“Tiere. Respekt, Harmonie, Unterwerfung” – eine Ausstellung

0
364

Das Verhältnis Mensch und Tier ist vielschichtig, kompliziert und widersprüchlich. Seit Jahrtausenden versuchen auch Künstler, ihm nachzuspüren. Davon zeugt eine Ausstellung im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe.

  • Mensch und Tier in der Kunst

    Douglas Gordon: “Play Dead; Real Time” (2003)

    Hauptdarstellerin der acht Meter großen Video-Installation ist die vierjährige asiatische Elefantenkuh Minnie, die zur Zeit der Aufnahmen in einem Zirkus in Connecticut lebte. Die Idee zu dem Film, in dem Minnie in den Räumen der Gagosian Gallery in New York unterschiedliche Befehle ausführen muss, hatte Gordon, weil er noch nie einen liegenden Elefanten gesehen hatte.

  • Mensch und Tier in der Kunst

    Franz Marc: “Liegender Hund im Schnee” (1911)

    Auf dem Gemälde ist Marcs sibirischer Schäferhund Russi zu sehen. Er liegt zwar, scheint im Gegensatz zur Elefantenkuh Minnie aber in völliger Harmonie mit seiner Umwelt zu sein. Mit seiner Darstellung der tierischen Unschuld wollte Marc einen neuen, unverbrauchten Stil schaffen.

  • Mensch und Tier in der Kunst

    Max Beckmann: “Vampir” (1948)

    Eine Frau im Liebesakt mit einem tierähnlichen Wesen. “Vampir” ist das wohl berühmteste einer Reihe von Werken, die Beckmann kurz vor seinem Tod 1950 schuf. Darin setzte er sich mit dem tierischen Verlangen in der Sexualität auseinander. Das Motiv des sich gegenseitig Verführens und Vergewaltigens taucht in der Kunstgeschichte immer wieder auf.

  • Mensch und Tier in der Kunst

    Merian Cooper und Ernest Schoedsack: “King Kong und die weiße Frau” (1933)

    Er ist eine der am häufigsten interpretierten Figuren der Popkultur: der Riesenaffe King Kong. Der Film “King Kong und die weiße Frau” erzählt die tragische Mischung aus Horror- und Liebesgeschichte zwischen King Kong und der blonden Schönheit Ann Dorrow. Wie kein anderer verkörpert er die Spannung zwischen wilder Natur und Zivilisation, zwischen Bestie und Mensch.

  • Mensch und Tier in der Kunst

    Tethart Haag: “Orang Utan, Erdbeeren fressend” (1776)

    Ganz menschlich und kultiviert verspeist das Affenweibchen inmitten von Stroh und Holzdielen Erdbeeren von einem Porzellanteller. So hielt Tethart Haag, Hofmaler am niederländischen Hof, die Sensation von 1776 fest: ein lebendiges Affenweibchen aus Borneo. Es war ein Geschenk an den niederländischen Statthalter Wilhelm V. von Oranien. Haags Bild ist das erste Ölporträt eines Menschenaffen.

  • Mensch und Tier in der Kunst

    Albrecht Dürer: “Die Fledermaus” (1522)

    Der rundliche Körper, die Ohren, und die komplexe Anatomie der Hände – all das wird in Dürers Betrachtung der Breitflügelfledermaus plastisch festgehalten. Lange galt das Tier mit seinen schwarzen Flügeln und spitzen Zähnen als unheimlich und gefährlich. Mit seinem Aquarell rückt Dürer bewusst davon ab – und stellt die Fledermaus als Objekt naturwissenschaftlicher Forschung dar.

  • Mensch und Tier in der Kunst

    Soon-Jo Chung, Alireza Ramezani, Seth Hutchinson: “Bat Bot” (2017)

    Der “Bat Bot” ist eine ausgeklügelte Drohne, die von einem Forscherteam am California Institute of Technology entwickelt wurde: Das “künstliche Tier” trägt hauchdünne und extrem flexible Silikonmembranen als Flügel und kann so die dynamischen Flugmanöver einer Fledermaus fast geräuschlos imitieren. Lange stellten die Flugkünste der Fledermaus ein Mysterium für die Wissenschaft dar.

    Autorin/Autor: Leonie von Hammerstein


  • Mensch und Tier in der Kunst

    Douglas Gordon: “Play Dead; Real Time” (2003)

    Hauptdarstellerin der acht Meter großen Video-Installation ist die vierjährige asiatische Elefantenkuh Minnie, die zur Zeit der Aufnahmen in einem Zirkus in Connecticut lebte. Die Idee zu dem Film, in dem Minnie in den Räumen der Gagosian Gallery in New York unterschiedliche Befehle ausführen muss, hatte Gordon, weil er noch nie einen liegenden Elefanten gesehen hatte.

