Parteien-Posse um Asylpaket

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Flüchtlinge

Parteien-Posse um Asylpaket

Gerade erst wurde das Asylpaket II als wegweisender Kompromiss gefeiert. Nun allerdings zeigen sich Haken und Ösen: Wurde der SPD eine heimliche Verschärfung untergejubelt? Hinter den Kulissen rotieren die Genossen.

Unbemerkte Korrekturen? SPD-Chef Sigmar Gabriel nach dem Spitzengespräch zum Asylpaket II (28.01.2016)

Die ersten spotteten sofort: Liest die SPD die von ihr mitgetragenen Gesetze? Auslöser der Irritationen war ein Bericht des ARD-Hauptstadtstudios über das Asylpaket II. In der SPD-Bundestagsfraktion rege sich Widerstand dagegen, so die ARD. Und: Der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel habe betont, in der Gesetzesvorlage stehe nicht das, was vereinbart sei.

Alsbald wurde gemutmaßt: Die Kabinettsvorlage zum Asylpaket, die am Mittwoch verabschiedet wurde, sei nach dem Spitzentreffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Horst Seehofer und dem SPD-Chef am Donnerstag vergangener Woche noch einmal stillschweigend verschärft worden. Das aber würde bedeuten, dass in der Ressortabstimmung mit den SPD-geführten Ministerien irgendjemand geschlafen hätte.

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Beim Thema Flüchtlinge herrscht Chaos. Eine Lösung ist kaum erkennbar. Das liegt nicht nur an der Politik. Denn die Gesellschaft insgesamt redet lieber übereinander als miteinander, bedauert Marcel Fürstenau. (30.01.2016)

Gerade erst konnte die Kanzlerin mit dem Asylpaket II einen Erfolg verbuchen. Während sich in der Koalition die Gemüter beruhigen, scheint das in der Bevölkerung nicht der Fall zu sein. Viele fordern Merkels Rücktritt. (29.01.2016)

Nach einem Spitzentreffen im Kanzleramt hat sich die Regierungskoalition auf einen Kompromiss beim Asylpaket II geeinigt. Algerien, Tunesien und Marokko sollen zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden. (28.01.2016)

Wer hat den Schwarzen Peter?

Wie man es auch dreht und wendet: Bei einem bleibt der Schwarze Peter auf jeden Fall hängen. Laut ARD-Bericht wäre das womöglich Gabriel selbst: In der SPD-Bundestagsfraktion gebe es den Verdacht, der Parteivorsitzende habe in der Spitzenrunde Zugeständnisse gemacht, ohne seine Genossen darüber zu informieren, hieß es.

Knackpunkt sind die Regelungen zum Familiennachzug, wonach Flüchtlinge mit subsidiärem, also eingeschränktem Schutzstatus zwei Jahre lang keine Angehörigen nachholen können – auch dann nicht, wenn sie als Minderjährige allein geflohen sind. Mehrere Abgeordnete hätten angekündigt, dem nicht zustimmen zu wollen, so der ARD-Bericht.

Auf Anfrage des Senders hatte Gabriel erklärt, es sei keineswegs mit ihm vereinbart gewesen, den Familiennachzug auch für unbegleitete Minderjährige auszusetzen. Erst durch die Medienrecherche habe er davon erfahren. In einem früheren Referentenentwurf waren Minderjährige auf Druck der SPD noch von Begrenzungen beim Familiennachzug ausgenommen worden.

“Sehr verwundert”: Unions-Fraktionsvize Thomas Strobl (Archivbild)

Während es vonseiten der Opposition Kritik hagelt – Grünen-Vorsitzende Simone Peter moniert, die SPD habe sich “mal wieder über den Tisch ziehen lassen” -, versuchen die Genossen, die Scherben zu kitten. Unions-Fraktionsvize Thomas Strobl (CDU) hatte sich zuvor bereits “sehr verwundert” über das Verhalten des Koalitionspartners geäußert.

Sturm im Wasserglas?

Eilfertig gibt die SPD hinter vorgehaltener Hand nun Entwarnung – um eine weitere Eskalation zu verhindern. “Aus Parteikreisen”, also ohne die Erlaubnis, den Absender des Zitats zu benennen, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters: “Die SPD stellt das Asylpaket II nicht infrage.” Das Thema des Familiennachzugs für minderjährige Flüchtlinge habe beim Treffen der drei Parteichefs in der vorigen Woche keine Rolle gespielt. “Es gibt aber auch keine Hinweise darauf, dass das Bundesinnenministerium hier falsch spielt”, wurde zusätzlich betont.

Wie sehr es der SPD-Spitze mit der Deeskalation pressiert, lässt sich daran ablesen, dass auch der Deutschen Presse-Agentur (dpa) – ebenfalls “unter zwei”, also ohne Angabe des Urhebers – beinahe der gleiche Wortlaut zugespielt wurde. Es gebe lediglich “juristische Unklarheiten”, heißt es laut dpa in offenbar denselben “Parteikreisen”. Das werde innerhalb der Koalition nun schnell und unaufgeregt geklärt.

Will sagen: Angesichts des unverminderten Flüchtlingsansturms und dem Versuch von Rechtspopulisten, damit Stimmen zu fangen, ist das Thema aus Sicht der Parteistrategen zu heikel, um weitere Pirouetten zu drehen. Alles nur ein Sturm im Wasserglas? Zumindest in der Koalition ist der Karneval offenbar jetzt schon zu Ende.

jj/wl (dpa, afp, rtr)