Blutige Gefechte in Berg-Karabach ausgebrochen

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Aserbaidschan

Blutige Gefechte in Berg-Karabach ausgebrochen

Der schwelende Konflikt um das Gebiet Berg-Karabach ist wieder aufgeflammt. Armenien und Aserbaidschan werfen sich gegenseitig vor, für neue Kämpfe verantwortlich zu sein. Es soll mehr als 20 Todesopfer geben.

Soldaten der Streitkräfte von Berg-Karabach in einem Wachposten bei Agdam (Archivfoto)

Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium teilte mit, bei den Kämpfen seien in den eigenen Reihen zwölf Soldaten getötet worden. Auf armenischer Seite kamen nach vorläufigen Angaben mehr als zehn Militärangehörige ums Leben, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Behördenkreisen in der Hauptstadt Eriwan erfuhr. Beide Seiten schätzen die Verluste der gegnerischen Seite jedoch weit höher ein.

Die Kämpfe waren im Grenzgebiet des umstrittenen Gebiets im südlichen Kaukasus in der Nacht zum Samstag ausgebrochen. Beide Seiten machten sich gegenseitig dafür verantwortlich. Das armenische Verteidigungsministerium erklärte, Aserbaidschan habe “mit Panzern, Artillerie und Hubschraubern massiv angegriffen”. Die aserbaidschanischen Einheiten seien zurückgeschlagen worden, wobei sie “hohe Verluste” erlitten hätten. Die Regierung in Baku bestätigte derweil armenische Angaben, wonach ein aserbaidschanischer Militärhubschrauber abgeschossen worden sei.

Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium erklärte, seine Truppen seien von “großkalibriger Artillerie und Raketenwerfern” angegriffen worden. Einige der mehr als 120 abgefeuerten Geschosse hätten Wohngebiete getroffen. Die aserbaidschanischen Truppen hätten umgehend “Vergeltungsmaßnahmen” eingeleitet und zwei strategisch wichtige Anhöhen und ein Dorf in Berg-Karabach eingenommen. Zudem seien sechs gegnerische Panzer udn 15 Artillerie-Stellungen zerstört worden.

Das Verteidigungsministerium von Armenien in Eriwan

Das Verteidigungsministerium von Berg-Karabach, das von Armenien unterstützt wird, teilte mit, beim Beschuss armenischer Dörfer in der umstrittenen Region sei ein zwölfjähriger Junge getötet worden. Das Außenministerium in Baku berichtete von einem getöteten aserbaidschanischen Zivilisten.

Putin mahnt zu Feuerpause

Der russische Präsident Wladimir Putin rief beide Seiten auf, das Feuer umgehend einzustellen. Die Konfliktparteien müssten eine “sofortige Waffenruhe” eingehen und Zurückhaltung üben, um weitere Opfer zu vermeiden, ließ er über seinen Sprecher Dmitri Peskow erklären. Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu führte mit seinen Kollegen in den Hauptstädten Eriwan und Baku Krisentelefonate. Schoigu forderte beide auf, die Lage rasch zu stabilisieren, wie die Nachrichtenagentur Interfax meldete. Russland versteht sich als Schutzmacht Armeniens. Der armenische Regierungschef Howik Abrahamjan berief in der Hauptstadt Eriwan eine Dringlichkeitssitzung seines Kabinetts ein.

Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier rief die Konfliktparteien zur Einstellung der Kampfhandlungen auf. “Ich bin in großer Sorge über die militärische Eskalation”, erklärte Steinmeier in Berlin, besonders über “den Verlust von Menschenleben, auch unter der Zivilbevölkerung”. Es könne in diesem Konflikt keine militärische Lösung geben, mahnte der Minister auch im Namen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), deren Vorsitz Deutschland innehat.

Die beiden ehemaligen Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan streiten seit vielen Jahren um die Region Berg-Karabach. Das Gebiet gehörte in der Sowjetunion zur muslimisch geprägten Republik Aserbaidschan, obwohl es mehrheitlich von christlichen Armeniern bewohnt wird. Proarmenische Rebellen haben es Ende der 80er Jahre mit Eriwans Unterstützung unter ihre Kontrolle gebracht.

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Bis heute kein Friedensvertrag

Im Zuge eines jahrelangen Kriegs wurden schätzungsweise 30.000 Menschen getötet. Hunderttausende Menschen flohen vor den Kämpfen. Im Jahr 1994 trat ein Waffenstillstand in Kraft, der jedoch als brüchig gilt. Einen Friedensvertrag gibt es bis heute nicht. International wird Berg-Karabach weiterhin als Teil Aserbaidschans angesehen, Armenien erkennt dies aber nicht an.

Das kleine Berggebiet an der Grenze zwischen beiden Ländern ist weitgehend von Zahlungen aus Eriwan abhängig und praktisch nur über die Straße aus Armenien erreichbar. Das erdölreiche Aserbaidschan, dessen Verteidigungsbudget bisweilen höher war als Armeniens gesamter Staatshaushalt, drohte wiederholt damit, Berg-Karabach zurückzuerobern, sollten internationale Bemühungen zur Lösung des Konflikts erfolglos bleiben. Die Regierung in Eriwan versicherte, man könne jeder Offensive standhalten.

Als Vermittler dient in dem Konflikt die sogenannte Minsk-Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Zu ihr gehören unter anderen Russland, die USA, Deutschland, Frankreich und die Türkei.

kle/uh (afp, dpa, rtre, ape)