Schwarze Kunst im Zeitalter der “Black Power”

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Was war die Rolle der afro-amerikanischen Künstler der 1960er und 70er Jahre? Eine Ausstellung im London Tate Modern versucht Antworten auf diese komplexe Frage zu finden.

  • Die Black-Power-Bewegung in der Kunst

    Barkley Hendricks, Icon for My Man Superman (Superman Never Saved Any Black People – Bobby Seale), 1969

    Das Titelbild von “Soul of a Nation” ist ein gewagtes, lebensgroßes Porträt. Barkley Hendricks malt sich selbst und bildet sich von der Hüfte abwärts nackt ab – ruhig und lässig. Das Superman-T-Shirt erinnert an ein Zitat von Bobby Seale, dem Gründer der “Black Panther Party”. Vor Gericht soll er gesagt haben: “Wir sind so hip, dass Superman noch nie einen Schwarzen retten musste.”

  • Die Black-Power-Bewegung in der Kunst

    Faith Ringgold, American People Series #20: Die, 1967

    In den frühen 1960er Jahren löst die polizeiliche Gewalt in afro-amerikanischen Nachbarschaften den “Watts-Aufruhr” aus – 34 Menschen sterben. Faith Ringgolds blutige Darstellung der Unruhen beinhaltet ein Hoffnungssymbol für die Zukunft: Zwei Kinder – ein weißes und ein schwarzes – halten sich mitten im Chaos aneinander fest.

  • Die Black-Power-Bewegung in der Kunst

    Roy DeCarava, Couple Walking, 1979

    Roy DeCarava ist einer der ersten Künstler, der eine “schwarze” Ästhetik in der Fotografie entwickelt. Dazu benutzt er grobkörnige Aufnahmen und eine intensive schwarze Palette, um die Aufmerksamkeit der Betrachter auf die Details zu richten. In Jazzclubs hält er mit seiner Kamera Ikonen in ihrem Element fest, etwa John Coltrane. Er fängt auch intime Momente von schwarzen Pärchen und Familien ein.

  • Die Black-Power-Bewegung in der Kunst

    Andy Warhol, Muhammad Ali, 1978

    Einer der wenigen weißen Vertreter in “Soul of a Nation” ist Andy Warhol. Im Rahmen einer Athleten-Serie fotografiert er Muhammad Ali. Das Bild des Sporthelden ist bekannt unter Warhols afro-amerikanischen Zeitgenossen. Ali wird in den späten 1960er Jahren im Manifest der “Organization of Black American Culture” als würdiges Beispiel für einen schwarzen Helden benannt.

  • Die Black-Power-Bewegung in der Kunst

    Sam Gilliam, Carousel Change, 1970

    Einige Künstler der afro-amerikanischen Gemeinschaft erschaffen stilistisch anspruchsvolle Werke, um politische und soziale Kritik auszuüben. Sam Gilliam befreit die lebensgroße Leinwand von seinem Spanngerüst und stellt sein Werk absichtlich bei jeder Präsentation anders aus. Dieser Akt der Befreiung spiegelt auch den Freiheitsanspruch schwarzer Bürgerrechtler wider.

  • Die Black-Power-Bewegung in der Kunst

    Betye Saar, Eye, 1972

    In den frühen 1970er Jahren drehen sich Betye Saars Werke um die Rolle von Ritualen und die “Verbindung zu Vorfahren”. Sie ermittelt auch Zusammenhänge zwischen Kultur- und Glaubenssystemen schwarzer Communities, etwa der afrikanischen und der karibischen. Ihre Kunst ist vielfältig – sie nutzt unter anderem bemaltes Leder und komplexe fensterartige, mit Tierknochen und Fell verzierte Strukturen.

  • Die Black-Power-Bewegung in der Kunst

    Lorraine O’Grady, Art Is (Girlfriends Times Two), 1983/2009

    1983 fotografiert Lorraine O’Grady bei der Harlem African Day Parade, wie 15 Tänzer und Tänzerinnen von einem Paradewagen springen. Vor die Gesichter der Zuschauer halten sie goldfarbene Bilderrahmen. Dieses “Kunstwerk im Kunstwerk” widersetzt sich der allgemeinen Auffassung, dass es für schwarze Künstler keinen Platz in der avant-gardistischen Kunst gibt.

    Autorin/Autor: Rachel Stewart (anl)


  • Die Black-Power-Bewegung in der Kunst

    Barkley Hendricks, Icon for My Man Superman (Superman Never Saved Any Black People – Bobby Seale), 1969

    Das Titelbild von “Soul of a Nation” ist ein gewagtes, lebensgroßes Porträt. Barkley Hendricks malt sich selbst und bildet sich von der Hüfte abwärts nackt ab – ruhig und lässig. Das Superman-T-Shirt erinnert an ein Zitat von Bobby Seale, dem Gründer der “Black Panther Party”. Vor Gericht soll er gesagt haben: “Wir sind so hip, dass Superman noch nie einen Schwarzen retten musste.”

  • Die Black-Power-Bewegung in der Kunst

    Faith Ringgold, American People Series #20: Die, 1967

    In den frühen 1960er Jahren löst die polizeiliche Gewalt in afro-amerikanischen Nachbarschaften den “Watts-Aufruhr” aus – 34 Menschen sterben. Faith Ringgolds blutige Darstellung der Unruhen beinhaltet ein Hoffnungssymbol für die Zukunft: Zwei Kinder – ein weißes und ein schwarzes – halten sich mitten im Chaos aneinander fest.

  • Die Black-Power-Bewegung in der Kunst

    Roy DeCarava, Couple Walking, 1979

    Roy DeCarava ist einer der ersten Künstler, der eine “schwarze” Ästhetik in der Fotografie entwickelt. Dazu benutzt er grobkörnige Aufnahmen und eine intensive schwarze Palette, um die Aufmerksamkeit der Betrachter auf die Details zu richten. In Jazzclubs hält er mit seiner Kamera Ikonen in ihrem Element fest, etwa John Coltrane. Er fängt auch intime Momente von schwarzen Pärchen und Familien ein.

  • Die Black-Power-Bewegung in der Kunst

    Andy Warhol, Muhammad Ali, 1978

    Einer der wenigen weißen Vertreter in “Soul of a Nation” ist Andy Warhol. Im Rahmen einer Athleten-Serie fotografiert er Muhammad Ali. Das Bild des Sporthelden ist bekannt unter Warhols afro-amerikanischen Zeitgenossen. Ali wird in den späten 1960er Jahren im Manifest der “Organization of Black American Culture” als würdiges Beispiel für einen schwarzen Helden benannt.

  • Die Black-Power-Bewegung in der Kunst

    Sam Gilliam, Carousel Change, 1970

    Einige Künstler der afro-amerikanischen Gemeinschaft erschaffen stilistisch anspruchsvolle Werke, um politische und soziale Kritik auszuüben. Sam Gilliam befreit die lebensgroße Leinwand von seinem Spanngerüst und stellt sein Werk absichtlich bei jeder Präsentation anders aus. Dieser Akt der Befreiung spiegelt auch den Freiheitsanspruch schwarzer Bürgerrechtler wider.

  • Die Black-Power-Bewegung in der Kunst

    Betye Saar, Eye, 1972

    In den frühen 1970er Jahren drehen sich Betye Saars Werke um die Rolle von Ritualen und die “Verbindung zu Vorfahren”. Sie ermittelt auch Zusammenhänge zwischen Kultur- und Glaubenssystemen schwarzer Communities, etwa der afrikanischen und der karibischen. Ihre Kunst ist vielfältig – sie nutzt unter anderem bemaltes Leder und komplexe fensterartige, mit Tierknochen und Fell verzierte Strukturen.

  • Die Black-Power-Bewegung in der Kunst

    Lorraine O’Grady, Art Is (Girlfriends Times Two), 1983/2009

    1983 fotografiert Lorraine O’Grady bei der Harlem African Day Parade, wie 15 Tänzer und Tänzerinnen von einem Paradewagen springen. Vor die Gesichter der Zuschauer halten sie goldfarbene Bilderrahmen. Dieses “Kunstwerk im Kunstwerk” widersetzt sich der allgemeinen Auffassung, dass es für schwarze Künstler keinen Platz in der avant-gardistischen Kunst gibt.

    Autorin/Autor: Rachel Stewart (anl)


Weiße Farbe leuchtet auf einem pechschwarzen Hintergrund. Zu erkennen sind die markanten, unheimlichen Umrisse der maskierten Anhänger des Ku-Klux-Klans – sie treffen sich in der nächtlichen Finsternis. Das Gemälde “America, the Beautiful” (“Amerika, die Schönheit”) stammt von Norman Lewis, einem Mitglied des New Yorker Kollektivs “Spiral”. Diese Gruppe aus der afro-amerikanischen Kunstszene macht sich Gedanken um die Rolle des schwarzen Künstlers in Zeiten großer sozialer und politischer Umbrüche in den Vereinigten Staaten.

Sollte der Künstler sich selbst dienen oder der Gesellschaft, der er angehört? Und gab es jemals so etwas wie “schwarze” Kunst? “Es gibt weder eine eindeutige Antwort noch eine eindeutige Einordnung für schwarze Kunst”, sagt Mark Godfrey, Co-Kurator der Tate-Modern-Ausstellung “The Soul of a Nation: Art in the Age of Black Power”. Die Künstler aus Chicago würden schwarze Kunst etwa anders definieren als ihre Zeitgenossen in Los Angeles.

Das Ghetto ist die Galerie

Im Jahr 1966 gründet sich im kalifornischen Oakland die “Black Panther Party”. Sie kämpft für eine bessere Wohnsituation und Bildung in der schwarzen Community und setzt sich gegen polizeiliche Gewalt ein. Der junge Grafikkünstler Emory Douglas, der die Black-Panther-Zeitung illustriert, meint, dass “das Ghetto selbst die Galerie für den revolutionären Künstler bietet.”