  • Mensch und Tier in der Kunst

    Franz Marc: “Liegender Hund im Schnee” (1911)

    Auf dem Gemälde ist Marcs sibirischer Schäferhund Russi zu sehen. Er liegt zwar, scheint im Gegensatz zur Elefantenkuh Minnie aber in völliger Harmonie mit seiner Umwelt zu sein. Mit seiner Darstellung der tierischen Unschuld wollte Marc einen neuen, unverbrauchten Stil schaffen.

  • Mensch und Tier in der Kunst

    Max Beckmann: “Vampir” (1948)

    Eine Frau im Liebesakt mit einem tierähnlichen Wesen. “Vampir” ist das wohl berühmteste einer Reihe von Werken, die Beckmann kurz vor seinem Tod 1950 schuf. Darin setzte er sich mit dem tierischen Verlangen in der Sexualität auseinander. Das Motiv des sich gegenseitig Verführens und Vergewaltigens taucht in der Kunstgeschichte immer wieder auf.

  • Mensch und Tier in der Kunst

    Merian Cooper und Ernest Schoedsack: “King Kong und die weiße Frau” (1933)

    Er ist eine der am häufigsten interpretierten Figuren der Popkultur: der Riesenaffe King Kong. Der Film “King Kong und die weiße Frau” erzählt die tragische Mischung aus Horror- und Liebesgeschichte zwischen King Kong und der blonden Schönheit Ann Dorrow. Wie kein anderer verkörpert er die Spannung zwischen wilder Natur und Zivilisation, zwischen Bestie und Mensch.

  • Mensch und Tier in der Kunst

    Tethart Haag: “Orang Utan, Erdbeeren fressend” (1776)

    Ganz menschlich und kultiviert verspeist das Affenweibchen inmitten von Stroh und Holzdielen Erdbeeren von einem Porzellanteller. So hielt Tethart Haag, Hofmaler am niederländischen Hof, die Sensation von 1776 fest: ein lebendiges Affenweibchen aus Borneo. Es war ein Geschenk an den niederländischen Statthalter Wilhelm V. von Oranien. Haags Bild ist das erste Ölporträt eines Menschenaffen.

  • Mensch und Tier in der Kunst

    Albrecht Dürer: “Die Fledermaus” (1522)

    Der rundliche Körper, die Ohren, und die komplexe Anatomie der Hände – all das wird in Dürers Betrachtung der Breitflügelfledermaus plastisch festgehalten. Lange galt das Tier mit seinen schwarzen Flügeln und spitzen Zähnen als unheimlich und gefährlich. Mit seinem Aquarell rückt Dürer bewusst davon ab – und stellt die Fledermaus als Objekt naturwissenschaftlicher Forschung dar.

  • Mensch und Tier in der Kunst

    Soon-Jo Chung, Alireza Ramezani, Seth Hutchinson: “Bat Bot” (2017)

    Der “Bat Bot” ist eine ausgeklügelte Drohne, die von einem Forscherteam am California Institute of Technology entwickelt wurde: Das “künstliche Tier” trägt hauchdünne und extrem flexible Silikonmembranen als Flügel und kann so die dynamischen Flugmanöver einer Fledermaus fast geräuschlos imitieren. Lange stellten die Flugkünste der Fledermaus ein Mysterium für die Wissenschaft dar.

    Autorin/Autor: Leonie von Hammerstein


Auf der riesigen Leinwand ist ein weißer steriler Raum zu sehen. Und mittendrin: ein behäbiger, grauer Elefant. Aus dem Off eine menschliche Stimme, die “play dead” sagt. Ganz langsam, ungelenk legt sich der Elefant auf den weißen Boden des Raumes.

2003 entstand diese Videoarbeit des schottischen Künstlers Douglas Gordon, für die er seine Hauptdarstellerin, die Elefantenkuh Minnie, in die New Yorker Gagosian Gallery brachte. Ein Trainer brachte Minnie dazu, verschiedene Befehle auszuführen, sich immer wieder aufzurichten und wieder hinzulegen.

