Natrium statt Lithium: Die Akkus der Zukunft

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Durchbruch in Sicht: Leistungsfähige Prototypen und bahnbrechende Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung zeigen, dass Natrium-Ionen-Akkus bald ein günstigere und ressourcensparende Alternative sein könnten.

Elektromobilität insbesondere in Verbindung mit regenerativ erzeugtem Strom gilt weltweit als klimafreundliches Zukunftsmodell. Allerdings hat die jahrelange Fokussierung auf das seltene und entsprechend teure Lithium in Akkus eine großflächige Elektrifizierung der weltweiten Mobilität gebremst.

Zwar sind elektrische Autos, Nutzfahrzeuge oder E-Bikes auf dem Vormarsch, aber begrenzte Reichweiten, hohe Preise, eine umständliche Ladeinfrastruktur und eine rohstoffintensive Akkuproduktion verzögern eine schnelle E-Mobilitätswende.

Für einen flächendeckenden Einsatz müssen die Akkus noch leistungsfähiger, langlebiger, nachhaltiger und kostengünstiger werden.

Natrium statt Lithium

Die Lösung könnten Natrium-Ionen-Akkus sein, bei deren Entwicklung in jüngster Zeit erstaunliche Fortschritte gemacht wurden. Schon in absehbarer Zeit könnten sie die bisherigen Lithium-Ionen-Akkus in Elektrofahrzeugen, aber auch in Smartphones oder Laptops ablösen.

Weißes Gold: Das seltene und entsprechend teure Lithium ist leichter und hat eine höhere Energiedichte als Natrium.

Die beiden Alkalimetalle Lithium und Natrium sind sich chemisch gesehen sehr ähnlich. Zwar verfügt Natrium nicht über die Energiedichte des vergleichsweise seltenen Lithiums, aber dafür ist Natrium überall und entsprechend kostengünstig verfügbar. 

Durchbruch in Sicht

Aktuell allerdings hinkt die Leistungsfähigkeit der Natrium-Ionen-Akkus den der Lithium-Ionen-Akkus noch etwa 20 Jahre hinterher. Jahrzehntelang hatte sich die Forschung allein auf das leistungsfähigere Lithium konzentriert.

Inzwischen aber existieren nicht nur wegweisende wissenschaftliche Veröffentlichungen, sondern auch sehr vielversprechende Prototypen: Ein südkoreanischer Natrium-Ionen-Akku schaffte laut einer Veröffentlichung vom Mai 2020 etwa 500 vollständige Ladezyklen, bevor seine Kapazität auf 80 Prozent sank. Ein chemisch etwas anders aufgebauter Akku einer US-chinesischen Forschungsgruppe schaffte bei ähnlicher Ladekapazität 450 Ladezyklen. Und ein chinesischer Natrium-Ionen-Akku hatte zwar eine etwas geringerer Kapazität, behielt aber nach 1.200 Zyklen mit 12 Minuten Schnellladung noch 70 Prozent der Kapazität.

Das klingt alles vielleicht nicht viel, aber in der Praxis würden diese Akkus wahrscheinlich viel mehr Ladezyklen überleben, denn im Alltag werden Akkus meistens nur zum Teil be- und entladen. Das vollständige Be- und Entladen eines Akkus im Experiment setzt der Batterie dagegen viel stärker zu.

Selten und entsprechend teuer: Noch basieren Akkus in der Regel auf der Lithium-Ionen-Technik.

Außerdem verbraucht die Natrium-Ionen-Technologie keine knappen Ressourcen: Die Produktion der Kathoden benötigt keine seltenen Lithiumsalze, stattdessen genügt einfaches Speisesalz. Leistungsfähige Anoden können aus Braunkohle, Holz und anderer Biomasse hergestellt werden. Kobalt oder ähnlich seltene Ressourcen werden ebenfalls nicht benötigt.

Bahnbrechende Grundlagenforschung?

Natrium hat zwei Nachteile: Es ist dreimal so schwer wie Lithium und entsprechend sind auch die Natrium-Ionen-Akkus schwerer, auch wenn das Lithium weniger als 5% des Gesamtgewichts einer Akkus ausmacht.

