NATO: Aufbruch ins All?

0
208

70 Jahre lang war das Militärbündnis vor allem auf die Gefahren herkömmlicher Kriegführung ausgerichtet. Doch die Konflikte der Zukunft finden auf anderen Gebieten statt: im Cyberspace etwa – oder auch im Weltraum.

Zu Land, zu Wasser und in der Luft – die NATO geht davon aus, dass die Absicherung dieser konventionellen Verteidigungsräume schon bald nicht mehr ausreichen dürfte – deshalb will die Allianz auf dem Treffen ihrer Verteidigungsminister nun erstmals seit ihrer Gründung auch über eine Weltraum-Strategie beraten. “Nein”, unterstreicht Generalsekretär Jens Stoltenberg, die NATO habe “keinesfalls vor, das Weltall zu militarisieren.” Es gehe vielmehr darum, so heißt es aus dem NATO-Hauptquartier, sich ein “Lagebild” zu verschaffen.

Konflikte, dies habe man bereits im Bereich des Cyberterrorismus gesehen, würden längst auch auf neuen Ebenen ausgetragen –  nun, so die Vermutung, demnächst auch im All. Eine potentielle Gefahr sieht das Militärbündnis etwa durch die Stationierung von Waffen in der Erdumlaufbahn oder durch gezielte Angriffe auf Satelliten. Satellitenkommunikation spiele, so Diplomaten, nicht nur für das Militär, sondern auch für das zivile Leben eine immens wichtige Rolle. Auch sorgt sich die Allianz, sie könne ihren technologischen Vorsprung, etwa vor China oder Russland, verlieren.

Satelliten hat die NATO als im Konfliktfall besonders sensible Ziele ausgemacht

NATO als Koordinator

Hier will die NATO nicht unvorbereitet bleiben. Gleichzeitig betonte Generalsekretär Stoltenberg, es gehe in einem ersten Schritt lediglich darum, sich auszutauschen, wer innerhalb der Allianz welche Kapazitäten und Fähigkeiten in diesem Bereich besitze. Die NATO selbst sehe sich lediglich als Koordinator. Eigene Weltraum-Kapazitäten strebe das Bündnis nicht an.

Neben den Vereinigten Staaten von Amerika unternehmen insbesondere die Volksrepublik China, Japan, Russland und jüngst auch Indien erhebliche Anstrengungen zum Ausbau ihrer Fähigkeit, Satelliten gezielt zu zerstören. Technologien, Satelliten effektiv vor Angriffen zu schützen, sind hingegen bislang noch unbekannt.

Auch deshalb will die NATO auf ihrem turnusmäßigen Treffen eine umfassende Debatte über neue Technologien anstoßen. Aus dem NATO-Hauptquartier in Brüssel heißt es dazu, wichtig sei, dass der Mensch die Technik beherrsche und nicht die Technik den Menschen. Das jetzige, reguläre Juni-Treffen dient zum offenen Austausch. Entscheidungen zur Weltraum-Strategie werden frühestens im Dezember erwartet. Dann treffen sich die Staats –und Regierungschefs des Militärbündnisses in London.

Russland als Provokateur

Ganz konkrete Sorgen hat das Bündnis nach wie vor mit Russland. Die NATO bereitet sich auf ein endgültiges Aus des INF-Vertrages über das Verbot landgestützter atomarer Mittelstreckenraketen vor. “Die Wahrscheinlichkeit, dass Russland die Vorgaben wieder erfüllt, sinken täglich” so Stoltenberg zu Beginn des Treffens. Wie also soll das Bündnis mit der Bedrohung aus Russland umgehen? “Das russische Mittelstreckensystem SSC-8 ist eine ernste Bedrohung”, so Stoltenberg. Diese Marschflugkörper ließen sich mit Atomsprengköpfen bestücken und könnten “in nur wenigen Minuten europäische Städte erreichen”. Die Zeit drängt, am 2. August läuft die sechsmonatige Frist aus. Lenkt Moskau bis dahin nicht ein und verletzt weiterhin den Waffenkontrollvertrag, will die NATO antworten. Wie? Auch das ist Teil des heutigen Treffens.

Eine russische Mittelstreckenrakete vom Typ SSC-8

Reden statt rüsten

Die NATO halte aber daran fest, in keinem Fall das russische Verhalten spiegeln zu wollen. “Wir müssen aufpassen, dass wir auf keinen Fall in eine Lage kommen, die noch schwieriger und gefährlicher ist als die jetzige” warnt der Generalsekretär. Die NATO habe eine große Auswahl möglicher Maßnahmen, die sie umsetzen könne. Welche konkret? Das ließ er zunächst offen. Noch hofft die Allianz auf ein Einlenken Russlands. Auch deshalb drängt die NATO den Kreml zu einem Gespräch vor Fristablauf, etwa im NATO-Russland-Rat. Dieses Dialogangebot stehe weiterhin, bislang aber mache Russland keinerlei Anzeichen, es auch anzunehmen.