Deutschland und Lateinamerika: Viel Luft nach oben

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In den vergangenen Jahrzehnten haben deutsche Firmen bevorzugt in China investiert. Doch angesichts des starken Auftretens Chinas in Lateinamerika, scheint Deutschland seine Zurückhaltung aufgeben zu wollen. Zu spät?

Hafen von Cartagena in Kolumbien: Nur wenig Exporte aus Deutschland

“Lateinamerika und die Karibik bieten heute für deutsche Unternehmen die weltweit besten Chancen”, zeigt sich die Unternehmensberatung McKinsey überzeugt. “Die Märkte in der gesamten Region sind offen für deutsche Produkte, Dienstleistungen, Investitionen und Know-how.” Doch dann die Einschränkung: Leider habe Deutschland das “wirtschaftliche Potenzial der Region noch nicht genutzt”. Dies ist die zentrale Aussage einer aktuellen Studie des Beratungsunternehmens McKinsey.

“Das kann und muss sich auch ändern”, sagt dazu Simon Kaesler, Co-Autor der Studie und McKinsey-Berater für deutsche und europäische unternehmen in Frankfurt am Main. Nach seiner Auffassung hat die Marke “Made in Germany” in Lateinamerika nach wie vor einen hohen Stellenwert.

Als Beleg hierfür gibt Kaesler an, dass viele Lateinamerikaner die Begriffe “Deutschland” und “Deutsch” häufig dafür verwenden, um eine außerordentliche Qualität vorzugeben. So sehe man in den Straßen fast jeder lateinamerikanischen Stadt “Deutsche” Apotheken oder “Deutsche “Bäckereien, obwohl weder die Produkte noch die Eigentümer irgendeinen Bezug zu Deutschland hätten.

Deutschlands gutes Image

Wenn die Marke “Deutschland” in Lateinamerika so einen guten Klang hat, warum nutzen die Deutschen diesen Vorteil dann nicht aus? “Das war nicht immer so”, sagt der Finanzberater von McKinsey. Aber während China und die USA sich in den vergangenen Jahren stärker in der Region engagiert haben, sei Deutschland nur mit 2,6 Prozent seiner Direktinvestitionen in Lateinamerika aktiv.

Ende der VW-Käferproduktion in Mexiko (2003): Guter Klang der Marke “Deutschland” in Lateinamerika

“Sogar Spanien, Italien und die Niederlande sind in Lateinamerika stärker vertreten als Deutschland, betont Kaesler. Und das, obwohl “deutsche Unternehmen gut gerüstet sind, um in der Region zu expandieren”, so die McKinsey-Studie.

Politische Instabilität schreckt weiterhin ab

Deutschland investiert nicht nur sehr wenig in Lateinamerika, sondern “exportiert nur zwischen 2 und 3 Prozent seiner Produkte in die Region”, fügt der Experte hinzu. Die große Anziehungskraft asiatischer Märkte und die Volatilität einiger lateinamerikanischer Märkte aufgrund politischer Unsicherheiten würden viele deutsche Unternehmen abschrecken. Aus Sicht der deutschen Unternehmen fehle es an politischer Stabilität und Rechtssicherheit. “Das sind aber Faktoren, die sich in Lateinamerika stark verbessert haben”, so Kaesler.

“Die vom deutschen Außenminister Heiko Maas angestoßene Lateinamerika-Initiative der Bundesregierung ist wichtig, weil sie feststellt, dass deutsche Unternehmen über Fähigkeiten verfügen, die einen großen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung Lateinamerikas leisten würden”, sagt der Co-Autor der Studie, die im Auftrag des Lateinamerika Ausschusses der Deutschen Wirtschaft (LADW) entstanden ist.

Steigerung der Produktivität

Lateinamerika verdanke 80 Prozent seines Wirtschaftswachstums der vergangenen Jahre dem Bevölkerungswachstum und nur zu 20 Prozent der Steigerung seiner Produktivität. Die entsprechenden Zahlen für Asien sind genau umgekehrt.

Angesichts dieser Situation scheint der Schlüssel zur erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklung Lateinamerikas die Steigerung der Produktivität zu sein. Ein Gebiet auf dem sich Deutschland hervorhebt.

“Wenn die Länder Lateinamerikas ihren Wohlstand anheben wollen, müssen sie ihre Produktivität steigern, neue Technologien entwickeln, die Logistik verbessern, die Automatisierung steigern und eine echte Digitalisierung umsetzen”, warnt der McKinsey-Experte und fügt hinzu, das gerade in diesen Bereichen Deutschland und Lateinamerika sehr gut kooperieren könnten.