Wie stabil ist Senegals moderater Islam?

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Senegal

Wie stabil ist Senegals moderater Islam?

Der Islam im Senegal gilt eigentlich als besonders weltoffen, friedlich und tolerant. Seit den Anschlägen in Bamako und Ouagadougou nimmt aber auch dort die Sorge vor extremistischen Strömungen zu.

Mehr als 900 Personen hat die senegalesische Polizei am vergangenen Wochenende überprüft. Der Einsatz sei Teil eines Gegenschlags gegen die drohende Terrorgefahr, erklärten die Behörden. Die Sicherheitskräfte reagierten damit sicherlich auch auf den islamistischen Terroranschlag im burkinischen Ouagadougou Mitte Januar. Überall in der Region gelten jetzt strengere Sicherheitsregeln. Im Senegal bildet die Polizei zurzeit mehr als 1000 neue Mitarbeiter aus – auch für den Anti-Terror-Einsatz. Dabei galt gerade der Senegal als eines der Vorzeigeländer
für einen toleranten und friedlichen Islam.

Boukary Sambe von der Gaston Berger Universität im senegalesischen Saint Louis hat sein Heimatland lange als Ausnahme in der Region wahrgenommen: “Der Senegal ist in den vergangenen Jahren eine Insel der Stabilität gewesen”, sagt er. Eine Insel der Stabilität in einem Ozean an Unsicherheit, zu dem Westafrika geworden sei. “Diese Situation ist dem Einfluss der sufistischen Bruderschaften zu verdanken, die es geschafft haben einen friedlichen Islam zu propagieren und zu erhalten,” erklärt der Politikwissenschaftler. Aber jetzt sei alles anders, sagt er. “Ich glaube, dass die jüngsten
Attentate in Ouagadougou
das Ende der Ausnahmen in Westafrika eingeläutet haben.”

Dakar, Senegal: Groß angelegte Polizei-Kontrollen

Unzufriedene Intelektuelle

Extremistische Strömungen gebe es im Senegal aber schon seit den 1950er Jahren, sagen Experten. Von Saudi Arabien beeinflusst entstanden neue, strenge Ausrichtungen. Während
die Wahhabiten und Salafisten
in der Vergangenheit aber friedlich mit den traditionellen sufistischen Bruderschaften im Senegal zusammengelebt haben, steigt jetzt die Angst vor einer Radikalisierung.

Ute Boncandé ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Konrad-Adenauer-Stiftung in Dakar

Ute Gierczynski-Bocandé von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Dakar beobachtet eine immer größere Kluft zwischen Arm und Reich. Gleichzeitig verschlechtere sich das Bildungssystem. Immer mehr junge Senegalesen wichen auf Koranschulen oder die arabische Universität aus. Das Ergebnis: miserable Chancen auf dem Arbeitsmarkt, wo Französischkenntnisse meist Voraussetzung sind.

“Das schafft dann nicht nur Unzufriedenheit bei den Armen, sondern auch unter den Intelektuellen und das ist gefährlich”, sagt Gierczynski-Bocandé. Seit einigen Jahren beobachte man eine Zunahme von jungen Leuten, die sich nicht in die traditionellen Bruderschaften einfügen wollten. Stattdessen fühlten sie sich von Islamisten angezogen, die ihnen auch ein soziales Netz bieten.

Problemviertel Pikine

Analphabetismus, Überschwemmungen, Überbevölkerung – so beschreibt Daouda Gueye die Probleme des Vororts Pikine. Mehr als zwei Millionen Menschen leben hier eng zusammen vor den Toren der Hauptstadt Dakar. Gueye leitet das Radio Oxyjeunes, einen Sender, der sich hauptsächlich an die Jugendlichen in diesem Viertel wendet. Er beobachtet unter den jungen Leuten hier einen religiösen Wandel: “Im Senegal herrscht immer noch der Sufismus, der tolerante Islam vor, aber wir stellen heute fest, dass hier in Pikine junge Leute von der Doktrin der Salafisten angezogen werden.”

Schüler einer Koranschule

Radio Oxyjeunes versuche deshalb Druck auf die Regierung auszuüben, damit sie in Pikine in Schulen investiert. Gueye sieht Bildung als Schlüssel gegen den Islamismus. Angst vor Terror hat er aber nicht: Religiöse Intoleranz gebe es im Senegal nicht. “Unsere Salafisten sind besonnen und gewaltfrei. Der Beweis: Bisher gab es im Senegal noch kein Attentat!”

Der Politikwissenschaftler Bakary Sambe ist skeptischer. Er sieht dringenden Handlungsbedarf für eine Terrorbekämpfung im Senegal: “Heute brauchen wir eine echte Entradikalisierung durch Prävention,” sagt er. Gleichzeitig müsse das Land aber auch die Hauptursachen von Terror bekämpfen: schlechte Regierungsführung und die soziale Ungerechtigkeit.