Ghana galt lange als afrikanisches Vorzeigeland. Doch die positive Entwicklung ist ins Stocken geraten. Eine aktuelle Studie der Mo-Ibrahim-Stiftung zeigt sogar einen Verfall in zunehmendem Tempo.
Wo noch vor wenigen Jahren die Minibusse stundenlang im Stau standen, brausen sie heute über Brücken. Der Kwame Nkrumah Circle, ein Kreisverkehr inmitten von Accra, galt als blecherne Verkörperung des Infrastruktur-Defizits in Ghana. Doch seit Ende 2016 fließt der Verkehr auf drei Ebenen über das ehemalige Nadelöhr. Kurz vor der Präsidentschaftswahl eröffnete der damalige Präsident John Mahama die, wie er sagte, “längste, höchste Straßenbrücke über Westafrika” – sein Vorzeigeprojekt. Daneben wurde ein bunt beleuchteter Springbrunnen errichtet. Halb im Spott, halb ehrfürchtig nennen die Bewohner von Accra die Kreuzung seitdem “Dubai”, wie die glitzernde Hauptstadt des gleichnamigen Emirats.
Das Bauwerk entspannte die Verkehrssituation in der Hauptstadt erheblich, doch seinen Auftraggeber John Mahama rettete es nicht. Der Bau einer Kreuzung sei keine ausreichende Leistung für acht Jahre Regierungsarbeit, wetterte der oppositionelle Vize-Kandidat Muhamadu Bawumia. Im Dezember gewann Herausforderer Nana Akufo-Addo die Präsidentschaftswahl bereits im ersten Wahlgang deutlich. Die neue Brücken-Kreuzung, weiterhin benannt nach dem Staatsgründer Kwame Nkrumah, steht symbolisch für die Entwicklung in Ghana: es geht zwar vorwärts, aber nur punktuell und langsam.
Ein Standard für Regierungsarbeit
Schlimmer noch: das westafrikanische Land wird immer schlechter regiert. Das besagt zumindest der Ibrahim-Index für Afrikanische Regierungsführung, der am Montag (20.11.) von der Mo-Ibrahim-Stiftung herausgegeben wurde. Zwar steht Ghana unter den afrikanischen Ländern noch immer auf Platz 8 von 54, doch die Studie zeigt einen zunehmenden Verfall. Der Gesamtwert, der auf einer Skala von 0 bis 100 die Qualität der Regierungsführung ausdrückt, fiel von 2007 bis 2016 um 1,5 auf 65,0 Punkte. In den vergangenen fünf Jahren lag der Verfall sogar bei durchschnittlich 0,7 Punkten pro Jahr.
Der Index wird aus 100 Einzelindikatoren gebildet, die aus 36 verschiedenen Quellen stammen und bis ins Jahr 2000 zurückreichen. Am besten schneiden im aktuellen Index Mauritius, die Seychellen und Botswana ab. Schlusslichter sind Eritrea, Südsudan und Somalia. Aus dem Index soll ersichtlich werden, welche Auswirkungen das Regierungshandeln auf die Menschen hat, sagt die Geschäftsführerin der Mo-Ibrahim-Stiftung, Nathalie Delapalme, der DW: “Es geht nicht nur um Wahlen, Menschenrechte, politisches Engagement und Gesetze. Es geht darum, wie die Menschen die Leistungen wahrnehmen, die jede Regierung im 21. Jahrhundert ihren Bürgern gegenüber erbringen sollte.” Dazu gehören persönliche Sicherheit sowie funktionierende Gesundheits-, und Bildungssysteme. In all diesen Bereichen zeigt der Index für Ghana Rückschritte.