Die lebensgroße Video-Projektion von Douglas Gordon vermittelt viel von dem, was die gerade eröffnete Ausstellung “Tiere. Respekt, Harmonie, Unterwerfung” (3.11.2017 – 4.3.2018)sagen will. Die rund 200 Leihgaben aus verschiedenen Kulturkreisen und Epochen sollen beleuchten, wie sich Künstler stellvertretend für die Gesellschaften, in denen sie lebten, immer wieder ganz intensiv mit dem Thema Tier auseinandergesetzt haben. Im Mittelpunkt: das Widersprüchliche, das auch in Gordons Werk deutlich wird. “Einerseits bewundern wir die Tiere, und andererseits nehmen wir uns heraus, über sie zu verfügen und sie für uns nutzbar zu machen”, beschreibt Kuratorin Sabine Schulze das Anliegen der Ausstellung. “Gordons Arbeit zeigt, wie das majestätische Tier immer wieder zivilisiert wird, und doch bleibt ein wilder Kern, an den wir nicht rankommen.”

Höhlenmalereien sind die ersten Zeugnisse menschlicher Kunst

Alter Zwiespalt

Dieses zwiespältige Verhältnis ist nichts Neues. ‘Die ersten Künstler haben das Tier dargestellt”, zitiert die Kuratorin den Schriftsteller und Maler John Berger. “Und wahrscheinlich haben sie es mit Tierblut gemalt.” Als Beleg dafür ist eine acht Meter große Kopie der prähistorischen Höhlenbilder der Mutoko-Höhle in Simbabwe, die Studenten 1929 unter Leitung von Leo Frobenius angefertigt haben, ausgestellt. Im Mittelpunkt des wuselnden Geschehens: zwei große Elefanten, sie scheinen Mittler zwischen den Welten zu sein. 

Paul Klees berühmtes Gemälde “Der Goldfisch”

Mittler in eine andere Welt soll auch der Fisch sein. In der Kunstgeschichte steht dieses älteste Geschöpf der Welt oft für die Ursprünglichkeit und Unschuld am Anbeginn der Zeit. Lange galt die Harmonie zwischen Mensch und Tier als Merkmal des verlorenen Paradieses – schön, aber nicht mehr erreichbar. Diese Sehnsucht des Menschen nach einem Zustand der Harmonie mit Tieren wird deutlich in Paul Klees 1925 entstandenem Gemälde “Der Goldfisch”. Als leuchtendes Wesen im tiefblauen Wasser wirkt der Fisch, als würde er aus einer weit entfernten Zeit kommen. Laut Sabine Schulze findet sich diese Sehnsucht auch in der aktuellen Debatte über den Umgang mit Tieren wieder. “Wir haben das Gefühl, uns immer weiter von den Tieren wegbewegt zu haben. Der Aufruf, Tieren mehr Rechte und Individualität zuzugestehen, rührt ebenfalls von dieser Sehnsucht nach einem harmonischen Zusammenleben.”

Die Sphinx gab den Menschen der Antike Rätsel auf

Neues Verhältnis zwischen Mensch und Tier?

Und doch ist dem Menschen heutzutage die Abgrenzung zum Tier, zum Tierischen wichtig. Anders als etwa in der Antike. Da waren diese Grenzen fließend: Die antike Mythologie ist voll von Mischgestalten zwischen Gott, Mensch und Tier. Sie wurden als Götter verehrt und als Mischwesen gefürchtet. Ein berühmtes Beispiel: die Sphinx, mit menschlichem Ober-, löwenartigem Unterkörper und Flügeln. In Theben verspeiste sie der Legende nach jeden, der ihre Frage nicht beantworten konnte. Bis Ödipus in ihrem Rätsel die Vergänglichkeit des Menschenlebens erkannte. Immer wieder kommt die Hamburger Ausstellung auf die zentrale Frage zurück: Wo fängt Menschsein an, wo hört Tiersein auf? 

Diese Frage stellt sich auch in der aktuellen Diskussion über die Rechte und Individualität der Tiere in Zeiten des Massenkonsums. Als Haustiere verwöhnen und vermenschlichen wir sie; im Zoo bewundern wir sie als Ausdruck reiner Natur, und die Massentierhaltung züchtet Rinder, Hühner und Schweine für unsere Teller – rund 60 Kilogramm Fleisch verzehrt der durchschnittliche Deutsche laut dem Statistikportal “Statista” im Jahr. “Wie geht das zusammen?”, fragt die Ausstellung und ruft dazu auf: “Das Verhältnis von Tier und Mensch muss neu verhandelt werden!”

 Die Ausstellung “TIERE. Respekt/Harmonie/Unterwerfung” läuft vom 3. November 2017 bis zum 4. März 2018 im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg.