In der Kunst gibt es kein “Handicap”

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Kunst

In der Kunst gibt es kein “Handicap”

Frei nach Joseph Beuys’ Spruch “Jeder Mensch ist ein Künstler” setzt sich die Ausstellung “Kunst trotz(t) Handicap” über körperliche und geistige Grenzen hinweg. Und zeigt Kunst von Menschen mit und ohne Behinderung.

  • Kunst zitieren

    Manuel LLobera Capella wurde 1990 in Geesthacht geboren. Schon früh fiel sein Talent auf. Er malt hauptsächlich in Acryl und Ölfarben und gilt als Meister des Kunstzitierens. Werke von Cezanne, Gauguin und Matisse dienen ihm als Vorlage. Das Bild “Der Raucher” entstand in Acryl auf Leinwand. Hier ein Ausschnitt.

  • Erst ertasten, dann erschaffen

    Diese Skulptur, ein Bronzeguss, schuf Heinz Jürgen Heinze. Der Künstler ist blind und taub. Seit 1967 lebt und arbeitet er in der Kreativen Werkstatt von Lobetal, und seit 2007 wirkt er im Atelier der Bildhauerin und Keramikerin Gudrun Sailer in Eberswalde mit. Seine große Sensibilität und Begabung kommt auch bei der “Frau mit geflochtenem Haar” zum Ausdruck. Keine Spur von Handicaps.

  • Drei-Komponenten-Porträt

    Edding-Stifte und Acryl auf Karton – mit diesen Mitteln schuf Willfried Kassner dieses Selbstporträt mit Düsenjäger. Seine Bilder leben von den speziellen Kassner-Farben, die sein Werk durchziehen wie ein festgelegtes Corporate Design. Alle seine Farben sind Mischungen. Kassner bevorzugt starke Motive. Technik, Schiffe, Flugzeuge, Raketen, Feuerwerk.

  • Punktlandung

    Martin Voßwinkel, 1963 in Erlangen geboren, ist ein vielfach ausgezeichneter Künstler, an den mehrfach Stipendien vergeben wurden. Vosswinkel begann seine künstlerische Arbeit mit sogenannten Land-Art-Projekten. Heute leitet er die Bildnerische Werkstatt der Rothenburger Werke. Seine Komposition “Punktlandung” besteht aus Acryl, Tusche und drei Lagen Acrylglas, mit denen er Tiefenwirkung erzeugt.

  • 70 Gesichter

    70 Mal ein und dasselbe Gesicht, 70 Selbstporträts von Stephan Kramer (1949-2015). In diesem Mammut-Werk hat sich der psychisch kranke Künstler mit der “Bändigung der Dämonen” seines Lebens auseinandergesetzt. Als er 1979 einen Farbkasten geschenkt bekam, begann er zu malen. Er malte schnell viel und expressiv. Auch nach seinem Tod werden immer wieder Bilder in Ausstellungen gezeigt.

  • Zwei hölzerne Brüder

    Boleslaw Jankowski versteht es aus jedem Material Kunst zu machen – sogar aus Teerpappe und Gipskarton. Er erschafft dreidimensionale Materialbilder, er malt, fertigt Druckgrafiken und Skulpturen. Hier die Holzskulptur “2 Brüder”. Jankowski arbeitet seit 1992 im Blaumeier-Atelier Bremen.

  • Barrieren für den Rollstuhlfahrer

    Florian Schmerer besucht regelmäßig das Offene Atelier Amos in Kassel. In der Berufsschule zeichnete er begeistert Stromlaufpläne, Gebäude und Apparate. Im Beruf gehörten das Lesen, Verändern und Umsetzen von technischen Zeichnungen zum Alltag. Heute ist er täglich mit dem Rollstuhl unterwegs, setzt seine Eindrücke im Atelier in Kunst um. Das Bild “Stolpersteine” zeigt Probleme seines Lebens.

  • Meisterschülerin mit russischen Wurzeln

    Schanna Saranzew wurde 1976 in Russland geboren und lebt heute in Bielefeld. Sie ist im Künstlerhaus Lydda in Bethel aktiv. Dort war sie 2012 Meisterschülerin. Sie begann mit kleinen Zeichnungen. Heute füllen ihre Bilder große Leinwände. Immer wieder taucht in ihren Gemälden das Motiv Mutter und Kind auf. Inspirieren lässt sie sich auch von klassischen russischen Symbolen.

  • Neun mal einer

    Mustaphaa El Ayachi ist 1977 im spanischen Malaga geboren. Geistig und körperlich behindert, besticht er dennoch durch ein beständiges und hohes künstlerische Niveau. Seine Bilder entstehen sehr schnell und spontan aus dem Unterbewussten heraus. Sie wurden bereits häufig in Schauen gezeigt. Diese neun Porträts zeigen den quirligen, unruhigen Künstler und wurden in dieser Form ihrerseits zu Kunst.

  • Bunte Zugabe

    Dies ist eine Arbeit von Jürgen Rudy, die offiziell nicht zu den Exponaten der Ausstellung “Kunst trotz(t) Handicap” gehört. Für die hohen und kahlen Wände der documenta-Halle hat der Künstler ein zweiteiliges, insgesamt rund 8 x 4 Meter großes buntes Blickobjekt aus Wolle gestrickt. In monatelanger Arbeit schuf Rudy diese amorphe Form. Ein Aufwand, der sich gelohnt hat.

    Autorin/Autor: Klaus Krämer

  • Kunst zitieren

    Manuel LLobera Capella wurde 1990 in Geesthacht geboren. Schon früh fiel sein Talent auf. Er malt hauptsächlich in Acryl und Ölfarben und gilt als Meister des Kunstzitierens. Werke von Cezanne, Gauguin und Matisse dienen ihm als Vorlage. Das Bild “Der Raucher” entstand in Acryl auf Leinwand. Hier ein Ausschnitt.

  • Erst ertasten, dann erschaffen

    Diese Skulptur, ein Bronzeguss, schuf Heinz Jürgen Heinze. Der Künstler ist blind und taub. Seit 1967 lebt und arbeitet er in der Kreativen Werkstatt von Lobetal, und seit 2007 wirkt er im Atelier der Bildhauerin und Keramikerin Gudrun Sailer in Eberswalde mit. Seine große Sensibilität und Begabung kommt auch bei der “Frau mit geflochtenem Haar” zum Ausdruck. Keine Spur von Handicaps.

  • Drei-Komponenten-Porträt

    Edding-Stifte und Acryl auf Karton – mit diesen Mitteln schuf Willfried Kassner dieses Selbstporträt mit Düsenjäger. Seine Bilder leben von den speziellen Kassner-Farben, die sein Werk durchziehen wie ein festgelegtes Corporate Design. Alle seine Farben sind Mischungen. Kassner bevorzugt starke Motive. Technik, Schiffe, Flugzeuge, Raketen, Feuerwerk.

  • Punktlandung

    Martin Voßwinkel, 1963 in Erlangen geboren, ist ein vielfach ausgezeichneter Künstler, an den mehrfach Stipendien vergeben wurden. Vosswinkel begann seine künstlerische Arbeit mit sogenannten Land-Art-Projekten. Heute leitet er die Bildnerische Werkstatt der Rothenburger Werke. Seine Komposition “Punktlandung” besteht aus Acryl, Tusche und drei Lagen Acrylglas, mit denen er Tiefenwirkung erzeugt.

  • 70 Gesichter

    70 Mal ein und dasselbe Gesicht, 70 Selbstporträts von Stephan Kramer (1949-2015). In diesem Mammut-Werk hat sich der psychisch kranke Künstler mit der “Bändigung der Dämonen” seines Lebens auseinandergesetzt. Als er 1979 einen Farbkasten geschenkt bekam, begann er zu malen. Er malte schnell viel und expressiv. Auch nach seinem Tod werden immer wieder Bilder in Ausstellungen gezeigt.

  • Zwei hölzerne Brüder

    Boleslaw Jankowski versteht es aus jedem Material Kunst zu machen – sogar aus Teerpappe und Gipskarton. Er erschafft dreidimensionale Materialbilder, er malt, fertigt Druckgrafiken und Skulpturen. Hier die Holzskulptur “2 Brüder”. Jankowski arbeitet seit 1992 im Blaumeier-Atelier Bremen.

