Kritik an “Buddy”-Programm an chinesischer Uni

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Ausländischen Studenten will eine chinesische Universität durch eine Patenschaft mit Einheimischen Studium und Leben leichter machen, erntete aber heftige Kritik. Der Grund: Verkuppelungsverdacht.

China steht nach offiziellen Zahlen des chinesischen Bildungsministeriums als Ziel für ein Auslandsstudium hoch im Kurs: 500.000 junge Leute “aus 205 Ländern” studieren demnach zurzeit in China, darunter über 8000 Deutsche.

Um den Einstieg ins Studentenleben in der Sieben-Millionen-Stadt Jinan zu erleichtern, rief im Jahr 2014 das akademische Auslandsamt der dortigen Universität, die nach der Provinz Shandong benannt ist, ein Patenprogramm ins Leben. Einheimische Studenten sollen Kommilitonen aus dem Ausland helfen, sich auf dem Campus und in der Stadt zurechtzufinden. Die Teilnahme ist freiwillig. Und das Programm funktionierte, bis jetzt.

(Archiv) Ca. eine halbe Million Ausländer studieren in China

“Amtliche Kuppelei”

Das Anmeldeformular für das Patenprogramm, das seit Kurzem im Internet kursiert, löst allerdings unerwartet eine heftige Diskussion aus, denn die Interessenten werden nach ihrer Motivationen gefragt. Man kann anklicken: “Perfektionierung der Fremdsprachenkenntnisse”, “Informationen über Land und Leute”, “Erweiterung des Freundeskreises” und “Ich will ausländische Freunde gewinnen”. Bei der letzten Option dürfen sich die Paten, “Buddy” genannt, auch das Geschlecht des ausländischen Studenten aussuchen.

“Verkuppelungsshow auf dem Campus!”, sagen Kritiker, chinesische Studentinnen würden mit offizieller Unterstützung ausländische Ehepartner suchen. “Amtlich geförderte Zuhälterei” lautet ein erboster Vorwurf.

Der Sittenverfall hat aber keine größeren Kreise erfasst. Laut einer Erhebung der Universität vom November 2018 waren zwei Drittel der 47 internationalen Teilnehmer des Patenschaftsprogramms männlich, zwei Drittel der 141 Teilnehmer auf chinesischer Seite weiblichen Geschlechts. Auf jeden ausländischen Studenten kämen so drei chinesische Studentinnen als “Buddies”. Bei 43.000 eingeschriebenen Studenten kann man nicht von übermäßigem Interesse an dem Programm sprechen.

Abschlussfeier an der Universität Wuhan 2019

Kritik an “Privilegien” für ausländische Studenten

Dennoch sah sich die Universitätsleitung zur Gegendarstellung veranlasst. Die Universität strebe einen hohen Grad an Internationalisierung an, so das akademische Auslandsamt. Das Programm finde bei ausländischen Studierenden “großen Zuspruch”. Der akademische und gesellige Austausch stehe im Mittelpunkt, nicht das Privatleben.

Als sich aber die Diskussion weiter hochschaukelte, entschuldigte sich die Leitung der Universität am vergangenen Wochenende im Messengerdienst Weibo “für die gesellschaftliche Debatte, die über die unangemessenen Formulierungen im Anmeldeformular entstanden ist.”

Die Universität Shandong steht nicht nur wegen des angeblichen “Verkuppelungsprogramms” in der Kritik. Staatliche Hauptmedien wie Xinhua und Volkszeitung kritisierten vor kurzem, dass “die Internationalisierung von der Universität Shandong übertrieben” werde, indem ausländische Studenten “übermäßig privilegiert” würden.

Die Shandong-Universität mit 43.000 Studenten gehört zu den chinesischen Eliteuniversitäten dem Etikett “Double Excellence”: Exzellenz sowohl als gesamte Uni als auch bei einzelnen Fachrichtungen. China will mit dieser Strategie auch den internationalen Austausch fördern. Inzwischen erhält jeder neunte Studierende in China aus dem Ausland ein staatliches Voll- oder Teilstipendium.

Einflussnahme auf künftige Entscheidungsträger

China bastele an seinem globalen Image, indem es die künftigen Meinungsführer während des Studiums in China zu beeinflussen versucht, schreibt der Pekinger Politologe Bai Xin in einem DW-Gastbeitrag: “Ausländische Studenten werden in China intensiv betreut, bevor sie später Führungspositionen in ihrer Heimat übernehmen.”

Besonders gefördert würden Studierende aus den Anrainerstaaten der Seidenstraßeninitiative, ein von China geführtes milliardenschweres internationales Infrastrukturprojekt, das bis nach Deutschland führt. Für die Zukunft brauche Peking chinafreundliche Entscheidungsträger, so Bai weiter.

Das schlägt sich auch im realen Hochschulbetrieb nieder, bestätigt  Shen Ling, Juniorprofessor an der Ostchinesischen Universität für Wissenschaft und Technologie in Shanghai. Shen, der in Deutschland promoviert wurde, sagt im DW-Interview: “Das Prüfungsamt hat mich mehrfach gebeten, ausländische Studenten besser zu benoten, damit sie die Klausuren bestehen.”

Was das Patenprogramm der Universität Shandong betrifft, so soll es evaluiert werden, bevor es zu einer neuen Auflage kommt. Auf die Frage nach der Motivation wird dann vermutlich verzichtet.