Wer erbt Omas Bitcoins?

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Knapp 80 Prozent der Deutschen haben sich noch nicht um ihren digitalen Nachlass gekümmert. Das kann die Hinterbliebenen in die Bredouille bringen. E-Mails, E-Books, Dating-Profile: Was kann ich vererben, was nicht?

Wer diese Welt verlässt, kann nichts mitnehmen. Nicht das Haus, nicht das Auto, nicht mal ein Stück Streuselkuchen von der eigenen Beerdigungsfeier. Alle irdischen Güter, die sich zwischen Geburt und Tod so ansammeln, gehen an die Erben.

Im besten Fall ist alles vorab geregelt: Der Enkel darf sich über die komplette DVD-Kollektion der Lindenstraße freuen. Die Schwiegertochter bekommt die Kakteen-Sammlung. Doch nicht jeder Nachlass lässt sich in Kisten verpacken. Was passiert zum Beispiel mit Bitcoin-Vermögen? Oder mit Familienfotos in der Cloud?

Nur 15 Prozent haben ihr digitales Erbe geregelt

Persönliche Daten, Fotos, Erinnerungen wabern nach unserem Ableben durchs Netz. Denn auch post mortem gilt: Das Internet vergisst nicht – zumindest, wenn man sich nicht selbst drum kümmert. Der digitale Nachlass fängt beim E-Mail-Konto an, geht übers Netflix-Abonnement und endet beim Bitcoin-Guthaben.

Bislang haben nur 15 Prozent der Deutschen ihren digitalen Nachlass ganz oder zumindest teilweise geregelt. Das hat eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov ergeben. Gut ein Viertel der Befragten beklagen mangelnde Information. Sieben Prozent ist das Thema schlicht unangenehm.

Grabpflege fürs Facebook-Konto

Doch wer es seinen Lieben leicht machen will, kümmert sich beizeiten um sein digitales Erbe. Manche Angelegenheiten lassen sich schon mit wenigen Klicks regeln. Bei Facebook können Nutzer zum Beispiel einen Nachlasskontakt angeben.

Der kann dann auf dem Profil des Verstorbenen Infos zu dessen Gedenkfeier teilen oder den Account entfernen lassen. Was der Nachlasskontakt nicht kann: Die Chatverläufe des Toten lesen oder Privat-Nachrichten in dessen Namen schreiben.

Auch für den Google-Account können Nutzer einen oder mehrere Erben einsetzen. Die Option findet sich etwas versteckt unter dem schmucken Schlagwort Kontoinaktivitäts-Manager. Das klingt weniger düster als der letzte Wille, funktioniert aber ähnlich. Der Nutzer kann Personen benennen, die sich im Sterbefall um das Konto kümmern sollen. Oder der Verbraucher bestimmt direkt, dass sein Konto im Falle ewiger Inaktivität (gleich Tod) gelöscht werden soll.

Obwohl vieles rasch geklärt werden kann, haben nur 56 Prozent der Deutschen vor, zu Lebzeiten ihren digitalen Nachlass zu regeln. “Dabei ist Vorsorge eben nicht nur bei materiellen Gegenständen wichtig, sondern auch bei immateriellen Sachen wie personenbezogenen Daten”, sagt Marcel Kubis. Er und sein Kollege Tim Sperlich sind wissenschaftliche Mitarbeiter an der Uni Bremen. Die beiden gehören zu einem Forscherteam, das sich mit dem digitalen Erbe beschäftigt.

Geleitet wird das Projekt vom Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie. Mit dabei ist auch die Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Regensburg. Träger ist das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz. 

Das Ziel der Forschung: “Benachteiligungen von Verbraucherinnen und Verbrauchern aufdecken und Empfehlungen erarbeiten, wie die Vererbbarkeit von Daten unkompliziert ausgestaltet werden kann“, erklärt Professor Benedikt Buchner vom Institut für Informations-, Gesundheits- und Medizinrecht der Uni Bremen. Dazu soll in den nächsten Monaten eine Info-Broschüre veröffentlicht werden.

