“Baking Bread” – Europa und der Sauerteig

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DW-Korrespondent Georg Matthes hat sich durch Europa geknetet: Sein frisch gebackenes Buch präsentiert Brotrezepte aus 28 Mitgliedsstaaten und Amüsantes über ihre politische Kultur.

Georg Matthes hat einen neuen Pflegling. Er zeigt hinaus auf seine Terrasse und eine unscheinbare Gefrierdose, die draußen dem Winterwetter trotzt. “Da drin ist der Sauerteig von Margrethe Vestager”, erklärt er. Den hat er der dänischen EU-Kommissarin mitsamt ihres persönlichen Rezeptes für Original-Roggenbrot aus Dänemark entlockt.

Jetzt füttert er den gut gekühlten Sauerteig regelmäßig mit Mehl und Wasser, um ihn am Leben zu halten. Und im Kühlschrank drinnen wartet noch der Dinkel-Sauerteig des belgischen Nachbarn. Zwei intensive Jahre liegen hinter Matthes, in denen er für seine DW-Reihe „Baking Bread” jede Woche am heimischen Backofen stand. Ziel waren 28 verschiedene Brote, vom italienischen Focaccia bis zum niederländischen Tigerbrot, alles traditionelle Rezepte aus den EU-Ländern. “Ich habe dabei quasi das Bäckerhandwerk erlernt”, sagt Matthes, der allerdings schon früher eine Leidenschaft fürs Backen hatte.

Zwischen Georg Matthes und dem Belgier Jean-Francois Delogne entwickelte sich eine intensive Back-Nachbarschaft

Brote und politische Kultur

Alle Rezepte hat er so lange ausprobiert, bis sie wirklich perfekt funktionierten: “Mein Ziel war, dass jeder diese Brote zu Hause nachbacken kann.” Die Ergebnisse hat Matthes in einem Buch gesammelt, das zusätzlich der Frage nachgeht, was die Brote über die politische Kultur ihrer Herkunftsländer erzählen.

Da fand sich nebenbei allerhand Anlass zur Ironie, weil die Alltagspolitik in vielen Ländern durchaus zum Spott herausfordert, während die traditionelle Backkunst eine ernste Sache ist. Deshalb kam Georg Matthes auch beim britischen Kastenweißbrot um den Brexit nicht herum: Vom belegten Sandwich, wie es die Briten gerne essen, würden ohne europäische Importe – darunter Tomaten, Salat und Schinken – nur zwei trockene Scheiben Weißbrot bleiben.

Aus dem Blick des Brot-Europameisters

Es ist übrigens kein Zufall, dass sich gerade ein Deutscher auf die Suche nach den besten europäischen Brotlaiben machte. Die Statistik zeigt, dass Deutschland am meisten Brot in andere EU-Länder exportiert, darin also Europameister ist. In “Baking Bread” dagegen kommt das klassische deutsche Weizenmischbrot nur als eines unter vielen vor.

Es gehe bei dem Projekt nicht um Konkurrenz, sondern die europäische Vielfalt, sagte DW-Intendant Peter Limbourg bei der Buchvorstellung in Brüssel. “Dieses Buch ist von ganzem Herzen europäisch. Probieren Sie es aus, es wirkt wie ein Zauber”, sagte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager (Foto oben). Wer gemeinsam backe, komme miteinander ins Gespräch. “Sie tauschen sich aus und Sie hören zu. Darum geht es in Europa.”

Das Schwergewicht unter den europäischen Broten ist das deutsche Weizenmischbrot im Zwei-Kilo-Format

Zwischen YouTube und Garage

Außerdem ist das Backen mit Tradition und Erinnerung verbunden, mit Familie und Nachbarschaft. An das tschechische Hörnchen beispielsweise erinnert sich Georg Matthes noch aus seiner Kindheit in Oberfranken. Wie das zyprische Fingerbrot gemacht wird, lernte er dagegen von örtlichen Großmüttern aus einem YouTube-Video. Und das belgische Dinkelbrot knetete er zusammen mit einem benachbarten Hobbybäcker in dessen Garage.

Das Ganze gibt es übrigens nicht nur als Buch, sondern auch multimedial: Kurze Backtutorials zu jedem Rezept sind auf den DW-Onlineseiten und auf YouTube abrufbar. Für den beinahe zum Vollzeit-Bäcker mutierten Korrespondenten hieß das: Backen, was das Ofenrohr hergab. Insgesamt knetete er in über einem Jahr rund 300 Brote, die seinen heimischen Backofen durchliefen.

Herausforderung Kaiserbrötchen

Das brachte manchmal auch Probleme mit sich, denn nicht alle Rezepte sind gleich einfach nachzubacken: “Die österreichischen Kaiserbrötchen, die haben mich echt Nerven gekostet”, sagt Matthes. Am Ende tröstete er sich mit der Erklärung eines Profis: man habe erst nach tausend Versuchen heraus, wie der Brötchenteig zu einer perfekten Semmel geformt werde. Drei dieser Falt- und Stanztechniken beschreibt Matthes auch in seinem Buch. “Das nächste Mal würde ich erst eine Woche bei einem Bäcker in die Lehre gehen. Das hätte mir viel Zeit erspart.”

Kleine Ungenauigkeiten können beim Backen schnell große Folgen haben, hat Georg Matthes gelernt. Im Gegensatz zum Kochen könne man den Teig nicht mit einem Extra-Schuss Sahne retten. Deswegen heißt sein Rat: “Man halte lieber an den Regeln fest.” Und das gilt sowohl beim Brot wie in der europäischen Politik.