Klimawandel und Massentourismus bedrohen die Alpen

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Vor 25 Jahren hat eine Gruppe Forscher die Alpen überquert. Diesen Sommer haben sie die Reise noch mal gemacht und enorme Veränderungen festgestellt, vor allem in Bezug auf Mensch und Natur.

Es ist ein Irrglaube, dass Wissenschaftler ausschließlich in Laboren sitzen und komplexe Berechnungen machen. Es gibt auch welche, die viel Zeit in der Natur verbringen. Bergforscher gehören zu diesen “Draußen-Typen”. Eine Gruppe von ihnen hat sich diesen Sommer aufgemacht, um einmal die Alpen abzuwandern. Beginnend in der österreichischen Hauptstadt Wien, endend in der französischen Küstenstadt Nizza.

Die Forscher haben die gleiche Reise schon einmal vor 25 Jahren unternommen. Bei der Neuauflage wollten sie herausfinden, wie sehr sich die Umwelt, aber auch das soziale Umfeld auf und um die Berggipfel verändert hat. Ihre Ergebnisse sind mindestens alarmierend.

Die Whatsalp-Wanderer zogen durch hochalpine Weidegebiete, die nachhaltig Lebensmittel vor Ort produzieren. Die Hochwiesen der Alpen könnten für Österreich noch wichtiger werden, wenn die momentanen Kornkammern des Landes dank Klimawandel zunehmend unter Dürren und Hitzewellen leiden.

Bereits unten, am Fuß der Berge, vertrocknet der Wald, dafür breiten sich Käfer aus, die den Bäumen gefährlich werden. Obstplantagen sind vom extremen Frühlingswetter mit seinen frühen warmen und darauffolgenden sehr kalten Perioden schwer beschädigt worden. Auf den Gipfeln sind einige Gletscher inzwischen verschwunden. Infolgedessen taut der Permafrostboden, der die felsigen Bereiche zusammenhält.

Insgesamt nimmt die Zahl extremer Wetterereignisse zu – Starkregen und Stürme lösen Lawinen aus, die das Erscheinungsbild der Berge nachhaltig verändern. Deren Einfluss ist teils so stark, dass die Wissenschaftler ihre geplante Wanderroute ändern müssen. Einige, seit langer Zeit genutzte Passagen sind heute nicht mehr vorhanden, dafür haben tauende Gletscher in diesem Jahr die eine oder andere tiefgefrorene Bergsteigerleiche freigegeben.

Bergsteiger und Flüchtlinge

“Das sind alles Zeichen für den Klimawandel”, sagt der Schweizer Geograf Harry Spiess. Er gehörte zum Tross der Wissenschaftler auf der “Whatsalp” genannten Reise und hat sie mitorganisiert. “Jeder ist sich des Problems bewusst, aber niemand ändert tatsächlich seine Einstellung, um etwas dagegen zu tun. Die Zeiten haben sich geändert, der Fokus liegt heute eher auf globalen Themen wie Terrorismus und Migration.”

In Österreichs Dürrenstein Wildnis nahe der Route der Whatsalp-Wanderung erklärt Förster und Biologe Stefan Schörghuber (Mitte mit Stock) einer Gruppe von privaten Waldbesitzern und Bauern aus der Region den ökologischen Nutzen von Wildnis

Seit auf dem Balkan die Grenzen für Flüchtlinge nach Nordeuropa enger gezogen worden sind, werden die Alpen zum bevorzugten Ausweichweg. Vor 25 Jahren wäre es ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, hier oben auf Menschen auf der Flucht zu treffen. Heute ist es auf manchen Wegen in der französisch-italienischen Grenzregion sogar wahrscheinlich. Das sorge dafür, dass dieses Thema die Menschen mehr beschäftigt, als Umweltschutz und Klimawandel, so Spiess. 

Massentourismus aus Asien

In der heutigen, globalisierten Welt sind die Alpen keine schwer erreichbare, isolierte Gegend mehr. Auch das haben die Wissenschaftler vor 25 Jahren nicht vorhersehen können. Und so beeinflusst auch die rasant wachsende Wirtschaft Asiens den Tourismus in den europäischen Bergen. Ein echter Massentourismus hat sich entwickelt, mit allem, was dazu gehört: Schnellstraßen, Hotelanlagen und Parkplätze. Eine erkennbare, nachhaltige Zukunftsvision fehle aber, so der Wissenschaftler.