Trotz der neuen Kwame-Nkrumah-Kreuzung wird auch die Infrastruktur schlechter bewertet als vor zehn Jahren. Abgesehen von Hauptstraßen und Prestige-Projekten leidet Ghana unter Verkehrswegen, auf denen die Schlaglöcher teilweise eine größere Fläche belegen als der verbliebene Teer. Vor allem Städter klagten in den vergangenen Jahren immer wieder über Stromausfälle, weil die Versorgung wegen zu geringer Kraftwerkskapazitäten für bis zu 24 Stunden am Stück abgeschaltet wurde. “Dumsor”, das in Akan-Sprachen so viel bedeutet wie “an-aus”, wurde zum Modewort. Auch die Wasserversorgung in Teilen der Hauptstadt fällt immer wieder wochenlang aus.
Umfassender Fortschritt gefordert
Acht der vergangenen zehn Jahre wurde Ghana vom inzwischen abgelösten National Democratic Congress (NDC) regiert. Die Partei John Mahamas wird traditionell vor allem in den ländlichen Gebieten im Osten und Norden des Landes gewählt. Die ländliche Entwicklung hat für sie einen hohen Stellenwert.
Tatsächlich zeigt der Index für Ghanas ländlichen Sektor die größten Fortschritte, zum Beispiel hinsichtlich des Zugangs zu Land und Wasser oder der Unterstützungsleistungen für die Landwirtschaft. Eine gute Regierung müsse jedoch alle Bereiche abdecken, sagt Nathalie Delapalme. “Es ist nicht nachhaltig, Fortschritte in nur einer Dimension der Regierungsarbeit zu erzielen, selbst wenn sie groß sind.”
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Strahlende Zukunft mit Atomstrom in Ghana
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Inzwischen hat die National Patriotic Party (NPP) von Präsident Nana Akufo-Addo in Ghana das Ruder übernommen. Im Wahlkampf versprach sie unter anderem kostenlose Sekundarbildung nach der Grundschule.
“Ein großes Stück der Probleme war hausgemacht”, sagt der stellvertretende Informationsminister Kojo Nkrumah im DW-Interview über die Lage Ghanas. “Es fehlte an Disziplin bei den Steuern und bei nicht budgetierten Ausgaben, die unseren Schuldenstand erhöht haben.”
“Ghanas Schuldenstand ist stark angestiegen”, sagt der britisch-sudanesische Milliardär Mo Ibrahim, der die nach ihm benannte Stiftung ins Leben gerufen hat. Dies habe mit der Entdeckung von Gasvorkommen vor der Küste zu tun. Noch vor ihrer Erschließung hatte die Regierung die Einnahmen, die sie damit generieren wollte, verplant. “Manchmal kann die Entdeckung von Rohstoffen ein Problem schaffen, denn die Menschen tendieren dazu, Geld auszugeben, bevor sie es überhaupt haben.”
Akufo-Addo versucht die Trendwende
In ihrem ersten Jahr habe sich die neue Regierung vorrangig um die Stärkung der wirtschaftlichen Stabilität und um Zahlungsausstände gekümmert, sagt Nkrumah. Außerdem habe man sich vorgenommen, das Wirtschaftswachstum von 3,6 Prozent im Vorjahr auf 6,3 Prozent zu erhöhen.
Inwieweit sich die Bemühungen der Regierung in messbaren Erfolgen niederschlagen, wird sich frühestens im Ibrahim-Index 2018 zeigen. Der NPP-Regierung bleiben noch drei Jahre für die Trendwende. Sollte sie misslingen, droht Nana Akufo-Addo das gleiche Schicksal wie John Mahama: die Abwahl nach nur einer Amtszeit.
Nicht zu Unrecht steht Ghana, das bereits vier friedliche Machtwechsel in Folge erlebt hat, im Ibrahim-Index für Afrikanische Regierungsführung noch immer auf Platz 8 von 54. “Ghana ist nach wie vor eine der bedeutendsten Demokratien in Afrika”, sagt Mo Ibrahim. “Die demokratischen Machtwechsel, die wir erlebt haben, waren wirklich bemerkenswert und darauf sind wir sehr stolz.”
Mitarbeit: Chrispin Mwakideu