klimafreundlich ist das?

Wenn Kraftwerke Holz verbrennen, emittieren sie auf dem Papier null Gramm Kohlendioxid. In Wirklichkeit ist das natürlich Quatsch; abhängig vom Wassergehalt des Holzes kann ein holzverbrennenders Kraftwerk pro Einheit erzeugtem Strom sogar mehr CO2 ausstoßen als eines, das Kohle nutzt.

Die Idee dahinter ist Folgende: Wer einen Baum fällt, um ihn zu verbrennen, und an gleicher Stelle einen neuen Baum pflanzt, rezykliert einfach nur Kohlenstoff, der Nettoausstoß ist Null.

Allerdings: “Bäume spielen eine sehr wichtige Rolle [fürs Klima], wenn sie leben und als Kohlenstoffsenke im Wald stehen”, sagt Linde Zuidema von FERN. Bäume zu fällen, die Kohlendioxid aufnehmen, sei ein großer Fehler – auch dann, wenn ein junger Baum dann tatsächlich an seine Stelle tritt. “Biomasse aus Wäldern ist niemals CO2-neutral.”

Genau wie beim Verbrennen von Kohle wird auch bei Holz Feinstaub frei, der Gesundheitsprobleme und sogar Todesfälle verursachen kann. In Deutschland etwa übersteigen die Feinstaubemissionen aus kleinen Holzfeuerungsanlagen inzwischen sogar die aus den Motoren von Lkws und Pkws.

Zusammen mit anderen Naturschützern plädiert Zuidema dafür, bei der Energiewende auf Solar- und Windstrom zu setzen statt auf Biomasse.

Naturschützer machen sich Sorgen, dass naturnahe Wälder bald verschwinden

Streit ums Holz

Kann ein Umstieg auf Biomasse tatsächlich eine Gefahr für unsere Wälder und unser Klima bedeuten? Bei der Frage sind sogar die Forscher geteilter Ansicht.

Im Februar 2016 warnten 65 US-Wissenschaftler per Brief die zuständigen Senatoren, dass die USA nicht dem Beispiel der EU folgen sollte und Holz aus Wäldern als CO2-neutral einstufen sollte. Einen Monat später vertraten über 100 Forscher die gegenteilige Meinung: Sie schrieben der US-Umweltbehörde, “dass die Vorteile von nachhaltig erwirtschafteter Biomasse aus dem Wald hinreichend bekannt seien”.

Während Simulationsstudien ergaben, dass der großflächige Einsatz von Holz statt Kohle als Energieträger den Kohlendioxidausstoß um mindestens 50 Prozent senken könnte, haben andere Forscher errechnet, dass es dadurch in den ersten 35 bis 100 Jahren sogar zu einem Anstieg an CO2 in der Atmosphäre komme.

Und während einige berichten, dass der Hunger nach Holz die Biodiversität in North Carolinas Ökosystemen bis 2050 um 10 Prozent senken könne, argumentieren andere, dass eine hohe Holznachfrage Vorteile habe: Landbesitzer würden ermutigt, Bäume anzupflanzen und Forstwirtschaft zu betreiben.

“Die Wälder in Europa sind stabil”

Zumindest was die Wälder in Deutschland angeht, gibt Matthias Dieter, Leiter des Instituts für Internationale Waldwirtschaft und Forstökonomie, Entwarnung: “Die Waldfläche in Deutschland und deren Biodiversität nimmt zu”, sagt er der DW. So gut wie sämtliches Brennholz stamme aus nachhaltig bewirtschafteten deutschen Wäldern, sagt er. “Wir haben keine großen Einfuhren von Brennholz oder Pellets aus anderen Ländern.” Auch in ganz Europa seien “die Wälder stabil.”

Glaubt man ihm, muss das Verbrennen von Holz also nicht unbedingt schlecht für die Umwelt sein – wenn man es nur richtig angeht. Das Umweltbundesamt lobt beispielsweise moderne Holzpellet-Heizungen als “emissionsarm” und als “Beitrag zum Umweltschutz”.

Holzpellets können umweltfreundlich sein – müssen aber nicht

“In Deutschland werden Holzpellets ausschließlich aus Sägenebenprodukten hergestellt, also aus Abfallstoffen in Sägewerken”, versichert Anna Katharina Sievers vom Deutschen Energieholz- und Pellet-Verband. Die Verfügbarkeit von Sägespänen sei viel größer als die Nachfrage. Aber Sievers gibt auch zu, dass “einige Kritik” in Bezug auf den Holzpellet-Markt “berechtigt” sei. Verbraucher sollten immer genau prüfen, woher ihre Holzpellets stammen.

Die alles entscheidende Frage ist allerdings: Was würde passieren, wenn sich von jetzt auf gleich Millionen Menschen in Deutschland für eine Holzpelletheizung entscheiden würden? Sprich: Funktionieren Holzabfälle als Brennstoff auch im großen Maßstab?

Während der Weltklimakonferenz in Bonn gaben China und 18 andere Nationen bekannt, in Zukunft mehr auf Holz und andere Pflanzenbiomasse als Energieträger setzen zu wollen. Solche Versprechen lassen Naturschützer tief besorgt zurück.


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    Plastik aus Mais, Kartoffeln oder Zuckerrohr: Inzwischen gibt es viele Produkte aus Biokunststoff, wie Müllbeutel oder Jogurtbecher, aber auch ungewöhnlichere Dinge wie Einwegrasierer. Allerdings fordern Umweltschützer, man müsse Biokunststoffe noch verbessern und konsequent recyceln, damit sie wirklich umweltfreundlich werden.


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    Pullover fürs Haus

    Schafwolle ist ein Nebenprodukt der Fleischerzeugung – aber auch ein prima Dämmstoff. Wie gut sie isoliert weiß jeder, der schon mal einen Schafwollpulli getragen hat.

    Autorin/Autor: Alexandra Hostert