Außerdem sind Natrium-Akkus leistungsschwächer, weil sie aufgrund einer 0,3 Volt niedrigere Zellspannung zwangsläufig rund 10 Prozent Energiedichte verlieren. Vor allem nimmt die Graphit-Anode des Akkus bisher zu wenig Natrium auf.

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Forschen unter Strom

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Forschen unter Strom

Abhilfe könnte nanoskaliger Kohlenstoff schaffen. Das zeigt die Studie einer deutsch-russischen Arbeitsgruppe unter Federführung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR). Danach könnten Doppelschichten aus Graphen, also aus hauchdünnem Kohlenstoff, deutlich mehr Natriumatome in der Anode einlagern als im bisher verwendeten Graphit.

Würde man also statt den heute üblichen Graphit-Anoden künftig Graphen-Elektroden in Lithium-Akkus einbauen, ließen sich womöglich deutlich höhere Speicherkapazitäten erreichen.

“Es ist so, als würde man kleine Bälle zwischen zwei Blatt Papier legen”, erläutert HZDR-Physiker Dr. Arkady Krasheninnikov. “Stopft man immer mehr Bälle hinein, werden die Papierblätter auseinandergedrückt und lassen mehr Platz zwischen sich.”

Neuer Schwung auch für den Natrium-Ionen-Akku?

Wenn die Mehrfach-Einlagerung bei Lithium funktioniert – könnte es dann auch bei anderen Alkalimetallen wie Natrium klappen? Diese Frage wollte die Arbeitsgruppe aus Dresden, Stuttgart und Moskau mittels aufwändigen Supercomputer-Simulationen klären. Denn bislang funktionieren die Prototypen der Natrium-Ionen-Akkus nicht so gut, weil sich Natrium nur widerwillig in die Graphitanoden begibt. 

Mehrfach-Einlagerungen von Natrium zwischen zwei Graphenschichten sind möglich

Und tatsächlich: Die Berechnungen im Computer zeigten, dass sich Natrium wie Lithium nicht nur als eine Schicht, sondern in mehreren Lagen übereinander zwischen den Graphen-Blättchen einlagern kann.

Würde man also statt den heute üblichen Graphit-Anoden künftig Graphen-Elektroden in Natrium-Ionen-Akkus einbauen, ließe sich womöglich ebenfalls eine deutlich höhere Speicherkapazität erzielen.

Für die Entwicklung zukünftiger Anoden für preisgünstige Natrium-Akkus könnten diese Ergebnisse den Durchbruch bringen. “Unsere Arbeit ist rein theoretischer Natur, und wir erheben nicht den Anspruch, dass auf der Grundlage unserer Ergebnisse in absehbarer Zeit eine neue Batterie-Generation entwickelt wird”, betont Krasheninnikov. “Aber vielleicht bringen unsere Resultate die Ingenieure ja auf neue, interessante Ideen.”

Akkus der Zukunft

Erfreulicherweise sind Natrium-Ionen-Akkus also mittlerweile längst nicht mehr nur ein theoretisches Konzept. Der Durchbruch zur praxistauglichen Technologie scheint unmittelbar bevorzustehen.

Die jüngsten Forschungsergebnisse zeigen, dass es bereits greifbare, bezahlbare und ressourcensparende Alternativen zu den teuren Lithium-Ionen-Akkus gibt und dass sich die Leistungsfähigkeit möglicherweise durch Mehrfach-Einlagerungen noch deutlich erhöhen lässt. 

Sicherlich wird es noch einige Zeit dauern, bis Natrium-Ionen-Akkus technisch ausgereift sind, in großen Mengen hergestellt und in Elektrofahrzeugen oder Handys verbaut werden können. Aber dann dürfte eine Umstellung der Produktion von Lithium- auf Natrium-Ionen-Akkus aufgrund der vergleichsweise ähnlichen Technologie weitgehend unproblematisch sein. 

Mehr dazu: Vergesst Akkus! Die Zukunft gehört den Superkondensatoren


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