  • Barrieren für den Rollstuhlfahrer

    Florian Schmerer besucht regelmäßig das Offene Atelier Amos in Kassel. In der Berufsschule zeichnete er begeistert Stromlaufpläne, Gebäude und Apparate. Im Beruf gehörten das Lesen, Verändern und Umsetzen von technischen Zeichnungen zum Alltag. Heute ist er täglich mit dem Rollstuhl unterwegs, setzt seine Eindrücke im Atelier in Kunst um. Das Bild “Stolpersteine” zeigt Probleme seines Lebens.

  • Meisterschülerin mit russischen Wurzeln

    Schanna Saranzew wurde 1976 in Russland geboren und lebt heute in Bielefeld. Sie ist im Künstlerhaus Lydda in Bethel aktiv. Dort war sie 2012 Meisterschülerin. Sie begann mit kleinen Zeichnungen. Heute füllen ihre Bilder große Leinwände. Immer wieder taucht in ihren Gemälden das Motiv Mutter und Kind auf. Inspirieren lässt sie sich auch von klassischen russischen Symbolen.

  • Neun mal einer

    Mustaphaa El Ayachi ist 1977 im spanischen Malaga geboren. Geistig und körperlich behindert, besticht er dennoch durch ein beständiges und hohes künstlerische Niveau. Seine Bilder entstehen sehr schnell und spontan aus dem Unterbewussten heraus. Sie wurden bereits häufig in Schauen gezeigt. Diese neun Porträts zeigen den quirligen, unruhigen Künstler und wurden in dieser Form ihrerseits zu Kunst.

  • Bunte Zugabe

    Dies ist eine Arbeit von Jürgen Rudy, die offiziell nicht zu den Exponaten der Ausstellung “Kunst trotz(t) Handicap” gehört. Für die hohen und kahlen Wände der documenta-Halle hat der Künstler ein zweiteiliges, insgesamt rund 8 x 4 Meter großes buntes Blickobjekt aus Wolle gestrickt. In monatelanger Arbeit schuf Rudy diese amorphe Form. Ein Aufwand, der sich gelohnt hat.

    Autorin/Autor: Klaus Krämer

Die Paralympics in Brasilien stehen zurzeit im öffentlichen Fokus. Behinderte Sportler aus aller Welt messen sich im sportlichen Wettkampf. Und sind dabei unter sich. “Inklusion” würde man es nennen, wenn Sportler mit und ohne Handicap in gemeinsamen Wettbewerben um Medaillen kämpften.

Anders die Wanderausstellung “Kunst trotz(t) Handicap”. Mit ihr möchte die Diakonie Deutschland Inklusion verwirklichen. In der Documenta-Halle in Kassel sind zurzeit gut 200 Kunstwerke zu sehen, die genau das zeigen, was in klassischen Ausstellungen zeitgenössischer Kunst präsentiert wird: abstrakte und gegenständliche Malerei, Druckgrafik, Skulpturen, Fotokunst, geschaffen von über 100 Künstlerinnen und Künstlern mit und ohne Behinderung. Hinzu kommen Video-Arbeiten und Fotodokumentationen, die Handicaps aus verschiedenen Perspektiven in den Blick nehmen.

Was ist eigentlich ein Handicap?

Das Besondere: Nur ein knappes Drittel der Werke wurde von Künstlern ohne Handicap kreiert, sagt Andreas Pitz, Kurator der Ausstellung. “Wir haben den Begriff ‘Handicap’ bewusst gewählt, weil das ein sehr weiter Begriff ist. Das sind Künstlerinnen und Künstler mit ganz unterschiedlichen Handicaps: körperbehindert, geistig behindert, psychisch krank, suchtkrank.”

Bemerkenswert: Die Materie gewordenen Ideen hängen oder stehen gleichberechtigt nebeneinander, ohne dass es einen Vermerk gibt, welcher seiner Schöpfer behindert ist und welcher nicht. Im Fokus soll die Kunst stehen, nicht die persönliche Situation der Künstlerinnen und Künstler.

