Gute Nachrichten vom Rande Europas

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Der westliche Balkan gilt als Problemregion Europas. Vier Westbalkanstaaten wollen sich für Frieden in der Region und für einen zügigen EU-Beitritt Serbiens einsetzen. Wirtschaftlich wollen sie enger zusammenarbeiten.

Staatschefs in Warna: Serbiens Platz ist in der EU

“Wir haben uns geeinigt, dass der Balkan zum guten Beispiel in Europa für Frieden, Stabilität und Prosperität werden soll”, sagte der bulgarische Regierungschef Boiko Borissow nach dem Treffen mit seinen Kollegen aus Rumänien, Griechenland und Serbien in der bulgarischen Schwarzmeerstadt Warna. Man wolle enger zusammenarbeiten, insbesondere in wirtschaftlichen Fragen und bei den Infrastrukturprojekten. Die Anwesenheit des serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić zeige, “dass wir alle darauf bestehen und wissen, dass der natürliche Platz Serbiens in der EU ist”, so Borissow weiter.

Das Treffen in Warna ist ein Teil der Vorbereitungen Bulgariens für die EU-Ratspräsidentschaft, die das Land im ersten Halbjahr 2018 übernimmt. Bisher wurde Bulgarien politisch in der EU nur wenig wahrgenommen. Es ist weder ein Teil der Euro-Zone, noch des sogenannten Schengener Raums in dem es keine Binnengrenzkontrollen mehr gibt. Das soll sich nun ändern: “Sofia möchte Brüssel Relevanz zeigen und versucht das durch diese Initiative. Sie soll die europäische Perspektive der Westbalkanländer betonen und voranbringen”, sagt der bulgarische Politologe Daniel Stefanov. Borissow möchte sich als Friedensstifter und zukunftsorientiert profilieren und auch gute Nachrichten vom Balkan nach Brüssel bringen.

Serbiens wichtige Rolle

Eine zentrale Rolle soll dabei die Unterstützung für Serbien bei den laufenden EU-Beitrittsverhandlungen spielen. Serbiens natürlicher Platz sei in der EU, sagte Borissow und betonte, dass die Beschleunigung des Beitrittsprozesses für die Sicherheit und den Frieden auf dem Balkan und auch in ganz Europa von Nutzen sein werde.

Warna, Oktober 2017 (von links): Alexis Tsipras (Griechenland), Aleksandar Vučić (Serbien), Boiko Borissow (Bulgarien), Mihai Tudose (Rumänien)

Serbien ist seit 2012 EU-Beitrittskandidat, seit 2014 werden die Verhandlungen geführt. Allerdings hatte zuletzt das EU-Parlament große Defizite in den Bereichen Justiz, Medien und Rechtsstaatlichkeit festgestellt. Daher ist diese bulgarische Initiative sehr wichtig auch für den serbischen Präsidenten Vučić, sagt Aleksandra Joksimović vom Belgrader Zentrum für Außenpolitik. “Er will zeigen, dass Serbien, als zentrales Land auf dem westlichen Balkan, mit allen zusammenarbeiten kann – sowohl mit den anderen EU-Anwärtern, als auch mit den Ländern, die schon in der EU sind”, so Joksimović.

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Selbstverständlich ist das allerdings nicht. Vor allem werden die Beziehungen Serbiens zum Kosovo als Problem gesehen. Brüssel hat klar gestellt, dass die guten nachbarschaftlichen Beziehungen zu Prishtina eine Voraussetzung für die EU-Mitgliedschaft sind. Bis heute erkennt Belgrad allerdings die Unabhängigkeit seiner 2008 abgefallenen Albaner-Provinz nicht an. Und auch in Bosnien/Herzegowina spielt Serbien nicht immer eine konstruktive Rolle: regelmäßig können sich die bosnisch-serbischen Politiker bei ihren separatistischen Drohgebärden gegenüber der Zentralregierung in Sarajevo auf die Unterstützung Belgrads verlassen.

Eine europäische Aufgabe

Darüber hinaus gilt die Region des Westbalkans ohnehin als unstabil und konfliktträchtig. Ethnische Spannungen in Bosnien/Herzegowina, die Missachtung der Minderheitenrechte der Albaner in Griechenland oder der Namensstreit zwischen Griechenland und Mazedonien sind nur einige Probleme mit dem gefährlichen Konfliktpotential sowohl für die Region als auch für ganz Europa.

Es verwundert daher nicht, dass die Stabilisierung und wirtschaftliche Entwicklung des Westbalkans ganz oben auf der Agenda der außenpolitischen Prioritäten der EU steht. Schon 2014 hat Deutschland den sogenannten Berlinprozess angestoßen, um den Ländern des Westbalkans durch großangelegte Infrastrukturprojekte den Anschluss an die EU zu erleichtern und ihre gegenseitige Zusammenarbeit zu stärken. Mehrere multilaterale Treffen in unterschiedlichen Zusammensetzungen folgten, erst im Juli fand in Triest eine hochrangig besetzte Westbalkan-Konferenz statt. Und heute treffen sich im griechischen Thessaloniki die Außenminister Griechenlands, Albaniens, Mazedoniens und Bulgariens. Sofia will diese Reihe auch fortsetzen. So ist schon angekündigt, dass sich ein Gipfeltreffen in Bulgarien während des EU-Ratsvorsitzes mit der Frage der europäischen Zukunft des Westbalkans befassen soll.

Keine neue Visegrad-Gruppe

In diesem Zusammenhang solle man auch das Treffen in Warna sehen, sagt Johanna Deimel von der Südosteuropa-Gesellschaft. “Die Aufmerksamkeit gilt der Region, und wenn man Serbien dabei hilft bei den Beitrittsverhandlungen weiter voran zu kommen, ist das eine gute Initiative.” Serbien sei schließlich das Schlüsselland für den Frieden und die Stabilität auf dem westlichen Balkan. Daher sei das eine positive Initiative, betont Deimel, “es ist gut, wenn die Region zusammenarbeitet, wenn die Länder sich gegenseitig helfen.”

Beginn des “Berlinprozesses” im August 2014: Ein neuer Marschall-Plan für den Westbalkan

Für den bulgarischen Regierungschef Borissow war in Warna aber sehr wichtig zu betonen, dass es sich da nicht um die Gründung einer neuen Gruppierung innerhalb der EU handelt. “Dies ist nicht der Auftakt einer neuen Visegrad-Gruppe”, sagte Borissow hinsichtlich der Brüssel-kritischen Gruppe der mitteleuropäischen Staaten Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn. “Wir wollen der EU helfen”, so Borissow. Auch der serbische Präsident Vučić betonte mit Blick auf die EU: “Für uns sind Frieden und Stabilität am Wichtigsten.” Seine konstruktive Rolle in der Region wird er dann auch bald in die Tat umsetzen können: Der nächste Balkan-Gipfel soll in Belgrad stattfinden.