Kommentar: Weg mit dem Video-Assi!

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Der Video-Assistent zeigt zum Bundesliga-Auftakt noch einige Schwächen. Aber DW-Redakteur Tobias Oelmaier zweifelt ohnehin generell an seinem Sinn und Zweck, denn die Grauzonen verschieben sich nur.

Endlich Gerechtigkeit im Fußball! Was ein Hauptschiedsrichter, zwei Seitenlinien-Assistenten, ein “Vierter Offizieller” und die vor einem Jahr eingeführt Torlinientechnik nicht leisten konnten, soll nun der Video-Assistent leisten. Ausgestattet mit Zeitlupen und virtuellen Abseitslinien, gibt er von der Zentrale in Köln aus bei kniffligen spielentscheidenden Szenen sein finales Urteil.

Nun hat der Video-Assi seine Bundesliga-Premiere erlebt. Gleich zum Saisonauftakt am Freitagabend zwischen Bayern München und Bayer Leverkusen kam er zum Einsatz. Es lief die 52. Minute, Bayerns Robert Lewandowski kam im Strafraum zu Fall. Der Pfiff von Schiedsrichter Tobias Stieler blieb zunächst aus, aber der rechte Zeigefinger des Unparteiischen ging ans Ohr – Kurz-Konferenz mit dem Assistenten in der Ferne. Die ergab: Strafstoß, weil Lewandowski umgerissen worden war.

“Das sind genau die Situationen”, sollte Stieler später sagen, “in denen der Videoassistent helfen kann, den Fußball gerechter zu machen.” Stimmt. Nur eine Viertelstunde später aber stieß auch der Bildbeweis an seine Grenzen. Bayerns Joshua Kimmich dribbelte die Außenlinie entlang, Karim Bellarabi sprang ihm mit offener Sohle in die Knie. Eine Rote Karte wäre die einzig richtige Entscheidung gewesen, Bellarabi aber ging komplett straffrei aus. Warum blieb der Video-Assistent hier nur stumm? Gerechtigkeit sieht anders aus!

Holpriger Auftakt

Am Samstag kam es dann auch noch zu einigen technischen Problemen, so dass bei drei Partien zunächst gar keine Hilfe von außen möglich war, bei den Begegnungen zwischen Hoffenheim und Bremen sowie zwischen Berlin und Stuttgart klappte es immerhin in der zweiten Hälfte – wenn auch nur zum Teil. Es ließ sich keine kalibrierte Linie für Abseits-Entscheidungen herstellen, wie zuvor auch schon bei Bayern gegen Leverkusen, weshalb Dienstleister Hawkeye einen Rüffel von der DFL einstecken musste.

DW-Redakteur Tobias Oelmaier

Mag das noch unter Kinderkrankheiten fallen, wird es viel schwieriger sein, einige grundsätzliche Fragen zu beantworten. Zum Beispiel, wer Kontakt mit wem aufnimmt: Der Feldschiedsrichter mit dem Supervisor in in Köln oder umgekehrt? Und wann der Video-Assistent überhaupt eingreifen soll.

Bislang ist vorgesehen, dass er bei Szenen, in denen es sich um die Regelkonformität von Toren, Elfmetern, Platzverweisen oder Spielerverwechslungen handelt, tätig wird. Aber wie weit geht man, etwa bei der Entstehung von Treffern, zurück? Bei einem zu schnell ausgeführten Freistoß am eigenen Strafraum, der einen Konter einleitet? Bei der fälschlicherweise gegebenen Ecke? Bei einem nicht regelkonformen Einwurf, der zur Torvorlage wird?

Oder kann nicht auch ein Freistoß, 17 Meter vor dem Tor, spielentscheidend sein? Ein nicht geahnetes rüdes Foul in der 5. Minute, wo doch der Gegner eigentlich fortan dezimiert sein müsste?

Wo ist die Grenze?

Will man maximale Gerechtigkeit, würde fast jede Entscheidung hinterfragt. Mit Einspruch, mit Revision, mit einstweiliger Verfügung. Schiedsrichter trauten sich, aus Angst vor Fehlentscheidungen, kaum mehr zu pfeifen. Linienrichter heben eh kaum noch die Fahne. Ein irrtümlicher Abseitspfiff lässt keine zweite Chance auf einen Konter.

Nun haben sich die europäischen Top-Ligen, sicher aus guten Gründen, für den Video-Assistenten entschieden. Eine absolute Gerechtigkeit gibt es trotzdem nicht, die Grauzonen bleiben. Sie verschieben sich nur ein wenig. Das wird zwangläufig auch nach Behebung der technischen Kinderkrankheiten zu Missmut führen. Bei Fans, Spielern, Trainern und Offiziellen. Und nicht zuletzt bei den Schiedsrichtern selbst. Was man nicht vergessen sollte: Fußball ist ein Sport von Menschen mit Menschen für Menschen. Und die machen Fehler. Das ist Teil des Spiels. Da hilft auch kein Video-Assistent. Den hätte man sich getrost sparen können!

 

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