EU-Gipfel zu Corona-Hilfen auf Sonntag vertagt

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Nach zwei fruchtlosen Tagen wollen die 27 Staats- und Regierungschef am Sonntag weiter über ein Rekord-Budget von 1,8 Billionen Euro beraten. Die Hoffnung auf einen Kompromiss besteht. Aus Brüssel Bernd Riegert.

“Masken-Ball” in Brüssel: Bundeskanzlerin Merkel (li.) auf der Suche nach Kompromissen

Haushalts-Gipfel, die drei Tage dauern, sind bei der Europäischen Union eher die Regel als die Ausnahme. Da es diesmal um die Kombination aus Sieben-Jahres-Haushalt und Corona-Wiederaufbaufonds mit einer Rekordsumme von 1,8 Billionen Euro geht, sei es kein Wunder, dass eine Einigung schwierig ist. Das meinen erfahrene EU-Diplomaten in Brüssel, die sich noch an den legendären Gipfel von Nizza im Jahr 2000 erinnern, der auf geschlagene vier Tage ausgedehnt wurde.

Dass Gipfel-Vorsitzender Charles Michel, den Gipfel jetzt auf Sonntag vertagt hat, ist also nichts außergewöhnliches, sondern zeigt eher, dass Michel Hoffnung hat, die 27 Interessen der Staats- und Regierungschefs noch unter einen Hut zu bekommen. Klappte das nicht, wäre in rund einer Woche der nächste Sondergipfel fällig. “Die Probleme wären dann aber die gleichen, also können wir es auch jetzt versuchen”, heißt es von EU-Diplomaten.

Die “sparsamen Vier” bei einer Lagebesprechung: Wenig Abstand, keine Masken

Kompromiss-Vorschlag fiel zunächst durch

Am zweiten Gipfeltag hatten Gipfel-Vorsitzender Charles Michel und die derzeitige Ratspräsidentin der EU, Bundeskanzlerin Angela Merkel, ein neues Kompromisspapier vorgelegt.Sowohl den sparsamen Vier (Niederlande, Dänemark, Schweden, Österreich) als auch den Hauptempfängerländern des Aufbaufonds (Spanien, Italien, Polen, Griechenland) wollte man entgegen kommen.

Den ganzen Tag wurde in Einzelgesprächen und Arbeitsgruppen verhandelt, verworfen, gestritten. Michel und Merkel schlugen vor, die Höhe der Zuschüsse im Aufbaufonds von 500 auf 450 Milliarden Euro zu senken. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz sah “Schritte in die richtige Richtung”, aber auch noch eine Menge Verhandlungsarbeit.

Schweden reagierte nach Angaben italienischer Medien mit einem Gegenvorschlag. Im Namen der sparsamen Nettoeinzahler schlug Schwedens Ministerpräsident Stefan Lövfen 300 Milliarden Euro als Zuschuss vor. Das veranlasste den italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte ein Video im Internet zu veröffentlichen, in dem er zürnte, der Streit sei noch keineswegs vorbei und eine Lösung nicht greifbar. Er warf den Niederlanden vor zu blockieren. Ein vom niederländischen Premier Mark Rutte verlangtes Veto-Recht über die Verwendung der Zuschüsse in den Empfängerländern lehnte Conte ab. Kontrollen ja, so Conte, aber nur mit Mehrheitsbeschlüssen, ohne Veto.

Die Vermittler Michel und Merkel versuchen den Streit mit einer “Notbremse” zu schlichten, einem neuen komplizierten Abstimmungsverfahren, das so aussieht wie ein Veto, aber eigentlich keines ist.

Ungelöste Probleme für den dritten Gipfeltag

Eine Reihe weiterer Fragen sind noch offen: Wie hoch sollen die Rabatte für die Nettozahler auf ihre Beiträge sein? Nach welchen Kriterien sollen die Corona-Aufbauhilfen verteilt werden? Welche Kürzungen soll es im regulären Haushalt der EU geben, der für die nächsten Jahre knapp 1,1 Billionen Euro betragen soll?

Unklar ist auch, wie eine Überprüfung der Rechtstaatlichkeit in den EU-Staaten mit dem Haushalt gekoppelt werden kann. Polen und Ungarn lehnen die Formel “Geld gegen Rechtsstaatlichkeit” als notorische Sünder in diesem Bereich ab. Der ungarische Premier Victor Orban, der vom Gipfel-Chef Charles Michel im Einzelgespräch auf der luftigen Dachterrasse des Ratsgebäudes bekniet wurde, droht sogar mit einem Veto.

Hoffen und Bangen: Gipfel-Vorsitzender Charles Michel will einen neuen Vorschlag machen

Der Sonntag, der dritte Gipfeltag, soll mit einem frisch überarbeiteten Vorschlag jetzt die Lösung bringen. Gelingt ein Kompromiss muss dieser noch vom Europäischen Parlament gebilligt werden. Wegen der erstmals vorgesehenen gemeinsamen Schuldenaufnahme der EU müssen diesmal auch alle 27 Mitgliedsstaaten die Beschlüsse ratifizieren. Da sind die nationalen Parlamente gefragt. Überraschungen sind nicht ausgeschlossen.

Nicht die letzte Etappe

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen drückt aufs Tempo. Sie will den Haushalt unbedingt im Juli unter Dach und Fach bringen, damit das Geld Anfang nächsten Jahres auch wirklich fließen kann. Sie sagte zu Beginn des Gipfels, die Risiken, aber auch die Chancen, seien nie größer gewesen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mahnte, es gehe nicht nur um Geld, sondern um die “Stunde der Wahrheit”, die Zukunft Europas.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, die als dienstälteste Regierungschefin in der Brüsseler Runde bereits an ihrer dritten Marathon-Sitzung für ein Sieben-Jahresbudget teilnimmt, war nicht sonderlich optimistisch. “Wir müssen hart arbeiten”, gab sie ihren Kolleginnen und Kollegen mit auf den Weg. Aus der deutschen Delegation hieß es am Abend, es gebe eine breite Bereitschaft unter den Mitgliedsstaaten, eine Lösung zu finden. “Es kann noch nicht gesagt werden, ob es morgen (Sonntag) eine Lösung gibt”, sagte ein deutscher EU-Diplomat. 

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Italien benötigt Hilfen aus Brüssel

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Und wenn es an diesem Sonntag nicht funktioniert, dann vielleicht Montag? Eine weitere Verlängerung sei schwierig, mutmaßt ein EU-Diplomat, denn der große Sitzungssaal S2 im Europagebäude, in dem der Gipfel tagt, ist am Montag bereits vergeben. Dann wollen  dort die 27 Landwirtschaftsminister der EU beraten – über Geld für den Agarsektor und anstehende Reformen.