“Noch ist der Tourismus nicht in der Lage, die Alpen zu zerstören, aber es bleibt ein sehr langer Weg, die nachhaltigen Entwicklungsziele in der Region wirklich zu erreichen”, sagt Spiess.

Flüsse wie die Ybbs zu schützen, die durch das Wildnisgebiet Dürrenstein fließt, kann Teil einer regionalen Anpassungsstrategie sein um Ökosysteme und Gemeinden resistenter gegen den Klimawandel zu machen

Einige Alpentäler bringt der Tourismus aber tatsächlich bis über die Grenzen ihrer Belastbarkeit. In diesen Regionen bedrohen die zu erwartenden Folgen des Klimawandels sogar das Leben der Menschen. Berechnungen zufolge drohen dem südlichen Teil des Massivs mehr Dürren und Hitzewellen, aber gleichzeitig auch stärkerer Regen- und Schneefall. Im Norden dagegen wird der Schnee seltener sein, dafür drohen Überschwemmungen, hereingebracht von stärkeren Unwettern in der Atlantikregion.

Gibt es Hoffnung?

Dominik Siegrist ist ein anderer Teilnehmer der Wanderung von 1992. Der Schweizer ist von Hause aus Landschaftsplaner.  Er sagt, dass die diesjährige Reise beweise, wie wichtig regionales Engagement für die Zukunft der Alpen sei. Anders als vor 25 Jahren sei eine Struktur gewachsen, sagt er. “Es gibt eine große Szene, eine große Gemeinschaft der Alpenbewohner, die sich der bestehenden Probleme annimmt”, so Siegrist.

Dabei gehe es um Forschungsarbeit, Projekte für eine nachhaltige Landwirtschaft, sauberen Tourismus und das Einrichten von Schutzgebieten über Ländergrenzen hinweg. Beispielsweise setzten sich Aktivisten gegen zerstörerische Projekte zur Wehr, wie eine geplante Autobahn zwischen München und Wien, oder das Erweitern von Skigebieten in höhere, schneesichere Areale der Berge.

Die Whatsalp-Wanderung, hofft Siegrist, soll noch mehr Menschen anregen, Teil dieses Aktivismus zu werden. Deshalb setzen die Wissenschaftler auf eine junge Zielgruppe, für die sie ein regelmäßiges Blog schreiben und aktiv Soziale Netzwerke für ihre Kommunikation nutzen.

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Bewahrung von der Wurzel aufwärts

Die Wanderung selbst ist auch ein Konzept, das von unten und nicht von oben organisiert worden ist. Teilweise hat Crowdfunding die Reise finanziert. Außerdem ist jeder, der sich berufen fühlt, aufgerufen, selbst Teil der Gruppe zu werden und die Wanderung jederzeit zu begleiten, auch bei den Abschlussfeiern am 29. September in Nizza. Auch der Austausch mit Aktivisten hat die Wissenschaftler auf der ganzen Reise begleitet, bei insgesamt mehr als 110 Gelegenheiten. 

Eine dieser Gruppen war das Netzwerk “Bergsteigerdörfer”, ein Zusammenschluss von Orten in den österreichischen Alpen. Ziel ist hier nachhaltiger Tourismus, bei dem die Natur keinen Schaden nehmen soll und der ohne Autos auskommt. Touristen sollen auch zu Ferien auf dem Bauernhof kommen, organische Landwirtschaft erleben oder Nutztiere auf Bergweiden sehen, die im Einklang mit der Natur betrieben werden. Alles möglichst ohne finanzielle Verluste für die regionale Wirtschaft, so Siegrist.

Bis es endlich soweit ist und sich Europa und der Rest der Welt in eine nachhaltigere Richtung bewegt, erwartet der Forscher, dass die Alpen den Belastungen standhalten werden, genau wie in den vergangenen 25 Jahren auch. Das geschieht allerdings unter erschwerten Bedingungen, angetrieben vom Klimawandel.


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