Das Zuhause als Selfie

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Kunst

Das Zuhause als Selfie

Sag mir, wie Du wohnst und ich sage Dir, wer Du bist. Wohnen ist eine große Kunst. Das stellt eine Ausstellung in Leverkusen unter Beweis. Sie zeigt das Interieur als Porträt des Bewohners.

  • Schöner Wohnen als Sehnsucht

    Wie kaum ein anderes Möbelhaus versteht es Ikea, das ideale Zuhause zu inszenieren. Die Künstlerin Miriam Bäcktröm schuf 1999 eine Serie von Fotografien für das firmeneigene Museum. Sie zeigen, wie sich das Wohnen bei Ikea von den Fünfzigern bis in die Neunziger entwickelt hat. Die Räume wirken wie Bühnen, die Individualität suggerieren, aber eigentlich das Gegenteil davon sind.

  • Im Zwischenreich

    Was ist eigentlich genau die Garage für ein Raum? Für manche ist es bloß ein Durchgang ins Haus, für andere ein Abstellraum für das Auto. Meist bleibt aber noch Platz für Gegenstände, die es nicht wert sind, mit ins Heim genommen zu werden. Die Garage bildet eine Grauzone des Wohnens. Simone Demandt hat ihre Serie “Freude am Leben” 2001 aufgenommen.

  • Kreislauf des Wohnens

    Sperrmüllhaufen dienen Ralf Schulz als Rohstoff für seine Serie “Rekonstruktion unbekannter Interieurs”. Für seine Fotografien arrangiert er Räume aus Ausrangiertem: Aus gebrauchtem Plunder, den er auf der Straße gefunden hat, schafft er realistische neue Räume in seinem Atelier. Er fotografiert und zerstört sie wieder – mit einer Axt drischt er auf die künstlichen Wohnwelten ein.

  • American Lifestyle

    Der Pop Art Künstler Roy Lichtenstein widmete dieses Bild dem American Way of Life. Es bricht die Sehnsucht nach dem perfekten Heim auf einen gemeinsamen Nenner herunter: Die Vorlage fand er in den Gelben Seiten. Aus dem Rahmen fällt hier gar nichts – außer dem abstrakten Gemälde an der Wand, mit dem Lichtenstein eine kleine Störung in die Wohnidylle einbaute.

  • Blumige Phantasie

    Andreas Schulze hat ein Gesamtkunstwerk geschaffen, in dem Natur und Kultur aufeinander stoßen. An den Wänden dringt Qualm aus Auspuffrohren, auf dem Tisch stehen Vasen (in der Form des Kopfes von Andreas Schulze), aus denen Blumen sprießen. Der Tisch verschwindet beinahe in diesem Universum, das alles andere als ein heimeliger Rückzugsort ist.

  • Wohnen als Selbstinszenierung

    Eine gewisse Dekadenz versprüht der Raum, der dem Künstler Alastair gewidmet ist. Ein Zeichner und Illustrator, der als weißes Gespenst diesen artifiziellen Raum bewohnt. Claus Richter arrangiert diesen perfekten Raum mit dem schwarzen Teppichboden und voller kleiner Vögel, die gefangen sind an Stangen und Volieren. So wie sein Bewohner können sich nicht entschwinden.

    Autorin/Autor: Sabine Oelze

  • Schöner Wohnen als Sehnsucht

    Wie kaum ein anderes Möbelhaus versteht es Ikea, das ideale Zuhause zu inszenieren. Die Künstlerin Miriam Bäcktröm schuf 1999 eine Serie von Fotografien für das firmeneigene Museum. Sie zeigen, wie sich das Wohnen bei Ikea von den Fünfzigern bis in die Neunziger entwickelt hat. Die Räume wirken wie Bühnen, die Individualität suggerieren, aber eigentlich das Gegenteil davon sind.

  • Im Zwischenreich

    Was ist eigentlich genau die Garage für ein Raum? Für manche ist es bloß ein Durchgang ins Haus, für andere ein Abstellraum für das Auto. Meist bleibt aber noch Platz für Gegenstände, die es nicht wert sind, mit ins Heim genommen zu werden. Die Garage bildet eine Grauzone des Wohnens. Simone Demandt hat ihre Serie “Freude am Leben” 2001 aufgenommen.

  • Kreislauf des Wohnens

    Sperrmüllhaufen dienen Ralf Schulz als Rohstoff für seine Serie “Rekonstruktion unbekannter Interieurs”. Für seine Fotografien arrangiert er Räume aus Ausrangiertem: Aus gebrauchtem Plunder, den er auf der Straße gefunden hat, schafft er realistische neue Räume in seinem Atelier. Er fotografiert und zerstört sie wieder – mit einer Axt drischt er auf die künstlichen Wohnwelten ein.

  • American Lifestyle

    Der Pop Art Künstler Roy Lichtenstein widmete dieses Bild dem American Way of Life. Es bricht die Sehnsucht nach dem perfekten Heim auf einen gemeinsamen Nenner herunter: Die Vorlage fand er in den Gelben Seiten. Aus dem Rahmen fällt hier gar nichts – außer dem abstrakten Gemälde an der Wand, mit dem Lichtenstein eine kleine Störung in die Wohnidylle einbaute.

  • Blumige Phantasie

    Andreas Schulze hat ein Gesamtkunstwerk geschaffen, in dem Natur und Kultur aufeinander stoßen. An den Wänden dringt Qualm aus Auspuffrohren, auf dem Tisch stehen Vasen (in der Form des Kopfes von Andreas Schulze), aus denen Blumen sprießen. Der Tisch verschwindet beinahe in diesem Universum, das alles andere als ein heimeliger Rückzugsort ist.