Schauen Sie sich zu diesem Thema auch die DW-Dokumentation “Afro.Deutschland” an.

Für viele schwarze Künstler, dessen Werke von Mainstream-Galerien ausgeschlossen werden, bietet die Straße tatsächlich den besten Platz für künstlerischen Ausdruck, Inspiration und Mobilisierung. Ein zentrales Beispiel dafür ist die “Wall of Respect”, die 1967 von der Organization of Black American Culture (OBAC) in Chicago ins Leben gerufen wurde.

Das weit reichende Wandbild, das die Mauer eines verwahrlosten Gebäudes schmückt, enthält Bilder von schwarzen Helden – ob nun Sportlegenden, Schriftsteller oder Politiker. Es dauert nicht lange, bis ähnliche Wandgemälde in afro-amerikanischen Nachbarschaften in anderen Teilen der USA auftauchen.

Alltagshelden

“Laut OBAC waren die schwarzen Helden nicht nur Berühmtheiten wie Henry Belafonte oder Muhammed Ali, sondern auch Pastoren, Krankenschwestern und Lehrer”, erklärt Zoey Whitley, Co-Kuratorin der Ausstellung. Sie macht als Beispiel für die “schwarzen Alltagshelden” auf Emma Amos’ “Eva the Babysitter” aufmerksam. Amos war die einzige Frau bei Spiral, so Whitley, und “ein Kindermädchen ermöglichte es, dass Emma Amos viel Zeit im Atelier verbringen konnte.”

Emma Amos, Eva the Babysitter, 1973

Jack Whittens “Homage to Malcolm” widmet sich dem Bürgerrechtler Malcolm X. Whitten benutzt einen Afro-Kamm, um die oberste Acrylschicht zu entfernen und die darunter liegenden, helleren Farben in geschickten Mustern freizulegen. Die ungewöhnliche, dreieckige Leinwand erinnert an die Ägyptischen Pyramiden, die Malcolm X während seiner Afrikareise kurz vor seiner Ermordung 1965 besuchte.

Kool-Aid Farben

Im Chicago der späten 1960er Jahre beginnen die Künstler Jeff Donaldson und Wadsworth Jarrell, die Idee einer schwarzen Ästhetik genauer zu untersuchen. Sie erstellen ein Manifest, das unterstreicht, wo sich schwarze Kunst von der westlichen Tradition absetzen soll. Sie bevorzugen zum Beispiel den Gebrauch von sogenannten “Kool-Aid” Farben – wie Kirsche, Orange und Limette – und eine klare, unmittelbare Botschaft.

Whitley verweist auf ein pulsierendes Bild von Carolyn Lawrence, das genau diesen Aspekt illustriert: “Wenn Sie ausdrücken wollen ‘Black children keep your spirits free’, dann würden Sie genau diesen Satz auch in das Gemälde hineinmalen – und zwar immer und immer wieder.”

Carolyn Mims Lawrence, Black Children Keep Your Spirits Free, 1972

In Los Angeles fordern schwarze Künstler unterdessen das Eigentum von Objekten zurück, die an ihre Unterdrückung erinnern. Um das zu erreichen, arrangieren sie die Gegenstände mit einer bestimmten Methode, der sogenannten “Assemblage”, neu.

Lesen Sie auch: Robin Rhode: Schwarz-Weiß-Malerei gibt es bei ihm nur in der Kunst.

Nach den Watts-Unruhen im Sommer 1965 in Los Angeles sammelt Noah Purifoy Schutt und Überbleibsel von den Straßen und formt sie zu einfallsreichen Skulpturen. Betye Saar stöbert auf den Flohmärkten von Los Angeles nach rassistischen Artefakten – so findet sie zum Beispiel Bilder von Lynchmorden oder Darstellungen von sogenannten “Minstrel Shows”, bei denen Weiße mit Blackface als schwarze Stereotype aufgetreten waren. Diese Bilder wandelt Saar um und erschafft so eine neue Sicht auf die “Black Power”. “Sie hat sich rassistische Erinnerungsstücke genommen und etwas Ermächtigendes daraus gemacht”, sagt Whitley über Saar.

Elizabeth Catlett, Black Unity, 1968

Ein weiteres Kapitel für die schwarze Kunst

Die Tate-Ausstellung zeigt die zahlreichen Facetten schwarzer Kunst im Zeitalter von Black Power. Doch nach zwei Jahrzehnten, in denen die Zwecke und Absichten der schwarzen Kunst wieder und wieder neu definiert wurden: Wie viel politischen und sozialen Fortschritt zieht die afro-amerikanische Künstlergemeinschaft daraus?

“Die Tatsache, dass diese Künstler Teil einer Generation sind, die institutionelle Ablehnung und systemische Unsichtbarkeit thematisieren, muss anerkannt und zelebriert werden”, so Whitley. “Ich glaube daran, dass es eine Erfolgsgeschichte ist, aber das heißt nicht, dass das Kapitel abgeschlossen ist. Es bleibt eine fortwährende Angelegenheit.”