Kunst auf Augenhöhe

Kurator Andreas Pitz

“In vielen Einrichtungen der Behindertenhilfe und Diensten der psychiatrischen Versorgung werden Menschen mit künstlerischem Talent gefördert”, erläutert Pitz im Gespräch mit der DW. Außerdem gebe es in Werkstätten und Ateliers spezielle Angebote, in denen sich kreativ Begabte entwickeln können. So entstünde immer wieder Kunst von hoher Qualität. Die Werke dieser Menschen werden im Rahmen der Wanderausstellung gemeinsam mit Exponaten von Künstlern mit akademischer Ausbildung präsentiert, die ebenfalls ein Handicap haben. Als Drittes kommen dann noch Werke von Künstlern hinzu, die bereits einen Namen in der Szene haben und die sich mit ihrem Schaffen für Menschen, die behindert sind, einsetzen.

Es mache die behinderten Künstler ungeheuer stolz, dass ihre Kunstwerke in berühmten Museen und Ausstellungshallen gezeigt und neben Exponaten bekannter zeitgenössischer Künstler hängen würden. “Da findet ein faszinierender Rollenwechsel statt. Wenn ich behinderte Künstler in meine Führungen einbinde, spielt die Behinderung überhaupt keine Rolle mehr. Da stehen dann in erster Linie Künstler.” Für den Kurator ist klar: “In der Kunst ist der Mensch nicht mehr behindert.”

Aufwendige Suche

Auch Großformatiges in der Schau (mehr in der Galerie)

Ein dreiviertel Jahr lang ist Andreas Pitz durch Deutschland gefahren, bevor die Ausstellung 2015 starten konnte. Er besuchte Ateliers und Werkstätten, sprach mit den Künstlern, schaute sich tausende Kunstwerke persönlich an, denn für ihn war entscheidend, dass es gute, anspruchsvolle Kunst sein muss. “Für mich macht einen guten Künstler aus, dass er einen unverwechselbaren Stil entwickelt hat. Es gibt in unserer Ausstellung eine ganze Menge Künstler, die eine eigene Bildsprache entwickelt haben, die sie unverwechselbar macht.”

Ein weiterer Aspekt für die Auswahl der Kunstwerke sei gewesen, dass sie “dem Motto der Ausstellung gerecht werden, dass sich Menschen in ihrer Kunst mit dem, was sie behindert, was ihnen Probleme macht, auseinandersetzen.” Gerade die Kunstwerke von psychisch kranken Menschen, so der erfahrene Kurator, machten das “ungeheuer eindrucksvoll deutlich”.

Zur Halbzeit ein Wunsch

So mancher Hingucker für “Schaulustige”

Diese siebte Station der Ausstellung “Kunst trotz(t) Handicap” in der documenta-Halle in Kassel (bis 18.09.2016) markiert zugleich die Halbzeit des gesamten Projekts. Bis Ende 2017 soll die Schau noch mindestens fünf Mal gezeigt werden, direkt anschließend (21.09.-19.10.2016) in Hannover. Finanziell unterstützt wird die Diakonie Deutschland dabei von der Hilfsorganisation “Aktion Mensch”.

Am traditionsreichen Kunststandort der documenta-Halle, dort wo alle fünf Jahre die größte und weltweit am meisten beachtete Ausstellung zeitgenössischer Kunst stattfindet, hat Kurator Andreas Pitz aber noch einen verwegenen Wunsch: “Ich habe gerade mit Künstlern, die Ateliers leiten, überlegt, dass es eine große Idee sein könnte, unmittelbar nach der großen documenta eine Ausstellung mit Kunstwerken von Menschen mit Handicaps zu zeigen.”

Das wäre in der Tat ein großes Ziel – hätte allerdings auch ein bisschen was von Paralympics, die ein bisschen wie ein Anhängsel der Olympischen Spiele wirken – die mit Handicap bleiben weitgehend unter sich und kommen erst zum Schluss dran. Da ist “Kunst trotz(t) Handicap” heute eigentlich schon weiter als der Sport.