Vertrauensperson kann Nachlass regeln

Eine einfache Möglichkeit, sein digitales Erbe selbst zu regeln, funktioniert so: Zuerst legt der Verbraucher eine Liste mit allen aktiven Accounts samt Passwörter an. Hinweis: Die Passwörter bitte nicht an die Küchen-Pinnwand hängen, sondern am besten beim Notar oder im Bankschließfach lagern. Dann wird festgelegt, was nach dem Tod mit den Accounts passieren soll. Dürfen die Erben an die online gespeicherten Fotos? Sollen Instagram-, Facebook- und Tinder-Profil gelöscht werden?

Wenn das geklärt ist, muss noch eine Vollmacht, die über den Tod hinaus gilt, für eine Vertrauensperson ausgestellt werden. Die bekommt nach dem Tod die Liste mit den Accounts und Passwörtern und kann schnell und unkompliziert den Willen des Verstorbenen umsetzen. Eine Vorlage für so eine Vollmacht findet sich zum Beispiel auf der Internetseite der Verbraucherzentrale. Einfach ausfüllen, unterschreiben und entspannt weiterleben.

Vorsicht: Verträge laufen weiter

Wer nichts Gegenteiliges bestimmt, macht automatisch seine Erben für den digitalen Nachlass verantwortlich. Die dürfen sich dann zum Beispiel Zugriff zum vererbten PC verschaffen. Im Zweifelsfall ist sogar Hacken erlaubt, wenn das nötige Passwort fehlt. Außerdem haben Erben das Recht auf Daten und Bilder, die auf Cloud-Anbietern wie Dropbox gespeichert sind. Sie können sogar die Einsicht in Mail-Konten beantragen – auch ohne Passwort.

Wichtig: Das Erbrecht gilt auch für online abgeschlossene Verträge. Selbst wenn der Erbe nichts vom Netflix-Abo oder Tinder-Profil wusste, tritt er die Rechtsnachfolge an – und muss damit auch anfallende Gebühren zahlen. “Deshalb ist es für die Erben wichtig, sich schnell einen Überblick zu verschaffen, welche Verträge der Verstorbene laufen hatte”, sagt Tim Sperlich.

Kann ich meine E-Books vererben?

Die Nutzungsrechte für E-Books laufen meist auch über Verträge. Und die werden erstmal vererbt. Das Problem: Einige Anbieter schließen eine Vererbbarkeit ihrer Produkte in den allgemeinen Geschäftsbedingungen aus. “Die Frage, ob man so einen Ausschluss rechtswirksam vornehmen kann, ist letztlich Sache des Einzelfalls”, so Tim Sperlich. Die Erben müssten also im Extremfall vor Gericht ziehen, um an die E-Book-Bibliothek zu kommen.

Gibt es keine Klausel in den Geschäftsbedingungen, gilt das Erbrecht. “Und dann kann man die digitalen Werte wie E-Books, Filme oder Musik auch nutzen”, sagt Kubis. 

Die Krux mit dem Krypto-Konto

In Sachen Kryptowährung gilt ebenfalls: Wer erbt, erbt alles. Problematisch wird es nur, wenn der Verstorbene seine Zugangsdaten – wie den sogenannten Private Key – nicht hinterlegt und sich auch nicht um andere Wiederherstellungsfunktionen gekümmert hat. Dann kommen die Erben nicht ans digitale Vermögen. Es fehlt sozusagen der Schlüssel zum Bankschließfach. Einen Vertragspartner, der – wie bei einer Bank – die Zugangsdaten wiederherstellen könnte, gibt es in der Welt von Bitcoin und Ripple nicht. Das ist bitter für die Erben. Dazu Marcel Kubis: “Wenn der Private Key verloren geht, steht der Erbe mit nichts da. Das ist einfach so.”

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