  • Wohnen als Selbstinszenierung

    Eine gewisse Dekadenz versprüht der Raum, der dem Künstler Alastair gewidmet ist. Ein Zeichner und Illustrator, der als weißes Gespenst diesen artifiziellen Raum bewohnt. Claus Richter arrangiert diesen perfekten Raum mit dem schwarzen Teppichboden und voller kleiner Vögel, die gefangen sind an Stangen und Volieren. So wie sein Bewohner können sich nicht entschwinden.

    Autorin/Autor: Sabine Oelze

Die Wohnung ist die Visitenkarte der Sesshaften. Vor einigen Jahre gelang es dem Möbelhaus Ikea, mit einem Slogan das Lebensgefühl des ausgehenden 20. Jahrhunderts zu beschreiben: “Lebst Du noch oder wohnst Du schon?”. Das Möbelhaus traf damit den Nagel auf den Kopf, denn immer mehr Menschen investieren astronomische Summen für Küchen, Badarmaturen und Sofas. Nur, um schöner zu wohnen. Nur, um sich selbst in ihrem Zuhause zu verwirklichen.

Schloss Morsbroich als Folie für Wohnsehnsüchte

Kaum ein Ort könnte besser passen, um die repräsentative Kraft dieser Sehnsucht zu erforschen als das barocke
Schloss Morsbroich in Leverkusen
. Es besitzt einen Spiegelsaal, viel Zierrat an der Decke und ein holzgetäfeltes Jagdzimmer. Kurator Fritz Emslander erzählt, dass viele Künstler, die dort in der Vergangenheit ausstellten, davon träumten, in Schloss Morsbroich zu wohnen – und diesen Wunsch durch künstlerische Eingriffe sichtbar machten. Auch das war für ihn eine Eingebung, der Entwicklung vom Wohnen zur Selbstinszenierung in der Kunst auf den Grund gehen.

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Die Wohnung als Prestigeobjekt

Mit einem wachsenden Wohlstand wurde Einrichtung mehr und mehr zu einer Frage des Prestiges. Dass sich unser Wohnen bzw. die Suche nach dem richtigen Wohnen verändert hat, habe mit einem gesellschaftlichen Wandel zu tun, so Emslander, der vom Wohnen als “Breitenphänomen” spricht. Einen Anteil daran haben die Macher von Ikea, deren halbjährlich erscheinender Katalog Kultstatus besitzt. Miriam Backström fotografierte 1999 für das firmeneigene Museum die Interieurs des Möbelriesen – von den Fünfzigern bis in die Achtziger Jahre.

Zu sehen sind gemütliche, geschmackvoll eingerichtete Räume, Sessel, ansprechende Farben, die eine warme Atmosphäre versprühen. Eindrucksvoll illustriert die Fotoserie, wie perfekte Räume geschaffen wurden – für die ideale Familie: fröhlich, mittelständisch, kinderreich. Die Fotos sind menschenleer und wirken wie Filmsets, die nur darauf warten, dass ihre Protagonisten sich dort wohl fühlen. Die Einrichtung ist zu einer Mischung aus globalem Fertigprodukt und Kokon geworden, die überall auf der Welt beliebig und austauschbar ist – womit sie das Gegenteil von individueller Selbstverwirklichung darstellt.

Wohnen zieht ins Museum ein

Neu ist das Thema “Wohnen” in der zeitgenössischen Kunst nicht. In regelmäßigen Abständen gab es in den vergangenen Jahren Ausstellungen dazu. Die Schau “Aufschlussreiche Räume. Interieur als Porträt” im Schloss Morsbroich in Leverkursen stellt künstlerische Annäherungen an das Thema in sorgfältig arrangierten Räumen nebeneinander und folgt der Devise: Das Inventar spricht von seinen Bewohnern, ihrem Selbst- und ihrem Weltverständnis.

“Pattern of Habit”: Installation von Andrea Zittel

Die Künstlerin Shannon Bool will zeigen, dass unsere Sehnsucht nach Verschmelzung von Innen- und Außenwelt, dem Einssein mit dem Kosmos, tief verwurzelt ist. Sie malt Räume von Psychoanalytikern, in denen Frauen auf Couches sitzen oder liegen. Ihre Körper sind von Stoffen bedeckt – so werden sie selbst zu Design-Objekten, zur voyeuristischen Projektionsfläche des Betrachters. In den Zeichnungen und Fotografien von Anna und Bernhard Blume entwickeln die Möbel ihr eigenes Leben und bringen die Bewohner in Bedrängnis. Sie quetschen und verdrängen sie sogar.

Auch in der Garage zeigt sich das Ich des Bewohners

Simone Demand spürt einen Zwischenbereich des Wohnens auf: die Garage. Menschenleere Räume, in denen gehortet wird, was nicht wert ist, im Haus einen Platz zu bekommen. Sie zeigen die Kehrseite des Wohnens: den Ort, der nichts Besonderes mehr sein will.

Ralf Schulz’ Serie “Rekonstruktion unbekannter Interieurs” ist ein Arrangement von Ausrangiertem: Zunächst schuf er ein fotografisches Archiv seiner Fundstücke – Stühle, Schreibtische, Sofas. Dann baute er aus dem Plunder realistische neue Räume in seinem Atelier. So konserviert er aus einem einzigen Sperrmüllhaufen die Vergangenheit des ehemaligen Besitzers. Und er reflektiert den Kreislauf des Wohnens, in dem die Menschen wie besessen nach dem Wundermöbel suchen, das ihre Wohnung zum Porträt ihrer selbst macht, zum Selfie, das sich von anderen unterscheidet.